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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Schreiben über ein Project unserer Nach baren
Sclaven der Arbeit; anstatt daß sie den Bewohner jener Ge-
genden alle Freyheit zur Ergötzung und Begeisterung gönnet.

Nun will ich Ihnen urtheilen lassen, ob Leute, die
jene Gegenden verlassen, jemals in den hiesigen mit der ge-
hörigen Zufriedenheit arbeiten werden, welche doch nothwen-
dig dazu gehöret, wenn eine Colonistenfamilie Liebe zum Bo-
den und zum Fleiße gewinnen soll.

Ich getraue mir mit einer Art von Ueberzeugung zu
sagen: Man gebe uns nur Stroh und alle Heiden sollen be-
völkert seyn.
Dieses Stroh, so viel Kunst sie auch darauf
verwenden, sind sie nie im Stande uns zu verschaffen. Düngen
sie den hiesigen Heide- und Sandgrund zu sehr: so wird die
Frucht zu geil und legt sich; der Halm wird nie zu einer
Röhre; und die Aehre verwächst ohne Frucht zu bringen. So
lange es aber an Stroh fehlt, um den jetzigen Acker zu dün-
gen: so lange müssen wir den Mangel des Düngers von der
Heide ersetzen und können diese nicht urbar machen.

Man sagt zwar, die Heide müsse Futterkräuter tragen;
mit diesen müsse man den Viehstapel vermehren; von dem
Viehe folglich mehrern Dünger gewinnen; und durch den ver-
mehrten Dünger mehr Korn und Stroh ziehen. Allein so
scheinbar dieser Plan auch ist: so getraue ich mir doch darauf
zu wetten, daß ihn niemand zu Stande bringen wird.

Denn die Heide kann keine Futterkräuter tragen, ohne
im ersten Jahre wohl gedüngt zu werden. Man muß dieselbe
auch noch im zweyten Jahre düngen. Woher soll aber Land-
mann, der nicht so viel Stroh und Dünger hat, als er zu sei-
nem Acker gebraucht, diese erste Anlage nehmen, nachdem
alle Heiden urbar gemacht, folglich keine Plaggen gebraucht
werden sollen? Gesetzt aber, es regnete zwey Jahr lang Stroh
vom Himmel, und der Landmann würde dadurch einmal in den
Stand gesetzt den ersten Schritt zu thun: so müßte man,

wenn

Schreiben uͤber ein Project unſerer Nach baren
Sclaven der Arbeit; anſtatt daß ſie den Bewohner jener Ge-
genden alle Freyheit zur Ergoͤtzung und Begeiſterung goͤnnet.

Nun will ich Ihnen urtheilen laſſen, ob Leute, die
jene Gegenden verlaſſen, jemals in den hieſigen mit der ge-
hoͤrigen Zufriedenheit arbeiten werden, welche doch nothwen-
dig dazu gehoͤret, wenn eine Coloniſtenfamilie Liebe zum Bo-
den und zum Fleiße gewinnen ſoll.

Ich getraue mir mit einer Art von Ueberzeugung zu
ſagen: Man gebe uns nur Stroh und alle Heiden ſollen be-
völkert ſeyn.
Dieſes Stroh, ſo viel Kunſt ſie auch darauf
verwenden, ſind ſie nie im Stande uns zu verſchaffen. Duͤngen
ſie den hieſigen Heide- und Sandgrund zu ſehr: ſo wird die
Frucht zu geil und legt ſich; der Halm wird nie zu einer
Roͤhre; und die Aehre verwaͤchſt ohne Frucht zu bringen. So
lange es aber an Stroh fehlt, um den jetzigen Acker zu duͤn-
gen: ſo lange muͤſſen wir den Mangel des Duͤngers von der
Heide erſetzen und koͤnnen dieſe nicht urbar machen.

Man ſagt zwar, die Heide muͤſſe Futterkraͤuter tragen;
mit dieſen muͤſſe man den Viehſtapel vermehren; von dem
Viehe folglich mehrern Duͤnger gewinnen; und durch den ver-
mehrten Duͤnger mehr Korn und Stroh ziehen. Allein ſo
ſcheinbar dieſer Plan auch iſt: ſo getraue ich mir doch darauf
zu wetten, daß ihn niemand zu Stande bringen wird.

Denn die Heide kann keine Futterkraͤuter tragen, ohne
im erſten Jahre wohl geduͤngt zu werden. Man muß dieſelbe
auch noch im zweyten Jahre duͤngen. Woher ſoll aber Land-
mann, der nicht ſo viel Stroh und Duͤnger hat, als er zu ſei-
nem Acker gebraucht, dieſe erſte Anlage nehmen, nachdem
alle Heiden urbar gemacht, folglich keine Plaggen gebraucht
werden ſollen? Geſetzt aber, es regnete zwey Jahr lang Stroh
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Stand geſetzt den erſten Schritt zu thun: ſo muͤßte man,

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[346/0364] Schreiben uͤber ein Project unſerer Nach baren Sclaven der Arbeit; anſtatt daß ſie den Bewohner jener Ge- genden alle Freyheit zur Ergoͤtzung und Begeiſterung goͤnnet. Nun will ich Ihnen urtheilen laſſen, ob Leute, die jene Gegenden verlaſſen, jemals in den hieſigen mit der ge- hoͤrigen Zufriedenheit arbeiten werden, welche doch nothwen- dig dazu gehoͤret, wenn eine Coloniſtenfamilie Liebe zum Bo- den und zum Fleiße gewinnen ſoll. Ich getraue mir mit einer Art von Ueberzeugung zu ſagen: Man gebe uns nur Stroh und alle Heiden ſollen be- völkert ſeyn. Dieſes Stroh, ſo viel Kunſt ſie auch darauf verwenden, ſind ſie nie im Stande uns zu verſchaffen. Duͤngen ſie den hieſigen Heide- und Sandgrund zu ſehr: ſo wird die Frucht zu geil und legt ſich; der Halm wird nie zu einer Roͤhre; und die Aehre verwaͤchſt ohne Frucht zu bringen. So lange es aber an Stroh fehlt, um den jetzigen Acker zu duͤn- gen: ſo lange muͤſſen wir den Mangel des Duͤngers von der Heide erſetzen und koͤnnen dieſe nicht urbar machen. Man ſagt zwar, die Heide muͤſſe Futterkraͤuter tragen; mit dieſen muͤſſe man den Viehſtapel vermehren; von dem Viehe folglich mehrern Duͤnger gewinnen; und durch den ver- mehrten Duͤnger mehr Korn und Stroh ziehen. Allein ſo ſcheinbar dieſer Plan auch iſt: ſo getraue ich mir doch darauf zu wetten, daß ihn niemand zu Stande bringen wird. Denn die Heide kann keine Futterkraͤuter tragen, ohne im erſten Jahre wohl geduͤngt zu werden. Man muß dieſelbe auch noch im zweyten Jahre duͤngen. Woher ſoll aber Land- mann, der nicht ſo viel Stroh und Duͤnger hat, als er zu ſei- nem Acker gebraucht, dieſe erſte Anlage nehmen, nachdem alle Heiden urbar gemacht, folglich keine Plaggen gebraucht werden ſollen? Geſetzt aber, es regnete zwey Jahr lang Stroh vom Himmel, und der Landmann wuͤrde dadurch einmal in den Stand geſetzt den erſten Schritt zu thun: ſo muͤßte man, wenn

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/364>, abgerufen am 06.05.2024.