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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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an seinen Wirth in Westphalen.
sind, werden nicht einmal der Arbeit entzogen, und um zu
ihnen zu kommen, braucht man so wenig den Schweizer als
den Kammerdiener zu bestechen. Euer ganzer Adel braucht
nicht so viel wohlriechendes Wasser als ich für meine Person
allein, und dünkt sich groß ohne auch nur einmal von weiten
gesehen zu haben, wie unser König sein Hemd anzieht, oder
sein Morgengebet abstößt. Eure Gelehrten wissen kaum mit
dem Hunde einer Dame geschweige denn mit vernünftigen
Menschen umzugehen; und der geringste Schuhflicker in Pa-
ris hat mehr feine Lebensart als euer bester Vollmeyer. Ich
begreife gar nicht wie es sich in einem solchen Lande leben läßt,
wo die Leute nichts thun als arbeiten, essen, schlafen, und
sich wohl befinden. Wo man keinen König zu bedauren, kei-
nen Minister zu verfluchen, keine Gräfin zu kreuzigen, keine
Commiß zu spiessen, keine Verordnung zu verspotten, keine
Freunde zu stürzen, keine Großen zu hassen, keine Partheyen
zu erheben, und keine Krankheiten zu erzählen hat; wo es
keine Männer zu betriegen, keine Weiber zu verführen, keine
Tugend zu kaufen oder zu verkaufen, keine Patrioten zu er-
handeln, und keine Betrieger zu verehren giebt; kurz wo die
Uebertretung aller zehn Gebott Gottes einem so wenig Ansehn
als Vergnügen giebt. Nur Schade, daß ich nicht daran ge-
dacht habe ein Geschöpfe eurer Art mit nach Paris zu neh-
men, um den Herrn von Buffon besser in Stand zu setzen,
die Classe der Abweichungen in der menschlichen Art noch mehr
zu bereichern, und ein Gerippe von euch in der Kunstkammer
des Königs mit meiner Beschreibung aufzustellen. Hiemit
Gott befohlen und die Rechnung bezahlt, womit ich dich bey
meiner Abwesenheit beehret habe.



LVI.

an ſeinen Wirth in Weſtphalen.
ſind, werden nicht einmal der Arbeit entzogen, und um zu
ihnen zu kommen, braucht man ſo wenig den Schweizer als
den Kammerdiener zu beſtechen. Euer ganzer Adel braucht
nicht ſo viel wohlriechendes Waſſer als ich fuͤr meine Perſon
allein, und duͤnkt ſich groß ohne auch nur einmal von weiten
geſehen zu haben, wie unſer Koͤnig ſein Hemd anzieht, oder
ſein Morgengebet abſtoͤßt. Eure Gelehrten wiſſen kaum mit
dem Hunde einer Dame geſchweige denn mit vernuͤnftigen
Menſchen umzugehen; und der geringſte Schuhflicker in Pa-
ris hat mehr feine Lebensart als euer beſter Vollmeyer. Ich
begreife gar nicht wie es ſich in einem ſolchen Lande leben laͤßt,
wo die Leute nichts thun als arbeiten, eſſen, ſchlafen, und
ſich wohl befinden. Wo man keinen Koͤnig zu bedauren, kei-
nen Miniſter zu verfluchen, keine Graͤfin zu kreuzigen, keine
Commiß zu ſpieſſen, keine Verordnung zu verſpotten, keine
Freunde zu ſtuͤrzen, keine Großen zu haſſen, keine Partheyen
zu erheben, und keine Krankheiten zu erzaͤhlen hat; wo es
keine Maͤnner zu betriegen, keine Weiber zu verfuͤhren, keine
Tugend zu kaufen oder zu verkaufen, keine Patrioten zu er-
handeln, und keine Betrieger zu verehren giebt; kurz wo die
Uebertretung aller zehn Gebott Gottes einem ſo wenig Anſehn
als Vergnuͤgen giebt. Nur Schade, daß ich nicht daran ge-
dacht habe ein Geſchoͤpfe eurer Art mit nach Paris zu neh-
men, um den Herrn von Buffon beſſer in Stand zu ſetzen,
die Claſſe der Abweichungen in der menſchlichen Art noch mehr
zu bereichern, und ein Gerippe von euch in der Kunſtkammer
des Koͤnigs mit meiner Beſchreibung aufzuſtellen. Hiemit
Gott befohlen und die Rechnung bezahlt, womit ich dich bey
meiner Abweſenheit beehret habe.



LVI.
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[351/0369] an ſeinen Wirth in Weſtphalen. ſind, werden nicht einmal der Arbeit entzogen, und um zu ihnen zu kommen, braucht man ſo wenig den Schweizer als den Kammerdiener zu beſtechen. Euer ganzer Adel braucht nicht ſo viel wohlriechendes Waſſer als ich fuͤr meine Perſon allein, und duͤnkt ſich groß ohne auch nur einmal von weiten geſehen zu haben, wie unſer Koͤnig ſein Hemd anzieht, oder ſein Morgengebet abſtoͤßt. Eure Gelehrten wiſſen kaum mit dem Hunde einer Dame geſchweige denn mit vernuͤnftigen Menſchen umzugehen; und der geringſte Schuhflicker in Pa- ris hat mehr feine Lebensart als euer beſter Vollmeyer. Ich begreife gar nicht wie es ſich in einem ſolchen Lande leben laͤßt, wo die Leute nichts thun als arbeiten, eſſen, ſchlafen, und ſich wohl befinden. Wo man keinen Koͤnig zu bedauren, kei- nen Miniſter zu verfluchen, keine Graͤfin zu kreuzigen, keine Commiß zu ſpieſſen, keine Verordnung zu verſpotten, keine Freunde zu ſtuͤrzen, keine Großen zu haſſen, keine Partheyen zu erheben, und keine Krankheiten zu erzaͤhlen hat; wo es keine Maͤnner zu betriegen, keine Weiber zu verfuͤhren, keine Tugend zu kaufen oder zu verkaufen, keine Patrioten zu er- handeln, und keine Betrieger zu verehren giebt; kurz wo die Uebertretung aller zehn Gebott Gottes einem ſo wenig Anſehn als Vergnuͤgen giebt. Nur Schade, daß ich nicht daran ge- dacht habe ein Geſchoͤpfe eurer Art mit nach Paris zu neh- men, um den Herrn von Buffon beſſer in Stand zu ſetzen, die Claſſe der Abweichungen in der menſchlichen Art noch mehr zu bereichern, und ein Gerippe von euch in der Kunſtkammer des Koͤnigs mit meiner Beſchreibung aufzuſtellen. Hiemit Gott befohlen und die Rechnung bezahlt, womit ich dich bey meiner Abweſenheit beehret habe. LVI.

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/369>, abgerufen am 19.12.2024.