Herr! sagte ich zu ihm, und faßte ihn beym Knopf, der Henker pfände ihm das Herz aus dem Leibe, und dann gehe Er und richte. Er schwur mir aber zu, daß er die beyden Pferde mit Rechta) genommen.
Ich führe vor eben diesem Richter zween Processe. In dem einen fordert mein Leibeigner von seinen Geschwistern, die ihre Auslobung bey seines Vatern Leben erhalten haben, daß sie ihm von dem empfangenen wieder zu Hülfe kommen sollen, nachdem der Vater nach der Auslobung durch Unglücks- fälle zurückgekommen, und seinem Anerben einen Hof verlas- sen hat, wovon nach Abzug der Abgiften und Zinsen gar nichts überschießt; allein der Richter sagt mir: Mein Leibeigner werde mit Recht verlieren. In dem andern fordern die Ge- schwister eine verbesserte Auslobung, nachdem der Vater rei- cher verstorben, wie er bey der Auslobung war; und der Richter sagt mir: Auch diesen würde er mit Recht verlieren. Nun möchte ich gern noch einen dritten anfangen. Einer von meinen Leibeignen der eine reiche Erbschaft aus Holland ge- than, ist damit auf die Leibzucht gezogen, und wird alles was er hat, heimlich den abgehenden Kindern zuwenden. Immit- telst wollen diese von dem Hofe ausgelobet seyn, und der An- erbe wird ihnen ihren Erbtheil bey lebendigen Leibe der El- tern nach Verhältniß des Hoses auszahlen müssen. Sollte ich dieses nicht verhindern mögen? Allein ich scheue die Pro- cesse und mein Leibeigner hat auch kein Geld dazu, weil ihm nur für die ordentlichen Bauerlasten bey der Theilung etwas weniges zu gute gerechnet worden, und der Richter sagt aber-
mal:
a) Es ist dieses Oßnabrückischen Rechtens, welches leyder mit der Landesverfassung so verflochten ist, daß man es durch Satyren und Predigen nicht ausrotten, und mit Verord- nungen nicht zwingen kan.
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als die uͤberh. Aush. der Bauerhoͤfe.
Herr! ſagte ich zu ihm, und faßte ihn beym Knopf, der Henker pfaͤnde ihm das Herz aus dem Leibe, und dann gehe Er und richte. Er ſchwur mir aber zu, daß er die beyden Pferde mit Rechta) genommen.
Ich fuͤhre vor eben dieſem Richter zween Proceſſe. In dem einen fordert mein Leibeigner von ſeinen Geſchwiſtern, die ihre Auslobung bey ſeines Vatern Leben erhalten haben, daß ſie ihm von dem empfangenen wieder zu Huͤlfe kommen ſollen, nachdem der Vater nach der Auslobung durch Ungluͤcks- faͤlle zuruͤckgekommen, und ſeinem Anerben einen Hof verlaſ- ſen hat, wovon nach Abzug der Abgiften und Zinſen gar nichts uͤberſchießt; allein der Richter ſagt mir: Mein Leibeigner werde mit Recht verlieren. In dem andern fordern die Ge- ſchwiſter eine verbeſſerte Auslobung, nachdem der Vater rei- cher verſtorben, wie er bey der Auslobung war; und der Richter ſagt mir: Auch dieſen wuͤrde er mit Recht verlieren. Nun moͤchte ich gern noch einen dritten anfangen. Einer von meinen Leibeignen der eine reiche Erbſchaft aus Holland ge- than, iſt damit auf die Leibzucht gezogen, und wird alles was er hat, heimlich den abgehenden Kindern zuwenden. Immit- telſt wollen dieſe von dem Hofe ausgelobet ſeyn, und der An- erbe wird ihnen ihren Erbtheil bey lebendigen Leibe der El- tern nach Verhaͤltniß des Hoſes auszahlen muͤſſen. Sollte ich dieſes nicht verhindern moͤgen? Allein ich ſcheue die Pro- ceſſe und mein Leibeigner hat auch kein Geld dazu, weil ihm nur fuͤr die ordentlichen Bauerlaſten bey der Theilung etwas weniges zu gute gerechnet worden, und der Richter ſagt aber-
mal:
a) Es iſt dieſes Oßnabruͤckiſchen Rechtens, welches leyder mit der Landesverfaſſung ſo verflochten iſt, daß man es durch Satyren und Predigen nicht ausrotten, und mit Verord- nungen nicht zwingen kan.
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als die uͤberh. Aush. der Bauerhoͤfe.
Herr! ſagte ich zu ihm, und faßte ihn beym Knopf, der
Henker pfaͤnde ihm das Herz aus dem Leibe, und dann gehe
Er und richte. Er ſchwur mir aber zu, daß er die beyden
Pferde mit Recht a) genommen.
Ich fuͤhre vor eben dieſem Richter zween Proceſſe. In
dem einen fordert mein Leibeigner von ſeinen Geſchwiſtern,
die ihre Auslobung bey ſeines Vatern Leben erhalten haben,
daß ſie ihm von dem empfangenen wieder zu Huͤlfe kommen
ſollen, nachdem der Vater nach der Auslobung durch Ungluͤcks-
faͤlle zuruͤckgekommen, und ſeinem Anerben einen Hof verlaſ-
ſen hat, wovon nach Abzug der Abgiften und Zinſen gar nichts
uͤberſchießt; allein der Richter ſagt mir: Mein Leibeigner
werde mit Recht verlieren. In dem andern fordern die Ge-
ſchwiſter eine verbeſſerte Auslobung, nachdem der Vater rei-
cher verſtorben, wie er bey der Auslobung war; und der
Richter ſagt mir: Auch dieſen wuͤrde er mit Recht verlieren.
Nun moͤchte ich gern noch einen dritten anfangen. Einer von
meinen Leibeignen der eine reiche Erbſchaft aus Holland ge-
than, iſt damit auf die Leibzucht gezogen, und wird alles was
er hat, heimlich den abgehenden Kindern zuwenden. Immit-
telſt wollen dieſe von dem Hofe ausgelobet ſeyn, und der An-
erbe wird ihnen ihren Erbtheil bey lebendigen Leibe der El-
tern nach Verhaͤltniß des Hoſes auszahlen muͤſſen. Sollte
ich dieſes nicht verhindern moͤgen? Allein ich ſcheue die Pro-
ceſſe und mein Leibeigner hat auch kein Geld dazu, weil ihm
nur fuͤr die ordentlichen Bauerlaſten bey der Theilung etwas
weniges zu gute gerechnet worden, und der Richter ſagt aber-
mal:
a) Es iſt dieſes Oßnabruͤckiſchen Rechtens, welches leyder mit
der Landesverfaſſung ſo verflochten iſt, daß man es durch
Satyren und Predigen nicht ausrotten, und mit Verord-
nungen nicht zwingen kan.
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/137>, abgerufen am 24.11.2024.
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