Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

für das Landvolk.
deswegen sollte es ein Gegenstand der öffentlichen Vorsorge
seyn, von Obrigkeits wegen verordnet, befördert und veran-
staltet worden. Ich will jetzt nur einige Exempel geben, um
den Nutzen desselben zu zeigen.

Gewiß sind hundert Fälle in diesem Jahre vorgekommen,
worinn die Frauen, wenn ihre Männer Schulden halber ge-
pfändet werden sollen, sich der Hülfsvollstreckung widersetzt
haben; weil die Sachen, so man pfänden wollte, ihnen ge-
höreten. Sie sind darüber bestraft, und in weitläuftige
Processe verwickelt worden. Wäre es nun aber nicht gut,
wenn die Frauen wüsten, wie sie sich in solchen Fällen zu
verhalten hätten? Wäre es nicht gut, wenn sie wüsten, auf
was Art sie das Eigenthum ihrer Sachen zu bescheinigen
hätten? Und wie sie solche gleich beym ersten Termin zurück
erhalten könnten, wenn sie in demselben mit ihrem Beweise
gefaßt erschienen, und falls sie solchen nicht hätten, lieber ihr
Unglück ertrügen?

Die Wohlthat des stillschweigenden Pfandrechts, welches
die römischen Rechte demjenigen, der Haus oder Land ver-
heuert, auf das eingebrachte Hausgeräthe und auf das Korn
was auf dem verheureten Lande wächst, verliehen haben, ist
von unendlichen Werth. Ohne sie würden tausend geringe
Heuerleute, welche keine andre Bürgschaft haben, weder
Wohnung noch Ländereyen erhalten können, und die ganze
Bevölkerung des Staats darunter leiden. Wie oft sucht aber
nicht dennoch ein andrer Gläubiger oder die Frau unter dem
Vorwande, daß das eingebrachte Hausgeräthe ihr zustehe, dem
Haus- und Landherrn sein Vorzugsrecht streitig zu machen?
Und würde es nicht für alle Theile ersprießlich seyn, wenn ein
solcher von der Obrigkeit bestätigter kurzer Unterricht das sichere
Recht in solchen Fällen nachwiese?

Eine

fuͤr das Landvolk.
deswegen ſollte es ein Gegenſtand der oͤffentlichen Vorſorge
ſeyn, von Obrigkeits wegen verordnet, befoͤrdert und veran-
ſtaltet worden. Ich will jetzt nur einige Exempel geben, um
den Nutzen deſſelben zu zeigen.

Gewiß ſind hundert Faͤlle in dieſem Jahre vorgekommen,
worinn die Frauen, wenn ihre Maͤnner Schulden halber ge-
pfaͤndet werden ſollen, ſich der Huͤlfsvollſtreckung widerſetzt
haben; weil die Sachen, ſo man pfaͤnden wollte, ihnen ge-
hoͤreten. Sie ſind daruͤber beſtraft, und in weitlaͤuftige
Proceſſe verwickelt worden. Waͤre es nun aber nicht gut,
wenn die Frauen wuͤſten, wie ſie ſich in ſolchen Faͤllen zu
verhalten haͤtten? Waͤre es nicht gut, wenn ſie wuͤſten, auf
was Art ſie das Eigenthum ihrer Sachen zu beſcheinigen
haͤtten? Und wie ſie ſolche gleich beym erſten Termin zuruͤck
erhalten koͤnnten, wenn ſie in demſelben mit ihrem Beweiſe
gefaßt erſchienen, und falls ſie ſolchen nicht haͤtten, lieber ihr
Ungluͤck ertruͤgen?

Die Wohlthat des ſtillſchweigenden Pfandrechts, welches
die roͤmiſchen Rechte demjenigen, der Haus oder Land ver-
heuert, auf das eingebrachte Hausgeraͤthe und auf das Korn
was auf dem verheureten Lande waͤchſt, verliehen haben, iſt
von unendlichen Werth. Ohne ſie wuͤrden tauſend geringe
Heuerleute, welche keine andre Buͤrgſchaft haben, weder
Wohnung noch Laͤndereyen erhalten koͤnnen, und die ganze
Bevoͤlkerung des Staats darunter leiden. Wie oft ſucht aber
nicht dennoch ein andrer Glaͤubiger oder die Frau unter dem
Vorwande, daß das eingebrachte Hausgeraͤthe ihr zuſtehe, dem
Haus- und Landherrn ſein Vorzugsrecht ſtreitig zu machen?
Und wuͤrde es nicht fuͤr alle Theile erſprießlich ſeyn, wenn ein
ſolcher von der Obrigkeit beſtaͤtigter kurzer Unterricht das ſichere
Recht in ſolchen Faͤllen nachwieſe?

