fen und Hütten zusammengesetzt. Der Morgen Landes konnte damals des Jahrs nicht 6 mgr. zur Heuer thun, und Ochse, Einwohner und Pferd kröpelten das ganze Jahr auf der umher liegenden großen Heyde herum, um die dürre Narbe davon ab und in die Viehstelle zu fahren. Man konnte in einiger Entfernung ganze Felder beynahe umsonst haben, we- nigstens lag ein großer Theil verlassen und verwildert.
Was das schlimmste dabey war; so zogen die Einwohner ihre Kinder nur für Fremde auf. So bald ein Mädgen nur eben dienen konnte, floh es zur Hauptstadt, und die Söhne giengen in alle Welt, so daß in vierzig Jahren gar keine neue Wohnstätte angelegt, verschiedene alte aber eingegangen wa- ren. Das Korn, was dort wuchs, muste, wenn die Einwoh- ner etwas zum Absatze übrig hatten, weit zu Markte gefah- ren werden, und dazu war das Heydefuhrwerk zu schwach; folglich bauten sie selten mehr als sie selbst nöthig hatten, und was allenfals übrig war, wurde unnöthiger Weise verfuttert, oder zu Brandtewein verkocht. So war dieses Städtgen be- schaffen, wie ich vor dreyßig Jahren durchreisete, und weil ich etwas an meinem Wagen zerbrochen hatte, mich einen ganzen langen Tag dort verweilen mußte.
Wie groß war aber nicht meine Verwunderung, als ich vor einem halben Jahre wieder dahin kam, und in der Stadt eine Menge der schönsten Häuser, ringsherum aber eine blühende Flur entdeckte. Wie, sagte ich zu meinem Freunde, den ich jetzt dort besuchte, ist hier ein großer Herr eingezogen, der die Fantasie gehabt hat, einige hundert tausend Thaler in der Heyde zu verschwenden? Oder hat der Commissarius loci Neubauer angesetzt und denselben die große Heyde ausgetheilet? Oder ist ein Philosoph hier erschienen, der den Einwohnern die Ver- besserung des Ackerbaues gewiesen hat? Oder hat gar der Graf
von
Mösers patr. Phantas.II.Th. R
Beantwortung der Frage: Was muß ꝛc.
fen und Huͤtten zuſammengeſetzt. Der Morgen Landes konnte damals des Jahrs nicht 6 mgr. zur Heuer thun, und Ochſe, Einwohner und Pferd kroͤpelten das ganze Jahr auf der umher liegenden großen Heyde herum, um die duͤrre Narbe davon ab und in die Viehſtelle zu fahren. Man konnte in einiger Entfernung ganze Felder beynahe umſonſt haben, we- nigſtens lag ein großer Theil verlaſſen und verwildert.
Was das ſchlimmſte dabey war; ſo zogen die Einwohner ihre Kinder nur fuͤr Fremde auf. So bald ein Maͤdgen nur eben dienen konnte, floh es zur Hauptſtadt, und die Soͤhne giengen in alle Welt, ſo daß in vierzig Jahren gar keine neue Wohnſtaͤtte angelegt, verſchiedene alte aber eingegangen wa- ren. Das Korn, was dort wuchs, muſte, wenn die Einwoh- ner etwas zum Abſatze uͤbrig hatten, weit zu Markte gefah- ren werden, und dazu war das Heydefuhrwerk zu ſchwach; folglich bauten ſie ſelten mehr als ſie ſelbſt noͤthig hatten, und was allenfals uͤbrig war, wurde unnoͤthiger Weiſe verfuttert, oder zu Brandtewein verkocht. So war dieſes Staͤdtgen be- ſchaffen, wie ich vor dreyßig Jahren durchreiſete, und weil ich etwas an meinem Wagen zerbrochen hatte, mich einen ganzen langen Tag dort verweilen mußte.
