von *** dessen Viehmägde aus dem Stalle auf die Opern- bühne treten und so geschickt spielen als melken können, seine Zauberkraft hier bewiesen?
"Ach, antwortete er mir, der großen Herrn, welche auf diese Art ihr Geld verwenden, giebt es in Deutschland nicht viel, und wenn auch einer von ihnen jedem Wirthe in unserm Städtgen ein neues Ackergespann, einen Stall voll Vieh, eine Schiffsladung Korn, und einen Berg von Kartoffeln geschenkt hätte: so würde doch nach Verlauf von zehn Jahren alles wie- der in dem vorigen Zustande, die Pferde elend, der Stall schwach, das Korn verzehrt, die Kartoffeln verschlungen und unsre Heyde nach wie vor wüste gewesen seyn. Mit derglei- chen plötzlichen Wohlthaten richtet man bey Menschen von ei- ner gewissen Gewohnheit und einem gewissen Alter selten et- was aus. Fleiß und Geschicklichkeit müssen dem Menschen von den ersten Jahren an, angewöhnt und zur unumgängli- chen Bedürfniß gemachet werden. Die Neubauer des Herrn Commissarius würden gelacht haben, wenn er ihnen ein Stück Heyde zur Urbarmachung angewiesen hätte, und die Philo- sophen thun genug, wenn sie die Buchdruckerfabriken in Auf- nahme bringen; den Fleiß werden sie nie erwecken, so lange sie nicht selbst Hand anlegen und durch glückliche Erfolge be- reden. Von ihrem Grafen sage ich nichts, als daß er der ein- zige Mann in seiner Art ist.
"Die ganze glückliche Veränderung ist einzig und allein ei- ne Folge des Gewerbes und der Handlung, die zuerst mein Vater hieher gezogen, ernähret und zu ihrer jetzigen Höhe gebracht hat. Dieser Mann, der eine eigne Religion erfun- den zu haben glaubte, und eine besondre Gemeinde zu errich- ten gedachte, lies sich zuerst in der Absicht hier nieder, um seine Profeßion als Camelotwürker in der Stille zu treiben,
und
Beantwortung der Frage: Was muß
von *** deſſen Viehmaͤgde aus dem Stalle auf die Opern- buͤhne treten und ſo geſchickt ſpielen als melken koͤnnen, ſeine Zauberkraft hier bewieſen?
„Ach, antwortete er mir, der großen Herrn, welche auf dieſe Art ihr Geld verwenden, giebt es in Deutſchland nicht viel, und wenn auch einer von ihnen jedem Wirthe in unſerm Staͤdtgen ein neues Ackergeſpann, einen Stall voll Vieh, eine Schiffsladung Korn, und einen Berg von Kartoffeln geſchenkt haͤtte: ſo wuͤrde doch nach Verlauf von zehn Jahren alles wie- der in dem vorigen Zuſtande, die Pferde elend, der Stall ſchwach, das Korn verzehrt, die Kartoffeln verſchlungen und unſre Heyde nach wie vor wuͤſte geweſen ſeyn. Mit derglei- chen ploͤtzlichen Wohlthaten richtet man bey Menſchen von ei- ner gewiſſen Gewohnheit und einem gewiſſen Alter ſelten et- was aus. Fleiß und Geſchicklichkeit muͤſſen dem Menſchen von den erſten Jahren an, angewoͤhnt und zur unumgaͤngli- chen Beduͤrfniß gemachet werden. Die Neubauer des Herrn Commiſſarius wuͤrden gelacht haben, wenn er ihnen ein Stuͤck Heyde zur Urbarmachung angewieſen haͤtte, und die Philo- ſophen thun genug, wenn ſie die Buchdruckerfabriken in Auf- nahme bringen; den Fleiß werden ſie nie erwecken, ſo lange ſie nicht ſelbſt Hand anlegen und durch gluͤckliche Erfolge be- reden. Von ihrem Grafen ſage ich nichts, als daß er der ein- zige Mann in ſeiner Art iſt.
„Die ganze gluͤckliche Veraͤnderung iſt einzig und allein ei- ne Folge des Gewerbes und der Handlung, die zuerſt mein Vater hieher gezogen, ernaͤhret und zu ihrer jetzigen Hoͤhe gebracht hat. Dieſer Mann, der eine eigne Religion erfun- den zu haben glaubte, und eine beſondre Gemeinde zu errich- ten gedachte, lies ſich zuerſt in der Abſicht hier nieder, um ſeine Profeßion als Camelotwuͤrker in der Stille zu treiben,
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Beantwortung der Frage: Was muß
von *** deſſen Viehmaͤgde aus dem Stalle auf die Opern-
buͤhne treten und ſo geſchickt ſpielen als melken koͤnnen, ſeine
Zauberkraft hier bewieſen?
„Ach, antwortete er mir, der großen Herrn, welche auf
dieſe Art ihr Geld verwenden, giebt es in Deutſchland nicht
viel, und wenn auch einer von ihnen jedem Wirthe in unſerm
Staͤdtgen ein neues Ackergeſpann, einen Stall voll Vieh, eine
Schiffsladung Korn, und einen Berg von Kartoffeln geſchenkt
haͤtte: ſo wuͤrde doch nach Verlauf von zehn Jahren alles wie-
der in dem vorigen Zuſtande, die Pferde elend, der Stall
ſchwach, das Korn verzehrt, die Kartoffeln verſchlungen und
unſre Heyde nach wie vor wuͤſte geweſen ſeyn. Mit derglei-
chen ploͤtzlichen Wohlthaten richtet man bey Menſchen von ei-
ner gewiſſen Gewohnheit und einem gewiſſen Alter ſelten et-
was aus. Fleiß und Geſchicklichkeit muͤſſen dem Menſchen
von den erſten Jahren an, angewoͤhnt und zur unumgaͤngli-
chen Beduͤrfniß gemachet werden. Die Neubauer des Herrn
Commiſſarius wuͤrden gelacht haben, wenn er ihnen ein Stuͤck
Heyde zur Urbarmachung angewieſen haͤtte, und die Philo-
ſophen thun genug, wenn ſie die Buchdruckerfabriken in Auf-
nahme bringen; den Fleiß werden ſie nie erwecken, ſo lange
ſie nicht ſelbſt Hand anlegen und durch gluͤckliche Erfolge be-
reden. Von ihrem Grafen ſage ich nichts, als daß er der ein-
zige Mann in ſeiner Art iſt.
„Die ganze gluͤckliche Veraͤnderung iſt einzig und allein ei-
ne Folge des Gewerbes und der Handlung, die zuerſt mein
Vater hieher gezogen, ernaͤhret und zu ihrer jetzigen Hoͤhe
gebracht hat. Dieſer Mann, der eine eigne Religion erfun-
den zu haben glaubte, und eine beſondre Gemeinde zu errich-
ten gedachte, lies ſich zuerſt in der Abſicht hier nieder, um
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/276>, abgerufen am 25.11.2024.
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