Eine
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0301" n="283"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">fu&#x0364;r das Landvolk.</hi></fw><lb/>
deswegen &#x017F;ollte es ein Gegen&#x017F;tand der o&#x0364;ffentlichen Vor&#x017F;orge<lb/>
&#x017F;eyn, von Obrigkeits wegen verordnet, befo&#x0364;rdert und veran-<lb/>
&#x017F;taltet worden. Ich will jetzt nur einige Exempel geben, um<lb/>
den Nutzen de&#x017F;&#x017F;elben zu zeigen.</p><lb/>
        <p>Gewiß &#x017F;ind hundert Fa&#x0364;lle in die&#x017F;em Jahre vorgekommen,<lb/>
worinn die Frauen, wenn ihre Ma&#x0364;nner Schulden halber ge-<lb/>
pfa&#x0364;ndet werden &#x017F;ollen, &#x017F;ich der Hu&#x0364;lfsvoll&#x017F;treckung wider&#x017F;etzt<lb/>
haben; weil die Sachen, &#x017F;o man pfa&#x0364;nden wollte, ihnen ge-<lb/>
ho&#x0364;reten. Sie &#x017F;ind daru&#x0364;ber be&#x017F;traft, und in weitla&#x0364;uftige<lb/>
Proce&#x017F;&#x017F;e verwickelt worden. Wa&#x0364;re es nun aber nicht gut,<lb/>
wenn die Frauen wu&#x0364;&#x017F;ten, wie &#x017F;ie &#x017F;ich in &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen zu<lb/>
verhalten ha&#x0364;tten? Wa&#x0364;re es nicht gut, wenn &#x017F;ie wu&#x0364;&#x017F;ten, auf<lb/>
was Art &#x017F;ie das Eigenthum ihrer Sachen zu be&#x017F;cheinigen<lb/>
ha&#x0364;tten? Und wie &#x017F;ie &#x017F;olche gleich beym er&#x017F;ten Termin zuru&#x0364;ck<lb/>
erhalten ko&#x0364;nnten, wenn &#x017F;ie in dem&#x017F;elben mit ihrem Bewei&#x017F;e<lb/>
gefaßt er&#x017F;chienen, und falls &#x017F;ie &#x017F;olchen nicht ha&#x0364;tten, lieber ihr<lb/>
Unglu&#x0364;ck ertru&#x0364;gen?</p><lb/>
        <p>Die Wohlthat des &#x017F;till&#x017F;chweigenden Pfandrechts, welches<lb/>
die ro&#x0364;mi&#x017F;chen Rechte demjenigen, der Haus oder Land ver-<lb/>
heuert, auf das eingebrachte Hausgera&#x0364;the und auf das Korn<lb/>
was auf dem verheureten Lande wa&#x0364;ch&#x017F;t, verliehen haben, i&#x017F;t<lb/>
von unendlichen Werth. Ohne &#x017F;ie wu&#x0364;rden tau&#x017F;end geringe<lb/>
Heuerleute, welche keine andre Bu&#x0364;rg&#x017F;chaft haben, weder<lb/>
Wohnung noch La&#x0364;ndereyen erhalten ko&#x0364;nnen, und die ganze<lb/>
Bevo&#x0364;lkerung des Staats darunter leiden. Wie oft &#x017F;ucht aber<lb/>
nicht dennoch ein andrer Gla&#x0364;ubiger oder die Frau unter dem<lb/>
Vorwande, daß das eingebrachte Hausgera&#x0364;the ihr zu&#x017F;tehe, dem<lb/>
Haus- und Landherrn &#x017F;ein Vorzugsrecht &#x017F;treitig zu machen?<lb/>
Und wu&#x0364;rde es nicht fu&#x0364;r alle Theile er&#x017F;prießlich &#x017F;eyn, wenn ein<lb/>
&#x017F;olcher von der Obrigkeit be&#x017F;ta&#x0364;tigter kurzer Unterricht das &#x017F;ichere<lb/>
Recht in &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen nachwie&#x017F;e?</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Eine</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283/0301] fuͤr das Landvolk. deswegen ſollte es ein Gegenſtand der oͤffentlichen Vorſorge ſeyn, von Obrigkeits wegen verordnet, befoͤrdert und veran- ſtaltet worden. Ich will jetzt nur einige Exempel geben, um den Nutzen deſſelben zu zeigen. Gewiß ſind hundert Faͤlle in dieſem Jahre vorgekommen, worinn die Frauen, wenn ihre Maͤnner Schulden halber ge- pfaͤndet werden ſollen, ſich der Huͤlfsvollſtreckung widerſetzt haben; weil die Sachen, ſo man pfaͤnden wollte, ihnen ge- hoͤreten. Sie ſind daruͤber beſtraft, und in weitlaͤuftige Proceſſe verwickelt worden. Waͤre es nun aber nicht gut, wenn die Frauen wuͤſten, wie ſie ſich in ſolchen Faͤllen zu verhalten haͤtten? Waͤre es nicht gut, wenn ſie wuͤſten, auf was Art ſie das Eigenthum ihrer Sachen zu beſcheinigen haͤtten? Und wie ſie ſolche gleich beym erſten Termin zuruͤck erhalten koͤnnten, wenn ſie in demſelben mit ihrem Beweiſe gefaßt erſchienen, und falls ſie ſolchen nicht haͤtten, lieber ihr Ungluͤck ertruͤgen? Die Wohlthat des ſtillſchweigenden Pfandrechts, welches die roͤmiſchen Rechte demjenigen, der Haus oder Land ver- heuert, auf das eingebrachte Hausgeraͤthe und auf das Korn was auf dem verheureten Lande waͤchſt, verliehen haben, iſt von unendlichen Werth. Ohne ſie wuͤrden tauſend geringe Heuerleute, welche keine andre Buͤrgſchaft haben, weder Wohnung noch Laͤndereyen erhalten koͤnnen, und die ganze Bevoͤlkerung des Staats darunter leiden. Wie oft ſucht aber nicht dennoch ein andrer Glaͤubiger oder die Frau unter dem Vorwande, daß das eingebrachte Hausgeraͤthe ihr zuſtehe, dem Haus- und Landherrn ſein Vorzugsrecht ſtreitig zu machen? Und wuͤrde es nicht fuͤr alle Theile erſprießlich ſeyn, wenn ein ſolcher von der Obrigkeit beſtaͤtigter kurzer Unterricht das ſichere Recht in ſolchen Faͤllen nachwieſe? Eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/301
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/301>, abgerufen am 18.05.2024.