Wie groß war aber nicht meine Verwunderung, als ich vor einem halben Jahre wieder dahin kam, und in der Stadt eine Menge der ſchoͤnſten Haͤuſer, ringsherum aber eine bluͤhende Flur entdeckte. Wie, ſagte ich zu meinem Freunde, den ich jetzt dort beſuchte, iſt hier ein großer Herr eingezogen, der die Fantaſie gehabt hat, einige hundert tauſend Thaler in der Heyde zu verſchwenden? Oder hat der Commiſſarius loci Neubauer angeſetzt und denſelben die große Heyde ausgetheilet? Oder iſt ein Philoſoph hier erſchienen, der den Einwohnern die Ver- beſſerung des Ackerbaues gewieſen hat? Oder hat gar der Graf
von
Möſers patr. Phantaſ.II.Th. R
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0275"n="257"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Beantwortung der Frage: Was muß ꝛc.</hi></fw><lb/>
fen und Huͤtten zuſammengeſetzt. Der Morgen Landes<lb/>
konnte damals des Jahrs nicht 6 mgr. zur Heuer thun, und<lb/>
Ochſe, Einwohner und Pferd kroͤpelten das ganze Jahr auf<lb/>
der umher liegenden großen Heyde herum, um die duͤrre Narbe<lb/>
davon ab und in die Viehſtelle zu fahren. Man konnte in<lb/>
einiger Entfernung ganze Felder beynahe umſonſt haben, we-<lb/>
nigſtens lag ein großer Theil verlaſſen und verwildert.</p><lb/><p>Was das ſchlimmſte dabey war; ſo zogen die Einwohner<lb/>
ihre Kinder nur fuͤr Fremde auf. So bald ein Maͤdgen nur<lb/>
eben dienen konnte, floh es zur Hauptſtadt, und die Soͤhne<lb/>
giengen in alle Welt, ſo daß in vierzig Jahren gar keine neue<lb/>
Wohnſtaͤtte angelegt, verſchiedene alte aber eingegangen wa-<lb/>
ren. Das Korn, was dort wuchs, muſte, wenn die Einwoh-<lb/>
ner etwas zum Abſatze uͤbrig hatten, weit zu Markte gefah-<lb/>
ren werden, und dazu war das Heydefuhrwerk zu ſchwach;<lb/>
folglich bauten ſie ſelten mehr als ſie ſelbſt noͤthig hatten, und<lb/>
was allenfals uͤbrig war, wurde unnoͤthiger Weiſe verfuttert,<lb/>
oder zu Brandtewein verkocht. So war dieſes Staͤdtgen be-<lb/>ſchaffen, wie ich vor dreyßig Jahren durchreiſete, und weil<lb/>
ich etwas an meinem Wagen zerbrochen hatte, mich einen<lb/>
ganzen langen Tag dort verweilen mußte.</p><lb/><p>Wie groß war aber nicht meine Verwunderung, als ich vor<lb/>
einem halben Jahre wieder dahin kam, und in der Stadt eine<lb/>
Menge der ſchoͤnſten Haͤuſer, ringsherum aber eine bluͤhende<lb/>
Flur entdeckte. Wie, ſagte ich zu meinem Freunde, den ich<lb/>
jetzt dort beſuchte, iſt hier ein großer Herr eingezogen, der die<lb/>
Fantaſie gehabt hat, einige hundert tauſend Thaler in der Heyde<lb/>
zu verſchwenden? Oder hat der <hirendition="#aq">Commiſſarius loci</hi> Neubauer<lb/>
angeſetzt und denſelben die große Heyde ausgetheilet? Oder<lb/>
iſt ein Philoſoph hier erſchienen, der den Einwohnern die Ver-<lb/>
beſſerung des Ackerbaues gewieſen hat? Oder hat gar der Graf<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Möſers patr. Phantaſ.</hi><hirendition="#aq">II.</hi><hirendition="#fr">Th.</hi> R</fw><fwplace="bottom"type="catch">von</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[257/0275]
Beantwortung der Frage: Was muß ꝛc.
fen und Huͤtten zuſammengeſetzt. Der Morgen Landes
konnte damals des Jahrs nicht 6 mgr. zur Heuer thun, und
Ochſe, Einwohner und Pferd kroͤpelten das ganze Jahr auf
der umher liegenden großen Heyde herum, um die duͤrre Narbe
davon ab und in die Viehſtelle zu fahren. Man konnte in
einiger Entfernung ganze Felder beynahe umſonſt haben, we-
nigſtens lag ein großer Theil verlaſſen und verwildert.
Was das ſchlimmſte dabey war; ſo zogen die Einwohner
ihre Kinder nur fuͤr Fremde auf. So bald ein Maͤdgen nur
eben dienen konnte, floh es zur Hauptſtadt, und die Soͤhne
giengen in alle Welt, ſo daß in vierzig Jahren gar keine neue
Wohnſtaͤtte angelegt, verſchiedene alte aber eingegangen wa-
ren. Das Korn, was dort wuchs, muſte, wenn die Einwoh-
ner etwas zum Abſatze uͤbrig hatten, weit zu Markte gefah-
ren werden, und dazu war das Heydefuhrwerk zu ſchwach;
folglich bauten ſie ſelten mehr als ſie ſelbſt noͤthig hatten, und
was allenfals uͤbrig war, wurde unnoͤthiger Weiſe verfuttert,
oder zu Brandtewein verkocht. So war dieſes Staͤdtgen be-
ſchaffen, wie ich vor dreyßig Jahren durchreiſete, und weil
ich etwas an meinem Wagen zerbrochen hatte, mich einen
ganzen langen Tag dort verweilen mußte.
Wie groß war aber nicht meine Verwunderung, als ich vor
einem halben Jahre wieder dahin kam, und in der Stadt eine
Menge der ſchoͤnſten Haͤuſer, ringsherum aber eine bluͤhende
Flur entdeckte. Wie, ſagte ich zu meinem Freunde, den ich
jetzt dort beſuchte, iſt hier ein großer Herr eingezogen, der die
Fantaſie gehabt hat, einige hundert tauſend Thaler in der Heyde
zu verſchwenden? Oder hat der Commiſſarius loci Neubauer
angeſetzt und denſelben die große Heyde ausgetheilet? Oder
iſt ein Philoſoph hier erſchienen, der den Einwohnern die Ver-
beſſerung des Ackerbaues gewieſen hat? Oder hat gar der Graf
von
Möſers patr. Phantaſ. II. Th. R
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/275>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.