Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Schreiben eines Frauenzimmers vom Lande
lichter erweckte Ihnen eine affreuse migraine. Weil kein
Burgunder dort war, trunken Sie Wasser, und dieses war
das einzige was Sie rühmten. Wie wir des andern Tages
von dem theuresten Burgunderwein aus der Stadt holen
ließen, fanden Sie ihn zur Denkbarkeit abominable. Ein
schöner Kalbsbraten schien Ihnen vortreflich, um auf einer
Bürger Hochzeit zu paradiren, und Sie sprachen von Fri-
candons
und Poppidons bey dem Anblick einer schönen
Schafmilch. Auf solche Art bezeugten Sie uns ihre Höf-
lichkeit. Sie ließen uns gar noch dabey empfinden, wie vie-
len Dank wir Ihnen für Ihre gütigen Anmerkungen schuldig
blieben, und trieben endlich ihre Gnade so weit, daß Sie
sich bey unsern Coffeetassen Ihres schönen Dresdener Por-
cellains zu erinnern geruheten.

Wie Sie zu Hause kamen, und durch die Stadtluft wie-
der in ihr wahres Element versetzet wurden: so ward unsere
wohlgemeinte Bewirthung der Gegenstand Ihres Spottes.
Es ist eine erbärmliche Sache, sagten Sie, um ein Land-
mädgen, es weiß doch von nichts. Den grünen und rothen
Kohl kennet es besser, als die Livres verds et rouges a la
Mode.
a) Es lauft ohne Sonnenschirm und Saloppe wie
ein Schaf im Felde. Wenn man von Wistspiel mit ihm
pricht: so sperret es zwey große Augen auf, und ein Schnei-
dermädgen bey uns würde sich eher zur Prinzeßin als ein sol-
ches Ding auch nur zu einer Cammerjungfer schicken.

So urtheilten Sie von mir, wie Sie zu Hause waren
und alle meine aufmerksame Sorgfalt, die schöne Milch, die
vortrefliche Butter, die schmackhaften Gartenfrüchte, die

ange-
a) Der Aufsatz ist vom Jahr 1760 wo diese französischen Kinder
spiele Mode waren.

Schreiben eines Frauenzimmers vom Lande
lichter erweckte Ihnen eine affreuſe migraine. Weil kein
Burgunder dort war, trunken Sie Waſſer, und dieſes war
das einzige was Sie ruͤhmten. Wie wir des andern Tages
von dem theureſten Burgunderwein aus der Stadt holen
ließen, fanden Sie ihn zur Denkbarkeit abominable. Ein
ſchoͤner Kalbsbraten ſchien Ihnen vortreflich, um auf einer
Buͤrger Hochzeit zu paradiren, und Sie ſprachen von Fri-
candons
und Poppidons bey dem Anblick einer ſchoͤnen
Schafmilch. Auf ſolche Art bezeugten Sie uns ihre Hoͤf-
lichkeit. Sie ließen uns gar noch dabey empfinden, wie vie-
len Dank wir Ihnen fuͤr Ihre guͤtigen Anmerkungen ſchuldig
blieben, und trieben endlich ihre Gnade ſo weit, daß Sie
ſich bey unſern Coffeetaſſen Ihres ſchoͤnen Dresdener Por-
cellains zu erinnern geruheten.

Wie Sie zu Hauſe kamen, und durch die Stadtluft wie-
der in ihr wahres Element verſetzet wurden: ſo ward unſere
wohlgemeinte Bewirthung der Gegenſtand Ihres Spottes.
Es iſt eine erbaͤrmliche Sache, ſagten Sie, um ein Land-
maͤdgen, es weiß doch von nichts. Den gruͤnen und rothen
Kohl kennet es beſſer, als die Livres verds et rouges a la
Mode.
a) Es lauft ohne Sonnenſchirm und Saloppe wie
ein Schaf im Felde. Wenn man von Wiſtſpiel mit ihm
pricht: ſo ſperret es zwey große Augen auf, und ein Schnei-
dermaͤdgen bey uns wuͤrde ſich eher zur Prinzeßin als ein ſol-
ches Ding auch nur zu einer Cammerjungfer ſchicken.

So urtheilten Sie von mir, wie Sie zu Hauſe waren
und alle meine aufmerkſame Sorgfalt, die ſchoͤne Milch, die
vortrefliche Butter, die ſchmackhaften Gartenfruͤchte, die

