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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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bey dem zu besorgenden Kornmangel einzustellen.
zu besörgen haben, wenn die Kreisstände mittelst einer ver-
traulichen und sichern Correspondenz den wahren Mangel
oder Vorrath jedesmal zu beurtheilen im Stande wären.
Man würde dem entlegenern Stande, der Korn genug, aber
kein Fuhrwerk hat, dienen und sich selbst helfen können. Man
würde das Fuhrwerk im Kreise einander zu tarifmäßigen Prei-
sen liefern, sich einander gleichsam in die Hand arbeiten, und
die Circulation daheim auf eine Art befördern können, wobey
alle Theile ihr Interesse finden würden. Ja man könnte dem-
jenigen Stande, der den größten Ueberfluß hätte, das Brandte-
weinsbrennen von Kreiswegen zugestehen, und sich vereini-
gen, dieses Getränk binnen einer verglichenen Zeit blos von
ihm zu nehmen, um sich auf diese Art einander zu statten
kommen.

Wollte man die Sache aufs Interesse treiben: so wäre
nichts leichters als im ganzen Kreise eine gleichförmige Brandte-
weinsaccise einzuführen; anstatt daß jezt derjenige Stand,
so seine gemeinen Ansgaben durch eine Tranksteuer zu bestrei-
ten sucht, wenig mehr ausrichtet, als daß die Unterthanen
einen Schritt über die Gränze thun, und dort ein unversteuer-
tes Glas ausleeren. Alle Financiers stimmen darinn über-
ein, daß bey erheischender gemeinen Noth nichts billiger sey
als eine Steuer auf dieses Getränk. Die Landstände des
vorigen Jahrhunderts eiferten gegen das zunehmende Brandte-
weintrinken, ärger als die Prediger, und baten recht eifrig
darum, dem Uebel durch eine Vertheurung zu wehren. Die
Engländer und Franzofen haßten unsere Gegenden, weil der
Brandtewein darinn zu wohlfeil war, und der Preis die
Soldaten zum Gesöffe verleitete. Warum sollte also eine solche
Vereinigung im Kreise nicht heilsam und nöthig seyn? be-
sonders wenn der fleißige Unterthan dagegen in andern Aufla-

gen

bey dem zu beſorgenden Kornmangel einzuſtellen.
zu beſoͤrgen haben, wenn die Kreisſtaͤnde mittelſt einer ver-
traulichen und ſichern Correſpondenz den wahren Mangel
oder Vorrath jedesmal zu beurtheilen im Stande waͤren.
Man wuͤrde dem entlegenern Stande, der Korn genug, aber
kein Fuhrwerk hat, dienen und ſich ſelbſt helfen koͤnnen. Man
wuͤrde das Fuhrwerk im Kreiſe einander zu tarifmaͤßigen Prei-
ſen liefern, ſich einander gleichſam in die Hand arbeiten, und
die Circulation daheim auf eine Art befoͤrdern koͤnnen, wobey
alle Theile ihr Intereſſe finden wuͤrden. Ja man koͤnnte dem-
jenigen Stande, der den groͤßten Ueberfluß haͤtte, das Brandte-
weinsbrennen von Kreiswegen zugeſtehen, und ſich vereini-
gen, dieſes Getraͤnk binnen einer verglichenen Zeit blos von
ihm zu nehmen, um ſich auf dieſe Art einander zu ſtatten
kommen.

Wollte man die Sache aufs Intereſſe treiben: ſo waͤre
nichts leichters als im ganzen Kreiſe eine gleichfoͤrmige Brandte-
weinsacciſe einzufuͤhren; anſtatt daß jezt derjenige Stand,
ſo ſeine gemeinen Ansgaben durch eine Trankſteuer zu beſtrei-
ten ſucht, wenig mehr ausrichtet, als daß die Unterthanen
einen Schritt uͤber die Graͤnze thun, und dort ein unverſteuer-
tes Glas ausleeren. Alle Financiers ſtimmen darinn uͤber-
ein, daß bey erheiſchender gemeinen Noth nichts billiger ſey
als eine Steuer auf dieſes Getraͤnk. Die Landſtaͤnde des
vorigen Jahrhunderts eiferten gegen das zunehmende Brandte-
weintrinken, aͤrger als die Prediger, und baten recht eifrig
darum, dem Uebel durch eine Vertheurung zu wehren. Die
Englaͤnder und Franzofen haßten unſere Gegenden, weil der
Brandtewein darinn zu wohlfeil war, und der Preis die
Soldaten zum Geſoͤffe verleitete. Warum ſollte alſo eine ſolche
Vereinigung im Kreiſe nicht heilſam und noͤthig ſeyn? be-
ſonders wenn der fleißige Unterthan dagegen in andern Aufla-

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[365/0383] bey dem zu beſorgenden Kornmangel einzuſtellen. zu beſoͤrgen haben, wenn die Kreisſtaͤnde mittelſt einer ver- traulichen und ſichern Correſpondenz den wahren Mangel oder Vorrath jedesmal zu beurtheilen im Stande waͤren. Man wuͤrde dem entlegenern Stande, der Korn genug, aber kein Fuhrwerk hat, dienen und ſich ſelbſt helfen koͤnnen. Man wuͤrde das Fuhrwerk im Kreiſe einander zu tarifmaͤßigen Prei- ſen liefern, ſich einander gleichſam in die Hand arbeiten, und die Circulation daheim auf eine Art befoͤrdern koͤnnen, wobey alle Theile ihr Intereſſe finden wuͤrden. Ja man koͤnnte dem- jenigen Stande, der den groͤßten Ueberfluß haͤtte, das Brandte- weinsbrennen von Kreiswegen zugeſtehen, und ſich vereini- gen, dieſes Getraͤnk binnen einer verglichenen Zeit blos von ihm zu nehmen, um ſich auf dieſe Art einander zu ſtatten kommen. Wollte man die Sache aufs Intereſſe treiben: ſo waͤre nichts leichters als im ganzen Kreiſe eine gleichfoͤrmige Brandte- weinsacciſe einzufuͤhren; anſtatt daß jezt derjenige Stand, ſo ſeine gemeinen Ansgaben durch eine Trankſteuer zu beſtrei- ten ſucht, wenig mehr ausrichtet, als daß die Unterthanen einen Schritt uͤber die Graͤnze thun, und dort ein unverſteuer- tes Glas ausleeren. Alle Financiers ſtimmen darinn uͤber- ein, daß bey erheiſchender gemeinen Noth nichts billiger ſey als eine Steuer auf dieſes Getraͤnk. Die Landſtaͤnde des vorigen Jahrhunderts eiferten gegen das zunehmende Brandte- weintrinken, aͤrger als die Prediger, und baten recht eifrig darum, dem Uebel durch eine Vertheurung zu wehren. Die Englaͤnder und Franzofen haßten unſere Gegenden, weil der Brandtewein darinn zu wohlfeil war, und der Preis die Soldaten zum Geſoͤffe verleitete. Warum ſollte alſo eine ſolche Vereinigung im Kreiſe nicht heilſam und noͤthig ſeyn? be- ſonders wenn der fleißige Unterthan dagegen in andern Aufla- gen

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/383>, abgerufen am 05.05.2024.