Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

in kleinen Städten.
zelnen Stücken vorzüglich geschickter und ums Taglohn arbei-
tender Meister in ihrer Abhängigkeit zu haben, und gelingt
es nur reichen Gesellen, die etwas zuzusetzen haben, daß der
Hauptmeister sie zu allen Arten von Arbeiten des Handwerks
anführet. Sonst braucht er sie nur in einzelnen Verrichtun-
gen, und wenige Gesellen verlangen es besser, weil sie nicht
Mittel genug haben, selbst Hauptmeister zu werden, und wenn
sie alle Theile des Handwerks lernen wollten, damit, so bald
sie nicht Hauptmeister sind, nichts anfangen können. Denn
wozu sollte es ihnen nutzen, alle Theile einer Uhr verfertigen
zu können, da gar keine Uhr auf die alte Art oder von einer
Hand mehr verfertiget werden kann, ohne höher im Preise zu
kommen; und sie die Mittel nicht haben als Hauptmeister sich
die Arbeit von hundert Untermeistern zu Nutze zu machen.

Es konnte also erstlich nicht fehlen, oder in großen
Städten muste besser und wohlfeiler gearbeitet werden kön-
nen als in kleinen.

Ein Mahler, Modelleur, Vergulder, Bildhauer, Ver-
nisseur und Graveur gehören unstreitig mit dazu, um allen
Arten von Handwerkern ihre wahre Vollkommenheit zu geben;
der Tischler gebraucht sie wie der Schmidt, und der Zeugma-
cher wie der Goldarbeiter. Allein ein kleiner Ort ist keine
Schaubühne für so große Acteurs, und schwerlich wird ein
mäßiges Städtgen vortrefliche Mahler, Bildhauer und an-
dre Künstler unterhalten können.

Die Folge ist hievon zweytens, daß in großen Städten
der Handwerker die größten Künstler zu seiner Führung und
Hülfe haben kann; und da er sich derselben nur beyläufig
bedient, dafür nicht mehr als den wahren Werth bezahlt.

In einer großen Stadt ist insgemein der Geschmack,
oder wenigstens die Mode, welche dessen Stelle vertritt, neuer

glän-
M 4

in kleinen Staͤdten.
zelnen Stuͤcken vorzuͤglich geſchickter und ums Taglohn arbei-
tender Meiſter in ihrer Abhaͤngigkeit zu haben, und gelingt
es nur reichen Geſellen, die etwas zuzuſetzen haben, daß der
Hauptmeiſter ſie zu allen Arten von Arbeiten des Handwerks
anfuͤhret. Sonſt braucht er ſie nur in einzelnen Verrichtun-
gen, und wenige Geſellen verlangen es beſſer, weil ſie nicht
Mittel genug haben, ſelbſt Hauptmeiſter zu werden, und wenn
ſie alle Theile des Handwerks lernen wollten, damit, ſo bald
ſie nicht Hauptmeiſter ſind, nichts anfangen koͤnnen. Denn
wozu ſollte es ihnen nutzen, alle Theile einer Uhr verfertigen
zu koͤnnen, da gar keine Uhr auf die alte Art oder von einer
Hand mehr verfertiget werden kann, ohne hoͤher im Preiſe zu
kommen; und ſie die Mittel nicht haben als Hauptmeiſter ſich
die Arbeit von hundert Untermeiſtern zu Nutze zu machen.

Es konnte alſo erſtlich nicht fehlen, oder in großen
Staͤdten muſte beſſer und wohlfeiler gearbeitet werden koͤn-
nen als in kleinen.

Ein Mahler, Modelleur, Vergulder, Bildhauer, Ver-
niſſeur und Graveur gehoͤren unſtreitig mit dazu, um allen
Arten von Handwerkern ihre wahre Vollkommenheit zu geben;
der Tiſchler gebraucht ſie wie der Schmidt, und der Zeugma-
cher wie der Goldarbeiter. Allein ein kleiner Ort iſt keine
Schaubuͤhne fuͤr ſo große Acteurs, und ſchwerlich wird ein
maͤßiges Staͤdtgen vortrefliche Mahler, Bildhauer und an-
dre Kuͤnſtler unterhalten koͤnnen.

Die Folge iſt hievon zweytens, daß in großen Staͤdten
der Handwerker die groͤßten Kuͤnſtler zu ſeiner Fuͤhrung und
Huͤlfe haben kann; und da er ſich derſelben nur beylaͤufig
bedient, dafuͤr nicht mehr als den wahren Werth bezahlt.

In einer großen Stadt iſt insgemein der Geſchmack,
oder wenigſtens die Mode, welche deſſen Stelle vertritt, neuer