ange-
a) Der Aufſatz iſt vom Jahr 1760 wo dieſe franzoͤſiſchen Kinder
ſpiele Mode waren.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0100" n="82"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Schreiben eines Frauenzimmers vom Lande</hi></fw><lb/>
lichter erweckte Ihnen eine <hi rendition="#aq">affreu&#x017F;e migraine.</hi> Weil kein<lb/>
Burgunder dort war, trunken Sie Wa&#x017F;&#x017F;er, und die&#x017F;es war<lb/>
das einzige was Sie ru&#x0364;hmten. Wie wir des andern Tages<lb/>
von dem theure&#x017F;ten Burgunderwein aus der Stadt holen<lb/>
ließen, fanden Sie ihn zur Denkbarkeit <hi rendition="#aq">abominable.</hi> Ein<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ner Kalbsbraten &#x017F;chien Ihnen vortreflich, um auf einer<lb/>
Bu&#x0364;rger Hochzeit zu paradiren, und Sie &#x017F;prachen von <hi rendition="#aq">Fri-<lb/>
candons</hi> und <hi rendition="#aq">Poppidons</hi> bey dem Anblick einer &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Schafmilch. Auf &#x017F;olche Art bezeugten Sie uns ihre Ho&#x0364;f-<lb/>
lichkeit. Sie ließen uns gar noch dabey empfinden, wie vie-<lb/>
len Dank wir Ihnen fu&#x0364;r Ihre gu&#x0364;tigen Anmerkungen &#x017F;chuldig<lb/>
blieben, und trieben endlich ihre Gnade &#x017F;o weit, daß Sie<lb/>
&#x017F;ich bey un&#x017F;ern Coffeeta&#x017F;&#x017F;en Ihres &#x017F;cho&#x0364;nen Dresdener Por-<lb/>
cellains zu erinnern geruheten.</p><lb/>
        <p>Wie Sie zu Hau&#x017F;e kamen, und durch die Stadtluft wie-<lb/>
der in ihr wahres Element ver&#x017F;etzet wurden: &#x017F;o ward un&#x017F;ere<lb/>
wohlgemeinte Bewirthung der Gegen&#x017F;tand Ihres Spottes.<lb/>
Es i&#x017F;t eine erba&#x0364;rmliche Sache, &#x017F;agten Sie, um ein Land-<lb/>
ma&#x0364;dgen, es weiß doch von nichts. Den gru&#x0364;nen und rothen<lb/>
Kohl kennet es be&#x017F;&#x017F;er, als die <hi rendition="#aq">Livres verds et rouges a la<lb/>
Mode.</hi> <note place="foot" n="a)">Der Auf&#x017F;atz i&#x017F;t vom Jahr 1760 wo die&#x017F;e franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Kinder<lb/>
&#x017F;piele Mode waren.</note> Es lauft ohne Sonnen&#x017F;chirm und Saloppe wie<lb/>
ein Schaf im Felde. Wenn man von Wi&#x017F;t&#x017F;piel mit ihm<lb/>
pricht: &#x017F;o &#x017F;perret es zwey große Augen auf, und ein Schnei-<lb/>
derma&#x0364;dgen bey uns wu&#x0364;rde &#x017F;ich eher zur Prinzeßin als ein &#x017F;ol-<lb/>
ches Ding auch nur zu einer Cammerjungfer &#x017F;chicken.</p><lb/>
        <p>So urtheilten Sie von mir, wie Sie zu Hau&#x017F;e waren<lb/>
und alle meine aufmerk&#x017F;ame Sorgfalt, die &#x017F;cho&#x0364;ne Milch, die<lb/>
vortrefliche Butter, die &#x017F;chmackhaften Gartenfru&#x0364;chte, die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ange-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0100] Schreiben eines Frauenzimmers vom Lande lichter erweckte Ihnen eine affreuſe migraine. Weil kein Burgunder dort war, trunken Sie Waſſer, und dieſes war das einzige was Sie ruͤhmten. Wie wir des andern Tages von dem theureſten Burgunderwein aus der Stadt holen ließen, fanden Sie ihn zur Denkbarkeit abominable. Ein ſchoͤner Kalbsbraten ſchien Ihnen vortreflich, um auf einer Buͤrger Hochzeit zu paradiren, und Sie ſprachen von Fri- candons und Poppidons bey dem Anblick einer ſchoͤnen Schafmilch. Auf ſolche Art bezeugten Sie uns ihre Hoͤf- lichkeit. Sie ließen uns gar noch dabey empfinden, wie vie- len Dank wir Ihnen fuͤr Ihre guͤtigen Anmerkungen ſchuldig blieben, und trieben endlich ihre Gnade ſo weit, daß Sie ſich bey unſern Coffeetaſſen Ihres ſchoͤnen Dresdener Por- cellains zu erinnern geruheten. Wie Sie zu Hauſe kamen, und durch die Stadtluft wie- der in ihr wahres Element verſetzet wurden: ſo ward unſere wohlgemeinte Bewirthung der Gegenſtand Ihres Spottes. Es iſt eine erbaͤrmliche Sache, ſagten Sie, um ein Land- maͤdgen, es weiß doch von nichts. Den gruͤnen und rothen Kohl kennet es beſſer, als die Livres verds et rouges a la Mode. a) Es lauft ohne Sonnenſchirm und Saloppe wie ein Schaf im Felde. Wenn man von Wiſtſpiel mit ihm pricht: ſo ſperret es zwey große Augen auf, und ein Schnei- dermaͤdgen bey uns wuͤrde ſich eher zur Prinzeßin als ein ſol- ches Ding auch nur zu einer Cammerjungfer ſchicken. So urtheilten Sie von mir, wie Sie zu Hauſe waren und alle meine aufmerkſame Sorgfalt, die ſchoͤne Milch, die vortrefliche Butter, die ſchmackhaften Gartenfruͤchte, die ange- a) Der Aufſatz iſt vom Jahr 1760 wo dieſe franzoͤſiſchen Kinder ſpiele Mode waren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/100
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/100>, abgerufen am 06.05.2024.