zur Zeit der Noth als ein flüchtiger Heuerling zum Lande hinaus gehen könne.
Es ist ein zwar scheinbarer aber doch im Grunde unrichti- ger Schluß, daß unsre heutigen Bauern anfänglich insge- mein Heuerleute oder Pächter gewesen; und ihre Heuern oder Pachtungen mit der Zeit erblich geworden seyn. Von einem Heuermann hat nie gefordert werden können, daß er zur Vertheidigung des Staats sein Leben aufopfre; diese Aufopferung geht einzig und allein aus dem Eigenthum, wel- ches einer im Staate besitzt, hervor. Blos die Noth kan es rechtfertigen, daß ein Heuermann mit Gewalt zum Re- cruten ausgenommen werde. Denn da er alles was er im Lande besitzt, baar bezahlt: so hat er kein Eigenthum zu versteuern oder mit seinem Leibe zu vertheidigen. Kein Bür- ger, kein Markkötter, und überhaupt niemand, der nicht so viel als einen vollen Hof zum Eigenthum besitzt, braucht sein ganzes Leben dem Staate aufzuopfern. Zwey Halbhöse, vier Viertelhöfe und acht Markkötter sind dem Staate im Verhältniß mit jenem, nur ein Leben oder einen Mann zum Heerbann zu stellen schuldig; und der Heuermann kan höch- stens zum Sechzehntelmann angeschlagen werden. Die Folge, welche hieraus hervorgehet, ist diese, daß kein Heuermann oder Pächter der Regel nach jemals hat auf einen Hof gesetzt werden können.
Vielmehr ist jeder Hof im Staate eine mit dem Dienste der gemeinen Vertheidigung behaftete Pfründe, welche der Eigenthümer als er davon gezogen, einem Vicar auf Lebens- zeit conferirt; und dieser mit der Zeit und aus ökonomischen Gründen auf sein Geblüt vererbet hat. Ein gleiches würde sich mit allen geistlichen Pfründen zugetragen haben, wenn
nicht
Gedanken uͤber den weſtphaͤl. Leibeigenthum.
zur Zeit der Noth als ein fluͤchtiger Heuerling zum Lande hinaus gehen koͤnne.
Es iſt ein zwar ſcheinbarer aber doch im Grunde unrichti- ger Schluß, daß unſre heutigen Bauern anfaͤnglich insge- mein Heuerleute oder Paͤchter geweſen; und ihre Heuern oder Pachtungen mit der Zeit erblich geworden ſeyn. Von einem Heuermann hat nie gefordert werden koͤnnen, daß er zur Vertheidigung des Staats ſein Leben aufopfre; dieſe Aufopferung geht einzig und allein aus dem Eigenthum, wel- ches einer im Staate beſitzt, hervor. Blos die Noth kan es rechtfertigen, daß ein Heuermann mit Gewalt zum Re- cruten ausgenommen werde. Denn da er alles was er im Lande beſitzt, baar bezahlt: ſo hat er kein Eigenthum zu verſteuern oder mit ſeinem Leibe zu vertheidigen. Kein Buͤr- ger, kein Markkoͤtter, und uͤberhaupt niemand, der nicht ſo viel als einen vollen Hof zum Eigenthum beſitzt, braucht ſein ganzes Leben dem Staate aufzuopfern. Zwey Halbhoͤſe, vier Viertelhoͤfe und acht Markkoͤtter ſind dem Staate im Verhaͤltniß mit jenem, nur ein Leben oder einen Mann zum Heerbann zu ſtellen ſchuldig; und der Heuermann kan hoͤch- ſtens zum Sechzehntelmann angeſchlagen werden. Die Folge, welche hieraus hervorgehet, iſt dieſe, daß kein Heuermann oder Paͤchter der Regel nach jemals hat auf einen Hof geſetzt werden koͤnnen.
Vielmehr iſt jeder Hof im Staate eine mit dem Dienſte der gemeinen Vertheidigung behaftete Pfruͤnde, welche der Eigenthuͤmer als er davon gezogen, einem Vicar auf Lebens- zeit conferirt; und dieſer mit der Zeit und aus oͤkonomiſchen Gruͤnden auf ſein Gebluͤt vererbet hat. Ein gleiches wuͤrde ſich mit allen geiſtlichen Pfruͤnden zugetragen haben, wenn
nicht
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Gedanken uͤber den weſtphaͤl. Leibeigenthum.
zur Zeit der Noth als ein fluͤchtiger Heuerling zum Lande
hinaus gehen koͤnne.
Es iſt ein zwar ſcheinbarer aber doch im Grunde unrichti-
ger Schluß, daß unſre heutigen Bauern anfaͤnglich insge-
mein Heuerleute oder Paͤchter geweſen; und ihre Heuern
oder Pachtungen mit der Zeit erblich geworden ſeyn. Von
einem Heuermann hat nie gefordert werden koͤnnen, daß er
zur Vertheidigung des Staats ſein Leben aufopfre; dieſe
Aufopferung geht einzig und allein aus dem Eigenthum, wel-
ches einer im Staate beſitzt, hervor. Blos die Noth kan
es rechtfertigen, daß ein Heuermann mit Gewalt zum Re-
cruten ausgenommen werde. Denn da er alles was er im
Lande beſitzt, baar bezahlt: ſo hat er kein Eigenthum zu
verſteuern oder mit ſeinem Leibe zu vertheidigen. Kein Buͤr-
ger, kein Markkoͤtter, und uͤberhaupt niemand, der nicht ſo
viel als einen vollen Hof zum Eigenthum beſitzt, braucht ſein
ganzes Leben dem Staate aufzuopfern. Zwey Halbhoͤſe,
vier Viertelhoͤfe und acht Markkoͤtter ſind dem Staate im
Verhaͤltniß mit jenem, nur ein Leben oder einen Mann zum
Heerbann zu ſtellen ſchuldig; und der Heuermann kan hoͤch-
ſtens zum Sechzehntelmann angeſchlagen werden. Die Folge,
welche hieraus hervorgehet, iſt dieſe, daß kein Heuermann
oder Paͤchter der Regel nach jemals hat auf einen Hof geſetzt
werden koͤnnen.
Vielmehr iſt jeder Hof im Staate eine mit dem Dienſte
der gemeinen Vertheidigung behaftete Pfruͤnde, welche der
Eigenthuͤmer als er davon gezogen, einem Vicar auf Lebens-
zeit conferirt; und dieſer mit der Zeit und aus oͤkonomiſchen
Gruͤnden auf ſein Gebluͤt vererbet hat. Ein gleiches wuͤrde
ſich mit allen geiſtlichen Pfruͤnden zugetragen haben, wenn
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/125>, abgerufen am 22.11.2024.
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