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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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als die überh. Aush. der Bauerhöfe.
nutzen und uns die Lasten tragen lassen. Die Gerichte und
die Vögte sind fast die einzigen Herrn unserer Höfe. Jene
schützen den Heuermann, der nicht weichen will, bevor ihm
seine ganze Besserung bezahlet worden; und dieser pfändet
immer darauf los, ohne für unsre Pächte etwas übrig zu las-
sen. Wo noch ein armer Eigenbehöriger ist; da hat er so viel
Geschwister von seinem Vater und Großvater, die ihre Kin-
destheile von ihm fordern, daß er sich gar nicht mehr retten
kann. *) Kurz, wir müssen darauf denken, entweder die
Verfassung so wie solche vor dreyhundert Jahren war, wieder
einzuführen, oder dem Heuerwesen eine ganz andre Form
geben.

Das erste wird schwer halten, bemerkte ein Moralist, die
ganze Nation ist leichtfertig und flüchtig geworden. Es ist
keiner mehr, der es fühlt, was es sey ein väterliches Erbe
mit eignen Pferden
zu bauen. Der Heuerling zieht von ei-
nem Erbe aufs andre, ohne einen zärtlichen Blick nach dem
Verlassenen zu werfen. Jeder sieht seine Wohnung als eine
Herberge an, und denkt nicht an denjenigen der nach ihm
kömmt. Ueberall fehlt die Liebe zu dem geheuerten Grunde:
mit ihr die Sorge für eine Nachkommenschaft; und mit dieser
der edle Trieb zur dauerhaften Verbesserung. Man rupft
von den Höfen was man kan, und denkt, wann die Heuer-
jähre um sind; so mögen Disteln und Dornen den Grund be-

decken.
*) Mit den Abfindungen oder Auslobungen der Geschwister
von einem Bauerhofe ist es in Stift Oßnabrück eine be-
sondre Sache, nachdem durch eine unglückliche Folge rö-
mischer Begriffe, der Erbe zum Hofe vor seinen Geschwistern
nur eine doppelte Portion voraus hat, und ihnen nach die-
sem Verhältniß herausgeben muß. Alle Höfe müssen da-
bey zu Grunde gehn.
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als die uͤberh. Aush. der Bauerhoͤfe.
nutzen und uns die Laſten tragen laſſen. Die Gerichte und
die Voͤgte ſind faſt die einzigen Herrn unſerer Hoͤfe. Jene
ſchuͤtzen den Heuermann, der nicht weichen will, bevor ihm
ſeine ganze Beſſerung bezahlet worden; und dieſer pfaͤndet
immer darauf los, ohne fuͤr unſre Paͤchte etwas uͤbrig zu laſ-
ſen. Wo noch ein armer Eigenbehoͤriger iſt; da hat er ſo viel
Geſchwiſter von ſeinem Vater und Großvater, die ihre Kin-
destheile von ihm fordern, daß er ſich gar nicht mehr retten
kann. *) Kurz, wir muͤſſen darauf denken, entweder die
Verfaſſung ſo wie ſolche vor dreyhundert Jahren war, wieder
einzufuͤhren, oder dem Heuerweſen eine ganz andre Form
geben.

Das erſte wird ſchwer halten, bemerkte ein Moraliſt, die
ganze Nation iſt leichtfertig und fluͤchtig geworden. Es iſt
keiner mehr, der es fuͤhlt, was es ſey ein väterliches Erbe
mit eignen Pferden
zu bauen. Der Heuerling zieht von ei-
nem Erbe aufs andre, ohne einen zaͤrtlichen Blick nach dem
Verlaſſenen zu werfen. Jeder ſieht ſeine Wohnung als eine
Herberge an, und denkt nicht an denjenigen der nach ihm
koͤmmt. Ueberall fehlt die Liebe zu dem geheuerten Grunde:
mit ihr die Sorge fuͤr eine Nachkommenſchaft; und mit dieſer
der edle Trieb zur dauerhaften Verbeſſerung. Man rupft
von den Hoͤfen was man kan, und denkt, wann die Heuer-
jaͤhre um ſind; ſo moͤgen Diſteln und Dornen den Grund be-

decken.
*) Mit den Abfindungen oder Auslobungen der Geſchwiſter
von einem Bauerhofe iſt es in Stift Oßnabruͤck eine be-
ſondre Sache, nachdem durch eine ungluͤckliche Folge roͤ-
miſcher Begriffe, der Erbe zum Hofe vor ſeinen Geſchwiſtern
nur eine doppelte Portion voraus hat, und ihnen nach die-
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bey zu Grunde gehn.
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[117/0135] als die uͤberh. Aush. der Bauerhoͤfe. nutzen und uns die Laſten tragen laſſen. Die Gerichte und die Voͤgte ſind faſt die einzigen Herrn unſerer Hoͤfe. Jene ſchuͤtzen den Heuermann, der nicht weichen will, bevor ihm ſeine ganze Beſſerung bezahlet worden; und dieſer pfaͤndet immer darauf los, ohne fuͤr unſre Paͤchte etwas uͤbrig zu laſ- ſen. Wo noch ein armer Eigenbehoͤriger iſt; da hat er ſo viel Geſchwiſter von ſeinem Vater und Großvater, die ihre Kin- destheile von ihm fordern, daß er ſich gar nicht mehr retten kann. *) Kurz, wir muͤſſen darauf denken, entweder die Verfaſſung ſo wie ſolche vor dreyhundert Jahren war, wieder einzufuͤhren, oder dem Heuerweſen eine ganz andre Form geben. Das erſte wird ſchwer halten, bemerkte ein Moraliſt, die ganze Nation iſt leichtfertig und fluͤchtig geworden. Es iſt keiner mehr, der es fuͤhlt, was es ſey ein väterliches Erbe mit eignen Pferden zu bauen. Der Heuerling zieht von ei- nem Erbe aufs andre, ohne einen zaͤrtlichen Blick nach dem Verlaſſenen zu werfen. Jeder ſieht ſeine Wohnung als eine Herberge an, und denkt nicht an denjenigen der nach ihm koͤmmt. Ueberall fehlt die Liebe zu dem geheuerten Grunde: mit ihr die Sorge fuͤr eine Nachkommenſchaft; und mit dieſer der edle Trieb zur dauerhaften Verbeſſerung. Man rupft von den Hoͤfen was man kan, und denkt, wann die Heuer- jaͤhre um ſind; ſo moͤgen Diſteln und Dornen den Grund be- decken. *) Mit den Abfindungen oder Auslobungen der Geſchwiſter von einem Bauerhofe iſt es in Stift Oßnabruͤck eine be- ſondre Sache, nachdem durch eine ungluͤckliche Folge roͤ- miſcher Begriffe, der Erbe zum Hofe vor ſeinen Geſchwiſtern nur eine doppelte Portion voraus hat, und ihnen nach die- ſem Verhaͤltniß herausgeben muß. Alle Hoͤfe muͤſſen da- bey zu Grunde gehn. H 3

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/135>, abgerufen am 24.11.2024.