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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Gedanken über den westphäl. Leibeigenthum.
Spann versäumen, oder sich mit Alter und Leibesschwachheit
entschuldigen möchte. Nach einer natürlichen Folge setzte
also
l) der Hauptmann, so bald einer verstorben und der Erbe
minderjährig war, auf sichere Jahre einen Wirth auf den Hof
und forderte von ihm gegen die ganze Nutzung auch die ganze
Vertheydigung; untersuchte, ob der Erbe, wenn er den Hof
antreten wollte, Handfest zum gemeinen Dienst sey; gieng,
wenn einer verstarb, ins Sterbhaus, und sahe darnach daß
das Heergeräthe nicht vertheilet und verbracht, sondern bey
dem Hofe gelassen wurde; und zog dafür bey der Einführung
des Erben eine Erkenntlichkeit, welches jetzt die Auffarth oder
der Weinkauf genannt wird, so wie bey dem Sterbfalle, das
beste Pfand oder eine andre Urkunde.

Dies war ungefehr die älteste Anlage, welche so lange
dauerte, als man den Heer- oder wie wir jetzt sprechen, den
Arierbann im Felde gebrauchte; und es in Westphalen so ge-
halten wurde, wie es unter den Croaten und Panduren, die
noch jetzt von ihren Höfen zu Felde dienen, gehalten wird.

Der Heerbann wich dem Lehndienst, so wie der Lehnmann
den heutigen geworbenen weichen müssen. Jener bestand aus
Leuten, die nur zu gemeiner Noth dienten; der Lehnmann
folgte auch nicht jedem Wink, und so war es für große Herrn
besser geworbene zu haben, die alle ihre Absichten bereitwillig
erfüllen. Die Folge der letzten Veränderung sehen wir noch.
Sie ist diese, daß der Lehnmann seine Güter verpachtet und
Dienste nimmt. Eben das erfolgte bey der ersten Verände-
rung auch. Der Hauptmann verachtete seine Landcompagnie
und die Eigenthümer giengen vom Hofe und nahmen Lehn.
Erster setzte einen Meyer oder Schulzen auf dem Meyerhof;

und
G 5
Gedanken uͤber den weſtphaͤl. Leibeigenthum.
Spann verſaͤumen, oder ſich mit Alter und Leibesſchwachheit
entſchuldigen moͤchte. Nach einer natuͤrlichen Folge ſetzte
alſo
l) der Hauptmann, ſo bald einer verſtorben und der Erbe
minderjaͤhrig war, auf ſichere Jahre einen Wirth auf den Hof
und forderte von ihm gegen die ganze Nutzung auch die ganze
Vertheydigung; unterſuchte, ob der Erbe, wenn er den Hof
antreten wollte, Handfeſt zum gemeinen Dienſt ſey; gieng,
wenn einer verſtarb, ins Sterbhaus, und ſahe darnach daß
das Heergeraͤthe nicht vertheilet und verbracht, ſondern bey
dem Hofe gelaſſen wurde; und zog dafuͤr bey der Einfuͤhrung
des Erben eine Erkenntlichkeit, welches jetzt die Auffarth oder
der Weinkauf genannt wird, ſo wie bey dem Sterbfalle, das
beſte Pfand oder eine andre Urkunde.

Dies war ungefehr die aͤlteſte Anlage, welche ſo lange
dauerte, als man den Heer- oder wie wir jetzt ſprechen, den
Arierbann im Felde gebrauchte; und es in Weſtphalen ſo ge-
halten wurde, wie es unter den Croaten und Panduren, die
noch jetzt von ihren Hoͤfen zu Felde dienen, gehalten wird.

Der Heerbann wich dem Lehndienſt, ſo wie der Lehnmann
den heutigen geworbenen weichen muͤſſen. Jener beſtand aus
Leuten, die nur zu gemeiner Noth dienten; der Lehnmann
folgte auch nicht jedem Wink, und ſo war es fuͤr große Herrn
beſſer geworbene zu haben, die alle ihre Abſichten bereitwillig
erfuͤllen. Die Folge der letzten Veraͤnderung ſehen wir noch.
Sie iſt dieſe, daß der Lehnmann ſeine Guͤter verpachtet und
Dienſte nimmt. Eben das erfolgte bey der erſten Veraͤnde-
rung auch. Der Hauptmann verachtete ſeine Landcompagnie
und die Eigenthuͤmer giengen vom Hofe und nahmen Lehn.
Erſter ſetzte einen Meyer oder Schulzen auf dem Meyerhof;

und
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[105/0123] Gedanken uͤber den weſtphaͤl. Leibeigenthum. Spann verſaͤumen, oder ſich mit Alter und Leibesſchwachheit entſchuldigen moͤchte. Nach einer natuͤrlichen Folge ſetzte alſo l) der Hauptmann, ſo bald einer verſtorben und der Erbe minderjaͤhrig war, auf ſichere Jahre einen Wirth auf den Hof und forderte von ihm gegen die ganze Nutzung auch die ganze Vertheydigung; unterſuchte, ob der Erbe, wenn er den Hof antreten wollte, Handfeſt zum gemeinen Dienſt ſey; gieng, wenn einer verſtarb, ins Sterbhaus, und ſahe darnach daß das Heergeraͤthe nicht vertheilet und verbracht, ſondern bey dem Hofe gelaſſen wurde; und zog dafuͤr bey der Einfuͤhrung des Erben eine Erkenntlichkeit, welches jetzt die Auffarth oder der Weinkauf genannt wird, ſo wie bey dem Sterbfalle, das beſte Pfand oder eine andre Urkunde. Dies war ungefehr die aͤlteſte Anlage, welche ſo lange dauerte, als man den Heer- oder wie wir jetzt ſprechen, den Arierbann im Felde gebrauchte; und es in Weſtphalen ſo ge- halten wurde, wie es unter den Croaten und Panduren, die noch jetzt von ihren Hoͤfen zu Felde dienen, gehalten wird. Der Heerbann wich dem Lehndienſt, ſo wie der Lehnmann den heutigen geworbenen weichen muͤſſen. Jener beſtand aus Leuten, die nur zu gemeiner Noth dienten; der Lehnmann folgte auch nicht jedem Wink, und ſo war es fuͤr große Herrn beſſer geworbene zu haben, die alle ihre Abſichten bereitwillig erfuͤllen. Die Folge der letzten Veraͤnderung ſehen wir noch. Sie iſt dieſe, daß der Lehnmann ſeine Guͤter verpachtet und Dienſte nimmt. Eben das erfolgte bey der erſten Veraͤnde- rung auch. Der Hauptmann verachtete ſeine Landcompagnie und die Eigenthuͤmer giengen vom Hofe und nahmen Lehn. Erſter ſetzte einen Meyer oder Schulzen auf dem Meyerhof; und G 5

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/123>, abgerufen am 23.11.2024.