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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Vorstel. zu einer Kreisv. um das Brandteweinsbr.
daher zu besorgende Kornmangel. Kein einzelner Kreisstand
ist vermögend sich in diesem Falle selbst zu helfen. Will der
eine das Brandteweinsbrennen verbieten: so läßt es der an-
dre zu, um den Vortheil allein zu ziehen. Die kleinen Staa-
ten bestehen aus lauter Gränzen; und so bald den Eingeses-
senen eines Staats das Getränke um einen halben Pfennig erhö-
het wird: so geht er über die Gränze, wo er wohlfeiler trinken
kann und trägt sein Brodkorn zu einer fremden Blase. Sucht
der eine die Ausfuhr zu verbieten: so verführt der andre seine
Nachbarn, ihm das ihrige bey der Nacht zuzubringen; und
der Gesetzgeber des einen Kirchspiels mag sich wenden und
drehen wie er will: der andre belauret ihn doch; und der
Mangel übereilt sie zulezt alle.

Alle diese Unbequemlichkeiten und hinterlistigen Be-
handlungen werden aber wegfallen, wenn die Nachbaren ei-
nes Kreises sich gemeinschaftlicher Anstalten verglichen; wenn
sie die Brandteweinskessel insgesamt versiegelten; sich über
Ein- und Ausfuhr mit einander verstünden, und solcherge-
stalt allen Unterschleifen nachdrücklich vorbeugten. Nur als-
denn kann die für das Wohl der Unterthanen wachende obrig-
keitliche Vorsorge ihre Absicht erreichen, anstatt daß jezt dieje-
nige, so das Tanzen verbietet, nur die Spielleute ihrer Nach-
barn bereichert.

Noch glücklicher würden die Folgen einer solchen Verei-
nigung seyn, wenn einer zugleich von seinem Ueberfluß des
andern Mangel abzuhelfen suchte. Der Kornhändler wendet
sich bey der geringsten Verlegenheit gleich nach Bremen, treibt
dort die Preise in die Höhe, und erwecket ein gefährliches Ge-
schrey, ohne daß man noch recht versichert ist, ob ein wahrer Man-
gel im Kreise vorhanden sey? Dies würde man gewiß nicht

zu

Vorſtel. zu einer Kreisv. um das Brandteweinsbr.
daher zu beſorgende Kornmangel. Kein einzelner Kreisſtand
iſt vermoͤgend ſich in dieſem Falle ſelbſt zu helfen. Will der
eine das Brandteweinsbrennen verbieten: ſo laͤßt es der an-
dre zu, um den Vortheil allein zu ziehen. Die kleinen Staa-
ten beſtehen aus lauter Graͤnzen; und ſo bald den Eingeſeſ-
ſenen eines Staats das Getraͤnke um einen halben Pfennig erhoͤ-
het wird: ſo geht er uͤber die Graͤnze, wo er wohlfeiler trinken
kann und traͤgt ſein Brodkorn zu einer fremden Blaſe. Sucht
der eine die Ausfuhr zu verbieten: ſo verfuͤhrt der andre ſeine
Nachbarn, ihm das ihrige bey der Nacht zuzubringen; und
der Geſetzgeber des einen Kirchſpiels mag ſich wenden und
drehen wie er will: der andre belauret ihn doch; und der
Mangel uͤbereilt ſie zulezt alle.

Alle dieſe Unbequemlichkeiten und hinterliſtigen Be-
handlungen werden aber wegfallen, wenn die Nachbaren ei-
nes Kreiſes ſich gemeinſchaftlicher Anſtalten verglichen; wenn
ſie die Brandteweinskeſſel insgeſamt verſiegelten; ſich uͤber
Ein- und Ausfuhr mit einander verſtuͤnden, und ſolcherge-
ſtalt allen Unterſchleifen nachdruͤcklich vorbeugten. Nur als-
denn kann die fuͤr das Wohl der Unterthanen wachende obrig-
keitliche Vorſorge ihre Abſicht erreichen, anſtatt daß jezt dieje-
nige, ſo das Tanzen verbietet, nur die Spielleute ihrer Nach-
barn bereichert.

Noch gluͤcklicher wuͤrden die Folgen einer ſolchen Verei-
nigung ſeyn, wenn einer zugleich von ſeinem Ueberfluß des
andern Mangel abzuhelfen ſuchte. Der Kornhaͤndler wendet
ſich bey der geringſten Verlegenheit gleich nach Bremen, treibt
dort die Preiſe in die Hoͤhe, und erwecket ein gefaͤhrliches Ge-
ſchrey, ohne daß man noch recht verſichert iſt, ob ein wahrer Man-
gel im Kreiſe vorhanden ſey? Dies wuͤrde man gewiß nicht

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[364/0382] Vorſtel. zu einer Kreisv. um das Brandteweinsbr. daher zu beſorgende Kornmangel. Kein einzelner Kreisſtand iſt vermoͤgend ſich in dieſem Falle ſelbſt zu helfen. Will der eine das Brandteweinsbrennen verbieten: ſo laͤßt es der an- dre zu, um den Vortheil allein zu ziehen. Die kleinen Staa- ten beſtehen aus lauter Graͤnzen; und ſo bald den Eingeſeſ- ſenen eines Staats das Getraͤnke um einen halben Pfennig erhoͤ- het wird: ſo geht er uͤber die Graͤnze, wo er wohlfeiler trinken kann und traͤgt ſein Brodkorn zu einer fremden Blaſe. Sucht der eine die Ausfuhr zu verbieten: ſo verfuͤhrt der andre ſeine Nachbarn, ihm das ihrige bey der Nacht zuzubringen; und der Geſetzgeber des einen Kirchſpiels mag ſich wenden und drehen wie er will: der andre belauret ihn doch; und der Mangel uͤbereilt ſie zulezt alle. Alle dieſe Unbequemlichkeiten und hinterliſtigen Be- handlungen werden aber wegfallen, wenn die Nachbaren ei- nes Kreiſes ſich gemeinſchaftlicher Anſtalten verglichen; wenn ſie die Brandteweinskeſſel insgeſamt verſiegelten; ſich uͤber Ein- und Ausfuhr mit einander verſtuͤnden, und ſolcherge- ſtalt allen Unterſchleifen nachdruͤcklich vorbeugten. Nur als- denn kann die fuͤr das Wohl der Unterthanen wachende obrig- keitliche Vorſorge ihre Abſicht erreichen, anſtatt daß jezt dieje- nige, ſo das Tanzen verbietet, nur die Spielleute ihrer Nach- barn bereichert. Noch gluͤcklicher wuͤrden die Folgen einer ſolchen Verei- nigung ſeyn, wenn einer zugleich von ſeinem Ueberfluß des andern Mangel abzuhelfen ſuchte. Der Kornhaͤndler wendet ſich bey der geringſten Verlegenheit gleich nach Bremen, treibt dort die Preiſe in die Hoͤhe, und erwecket ein gefaͤhrliches Ge- ſchrey, ohne daß man noch recht verſichert iſt, ob ein wahrer Man- gel im Kreiſe vorhanden ſey? Dies wuͤrde man gewiß nicht zu

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/382>, abgerufen am 24.11.2024.