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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Gedanken über den westphäl. Leibeigenthum.
nicht zu der Zeit, als der geistliche Dienst mit einer Pfründe
(officium cum beneficio) verknüpft wurde, die Kirche weis-
lich zugetreten, und den Geistlichen nicht allein das Heyra-
then verboten, sondern auch die Kinder, welche er vorher
gezeugt, von aller Folge an der Pfründe ausgeschlossen hätte.

Vielleicht, wird man sagen, hätte es solchergestalt doch
dem Eigenthümer als Patron frey gestanden, seinen Hof
einem Leibeignen zu conferiren, und diesen dem Heerbanns
Hauptmann an seine Stelle darzustellen. Ich antworte hier-
auf ja und nein, und will dieses sogleich näher erläutern.

Schon zu der Carolinger Zeit konnten zwölf Mansi damit
frey kommen, daß sie anstatt zwölf Mann ins Feld zu brin-
gen, einen geharnischten stelleten. a) Die Folge davon ist,
daß ein Eigenthümer von zwölf Actien, oder zwölf Nägeln,
wie man im Bremischen spricht, (wo der Besitzer von zwölf
Nägeln eine Stimme in der Directionscompagnie hat oder
zu Landtage gehet) eilf Mansos zur todten Hand bringen,
das ist mit Leibeignen besetzen, und sie mit seinem Harnische
in der Heerbannsreihe vertreten konnte. Solche eilf Mansi
fielen also aus der Liste des Reichshauptmanns ganz weg; es
brauchte ihm davon keiner präsentirt zu werden; und da die
Geharnischten ihre eigne Compagnie ausmachten, mithin dem
Aufbote des Hauptmanns entgiengen: so hatte er sich um
diese gar nicht mehr zu bekümmern. Die eilf Mansi konnten
also nach Gefallen besetzt werden; dies geschahe vielfältig mit
Leibeignen; und daher entstand vermuthlich der noch jetzt so-
genannte Leibeigenthum nach Ritterrechte.

Ganz
a) Omnis homo de XII mansis bruniam habeat Capit.
ann.
805. §. 8.

Gedanken uͤber den weſtphaͤl. Leibeigenthum.
nicht zu der Zeit, als der geiſtliche Dienſt mit einer Pfruͤnde
(officium cum beneficio) verknuͤpft wurde, die Kirche weis-
lich zugetreten, und den Geiſtlichen nicht allein das Heyra-
then verboten, ſondern auch die Kinder, welche er vorher
gezeugt, von aller Folge an der Pfruͤnde ausgeſchloſſen haͤtte.

Vielleicht, wird man ſagen, haͤtte es ſolchergeſtalt doch
dem Eigenthuͤmer als Patron frey geſtanden, ſeinen Hof
einem Leibeignen zu conferiren, und dieſen dem Heerbanns
Hauptmann an ſeine Stelle darzuſtellen. Ich antworte hier-
auf ja und nein, und will dieſes ſogleich naͤher erlaͤutern.

Schon zu der Carolinger Zeit konnten zwoͤlf Manſi damit
frey kommen, daß ſie anſtatt zwoͤlf Mann ins Feld zu brin-
gen, einen geharniſchten ſtelleten. a) Die Folge davon iſt,
daß ein Eigenthuͤmer von zwoͤlf Actien, oder zwoͤlf Nägeln,
wie man im Bremiſchen ſpricht, (wo der Beſitzer von zwoͤlf
Naͤgeln eine Stimme in der Directionscompagnie hat oder
zu Landtage gehet) eilf Manſos zur todten Hand bringen,
das iſt mit Leibeignen beſetzen, und ſie mit ſeinem Harniſche
in der Heerbannsreihe vertreten konnte. Solche eilf Manſi
fielen alſo aus der Liſte des Reichshauptmanns ganz weg; es
brauchte ihm davon keiner praͤſentirt zu werden; und da die
Geharniſchten ihre eigne Compagnie ausmachten, mithin dem
Aufbote des Hauptmanns entgiengen: ſo hatte er ſich um
dieſe gar nicht mehr zu bekuͤmmern. Die eilf Manſi konnten
alſo nach Gefallen beſetzt werden; dies geſchahe vielfaͤltig mit
Leibeignen; und daher entſtand vermuthlich der noch jetzt ſo-
genannte Leibeigenthum nach Ritterrechte.

Ganz
a) Omnis homo de XII manſis bruniam habeat Capit.
ann.
805. §. 8.
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[108/0126] Gedanken uͤber den weſtphaͤl. Leibeigenthum. nicht zu der Zeit, als der geiſtliche Dienſt mit einer Pfruͤnde (officium cum beneficio) verknuͤpft wurde, die Kirche weis- lich zugetreten, und den Geiſtlichen nicht allein das Heyra- then verboten, ſondern auch die Kinder, welche er vorher gezeugt, von aller Folge an der Pfruͤnde ausgeſchloſſen haͤtte. Vielleicht, wird man ſagen, haͤtte es ſolchergeſtalt doch dem Eigenthuͤmer als Patron frey geſtanden, ſeinen Hof einem Leibeignen zu conferiren, und dieſen dem Heerbanns Hauptmann an ſeine Stelle darzuſtellen. Ich antworte hier- auf ja und nein, und will dieſes ſogleich naͤher erlaͤutern. Schon zu der Carolinger Zeit konnten zwoͤlf Manſi damit frey kommen, daß ſie anſtatt zwoͤlf Mann ins Feld zu brin- gen, einen geharniſchten ſtelleten. a) Die Folge davon iſt, daß ein Eigenthuͤmer von zwoͤlf Actien, oder zwoͤlf Nägeln, wie man im Bremiſchen ſpricht, (wo der Beſitzer von zwoͤlf Naͤgeln eine Stimme in der Directionscompagnie hat oder zu Landtage gehet) eilf Manſos zur todten Hand bringen, das iſt mit Leibeignen beſetzen, und ſie mit ſeinem Harniſche in der Heerbannsreihe vertreten konnte. Solche eilf Manſi fielen alſo aus der Liſte des Reichshauptmanns ganz weg; es brauchte ihm davon keiner praͤſentirt zu werden; und da die Geharniſchten ihre eigne Compagnie ausmachten, mithin dem Aufbote des Hauptmanns entgiengen: ſo hatte er ſich um dieſe gar nicht mehr zu bekuͤmmern. Die eilf Manſi konnten alſo nach Gefallen beſetzt werden; dies geſchahe vielfaͤltig mit Leibeignen; und daher entſtand vermuthlich der noch jetzt ſo- genannte Leibeigenthum nach Ritterrechte. Ganz a) Omnis homo de XII manſis bruniam habeat Capit. ann. 805. §. 8.

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/126>, abgerufen am 22.11.2024.