glaͤn-
M 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0201" n="183"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in kleinen Sta&#x0364;dten.</hi></fw><lb/>
zelnen Stu&#x0364;cken vorzu&#x0364;glich ge&#x017F;chickter und ums Taglohn arbei-<lb/>
tender Mei&#x017F;ter in ihrer Abha&#x0364;ngigkeit zu haben, und gelingt<lb/>
es nur reichen Ge&#x017F;ellen, die etwas zuzu&#x017F;etzen haben, daß der<lb/>
Hauptmei&#x017F;ter &#x017F;ie zu allen Arten von Arbeiten des Handwerks<lb/>
anfu&#x0364;hret. Son&#x017F;t braucht er &#x017F;ie nur in einzelnen Verrichtun-<lb/>
gen, und wenige Ge&#x017F;ellen verlangen es be&#x017F;&#x017F;er, weil &#x017F;ie nicht<lb/>
Mittel genug haben, &#x017F;elb&#x017F;t Hauptmei&#x017F;ter zu werden, und wenn<lb/>
&#x017F;ie alle Theile des Handwerks lernen wollten, damit, &#x017F;o bald<lb/>
&#x017F;ie nicht Hauptmei&#x017F;ter &#x017F;ind, nichts anfangen ko&#x0364;nnen. Denn<lb/>
wozu &#x017F;ollte es ihnen nutzen, alle Theile einer Uhr verfertigen<lb/>
zu ko&#x0364;nnen, da gar keine Uhr auf die alte Art oder von <hi rendition="#fr">einer</hi><lb/>
Hand mehr verfertiget werden kann, ohne ho&#x0364;her im Prei&#x017F;e zu<lb/>
kommen; und &#x017F;ie die Mittel nicht haben als Hauptmei&#x017F;ter &#x017F;ich<lb/>
die Arbeit von hundert Untermei&#x017F;tern zu Nutze zu machen.</p><lb/>
        <p>Es konnte al&#x017F;o <hi rendition="#fr">er&#x017F;tlich</hi> nicht fehlen, oder in großen<lb/>
Sta&#x0364;dten mu&#x017F;te be&#x017F;&#x017F;er und wohlfeiler gearbeitet werden ko&#x0364;n-<lb/>
nen als in kleinen.</p><lb/>
        <p>Ein Mahler, Modelleur, Vergulder, Bildhauer, Ver-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;eur und Graveur geho&#x0364;ren un&#x017F;treitig mit dazu, um allen<lb/>
Arten von Handwerkern ihre wahre Vollkommenheit zu geben;<lb/>
der Ti&#x017F;chler gebraucht &#x017F;ie wie der Schmidt, und der Zeugma-<lb/>
cher wie der Goldarbeiter. Allein ein kleiner Ort i&#x017F;t keine<lb/>
Schaubu&#x0364;hne fu&#x0364;r &#x017F;o große Acteurs, und &#x017F;chwerlich wird ein<lb/>
ma&#x0364;ßiges Sta&#x0364;dtgen vortrefliche Mahler, Bildhauer und an-<lb/>
dre Ku&#x0364;n&#x017F;tler unterhalten ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p>Die Folge i&#x017F;t hievon <hi rendition="#fr">zweytens,</hi> daß in großen Sta&#x0364;dten<lb/>
der Handwerker die gro&#x0364;ßten Ku&#x0364;n&#x017F;tler zu &#x017F;einer Fu&#x0364;hrung und<lb/>
Hu&#x0364;lfe haben kann; und da er &#x017F;ich der&#x017F;elben nur beyla&#x0364;ufig<lb/>
bedient, dafu&#x0364;r nicht mehr als den wahren Werth bezahlt.</p><lb/>
        <p>In einer großen Stadt i&#x017F;t insgemein der Ge&#x017F;chmack,<lb/>
oder wenig&#x017F;tens die Mode, welche de&#x017F;&#x017F;en Stelle vertritt, neuer<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 4</fw><fw place="bottom" type="catch">gla&#x0364;n-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0201] in kleinen Staͤdten. zelnen Stuͤcken vorzuͤglich geſchickter und ums Taglohn arbei- tender Meiſter in ihrer Abhaͤngigkeit zu haben, und gelingt es nur reichen Geſellen, die etwas zuzuſetzen haben, daß der Hauptmeiſter ſie zu allen Arten von Arbeiten des Handwerks anfuͤhret. Sonſt braucht er ſie nur in einzelnen Verrichtun- gen, und wenige Geſellen verlangen es beſſer, weil ſie nicht Mittel genug haben, ſelbſt Hauptmeiſter zu werden, und wenn ſie alle Theile des Handwerks lernen wollten, damit, ſo bald ſie nicht Hauptmeiſter ſind, nichts anfangen koͤnnen. Denn wozu ſollte es ihnen nutzen, alle Theile einer Uhr verfertigen zu koͤnnen, da gar keine Uhr auf die alte Art oder von einer Hand mehr verfertiget werden kann, ohne hoͤher im Preiſe zu kommen; und ſie die Mittel nicht haben als Hauptmeiſter ſich die Arbeit von hundert Untermeiſtern zu Nutze zu machen. Es konnte alſo erſtlich nicht fehlen, oder in großen Staͤdten muſte beſſer und wohlfeiler gearbeitet werden koͤn- nen als in kleinen. Ein Mahler, Modelleur, Vergulder, Bildhauer, Ver- niſſeur und Graveur gehoͤren unſtreitig mit dazu, um allen Arten von Handwerkern ihre wahre Vollkommenheit zu geben; der Tiſchler gebraucht ſie wie der Schmidt, und der Zeugma- cher wie der Goldarbeiter. Allein ein kleiner Ort iſt keine Schaubuͤhne fuͤr ſo große Acteurs, und ſchwerlich wird ein maͤßiges Staͤdtgen vortrefliche Mahler, Bildhauer und an- dre Kuͤnſtler unterhalten koͤnnen. Die Folge iſt hievon zweytens, daß in großen Staͤdten der Handwerker die groͤßten Kuͤnſtler zu ſeiner Fuͤhrung und Huͤlfe haben kann; und da er ſich derſelben nur beylaͤufig bedient, dafuͤr nicht mehr als den wahren Werth bezahlt. In einer großen Stadt iſt insgemein der Geſchmack, oder wenigſtens die Mode, welche deſſen Stelle vertritt, neuer glaͤn- M 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/201
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/201>, abgerufen am 07.05.2024.