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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Schulden der Unterthanen zu wehren.
sieht; anstatt daß unsere jetzigen Verheurungen insge-
mein eine unendliche Aussicht haben, und den Gläubi-
gern fast so wenig als dem Schuldner helfen.
5) Fordert der Staat mit Recht, daß jedes Erbe gehörig
besetzet seyn solle. Eine ausgeheuretes Erbe ist aber in
der That nicht gehörig besetzt; und der gemeine Reihe
ist es nicht wohl zuzumuthen, jede vorkommende Last für
das verschuldete Erbe auszurichten, und sich dafür einen
willkührlichen Lohn auf längere Zeiten zuwerfen zu lassen.
6) Verliert der Gutsherr ohnedem genug dadurch, daß er
8 Jahrlang sein Erbe in fremden Händen, und sich
während solcher Zeit aller ausserordentlichen Gefälle be-
raubet sehen, auch seine Dienste und Pächte entweder
in Gelde, oder von einer ärgern Hand als die Hand ei-
nes guten Wirths ist, annehmen muß. Endlich und
7) Ist in allen Westphälischen Hofrechten, worinn durch-
gehends die schätzbaren Höfe durch ganz Westphalen für
freye Reichsgründe, oder für Kroneigenthum erkannt
sind, aufs nachdrücklichste versehen, daß kein Besitzer,
er sey nun freyen oder leibeigenen Standes, sein unter-
habendes Gut mit mehrern Schulden beschweren solle,
als höchstens durch die Abnutzung von drey oder vier
Jahren getilget werden könne. Was dort zur Zeit ehe
die Territorialhoheit jeden Staat vom Reiche gleichsam
abgeschnitten hat, Reichseigenthum genannt wird, ist
jezt Staatseigenthum. Und so wie letzters den Guts-
herren noch bis auf die heutige Stunde es verwehret,
einen schätzbaren Hof mit neuen Diensten und Pflichten
zu beschweren; eben so verwehret es auch jedem freyen
und leibeignen Besitzer solcher Gründe sich selbst ausser
Stand zu setzen, seinen Hof in allen gewöhnlichen und
wahr-
Schulden der Unterthanen zu wehren.
ſieht; anſtatt daß unſere jetzigen Verheurungen insge-
mein eine unendliche Ausſicht haben, und den Glaͤubi-
gern faſt ſo wenig als dem Schuldner helfen.
5) Fordert der Staat mit Recht, daß jedes Erbe gehoͤrig
beſetzet ſeyn ſolle. Eine ausgeheuretes Erbe iſt aber in
der That nicht gehoͤrig beſetzt; und der gemeine Reihe
iſt es nicht wohl zuzumuthen, jede vorkommende Laſt fuͤr
das verſchuldete Erbe auszurichten, und ſich dafuͤr einen
willkuͤhrlichen Lohn auf laͤngere Zeiten zuwerfen zu laſſen.
6) Verliert der Gutsherr ohnedem genug dadurch, daß er
8 Jahrlang ſein Erbe in fremden Haͤnden, und ſich
waͤhrend ſolcher Zeit aller auſſerordentlichen Gefaͤlle be-
raubet ſehen, auch ſeine Dienſte und Paͤchte entweder
in Gelde, oder von einer aͤrgern Hand als die Hand ei-
nes guten Wirths iſt, annehmen muß. Endlich und
7) Iſt in allen Weſtphaͤliſchen Hofrechten, worinn durch-
gehends die ſchaͤtzbaren Hoͤfe durch ganz Weſtphalen fuͤr
freye Reichsgruͤnde, oder fuͤr Kroneigenthum erkannt
ſind, aufs nachdruͤcklichſte verſehen, daß kein Beſitzer,
er ſey nun freyen oder leibeigenen Standes, ſein unter-
habendes Gut mit mehrern Schulden beſchweren ſolle,
als hoͤchſtens durch die Abnutzung von drey oder vier
Jahren getilget werden koͤnne. Was dort zur Zeit ehe
die Territorialhoheit jeden Staat vom Reiche gleichſam
abgeſchnitten hat, Reichseigenthum genannt wird, iſt
jezt Staatseigenthum. Und ſo wie letzters den Guts-
herren noch bis auf die heutige Stunde es verwehret,
einen ſchaͤtzbaren Hof mit neuen Dienſten und Pflichten
zu beſchweren; eben ſo verwehret es auch jedem freyen
und leibeignen Beſitzer ſolcher Gruͤnde ſich ſelbſt auſſer
Stand zu ſetzen, ſeinen Hof in allen gewoͤhnlichen und
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[143/0161] Schulden der Unterthanen zu wehren. ſieht; anſtatt daß unſere jetzigen Verheurungen insge- mein eine unendliche Ausſicht haben, und den Glaͤubi- gern faſt ſo wenig als dem Schuldner helfen. 5) Fordert der Staat mit Recht, daß jedes Erbe gehoͤrig beſetzet ſeyn ſolle. Eine ausgeheuretes Erbe iſt aber in der That nicht gehoͤrig beſetzt; und der gemeine Reihe iſt es nicht wohl zuzumuthen, jede vorkommende Laſt fuͤr das verſchuldete Erbe auszurichten, und ſich dafuͤr einen willkuͤhrlichen Lohn auf laͤngere Zeiten zuwerfen zu laſſen. 6) Verliert der Gutsherr ohnedem genug dadurch, daß er 8 Jahrlang ſein Erbe in fremden Haͤnden, und ſich waͤhrend ſolcher Zeit aller auſſerordentlichen Gefaͤlle be- raubet ſehen, auch ſeine Dienſte und Paͤchte entweder in Gelde, oder von einer aͤrgern Hand als die Hand ei- nes guten Wirths iſt, annehmen muß. Endlich und 7) Iſt in allen Weſtphaͤliſchen Hofrechten, worinn durch- gehends die ſchaͤtzbaren Hoͤfe durch ganz Weſtphalen fuͤr freye Reichsgruͤnde, oder fuͤr Kroneigenthum erkannt ſind, aufs nachdruͤcklichſte verſehen, daß kein Beſitzer, er ſey nun freyen oder leibeigenen Standes, ſein unter- habendes Gut mit mehrern Schulden beſchweren ſolle, als hoͤchſtens durch die Abnutzung von drey oder vier Jahren getilget werden koͤnne. Was dort zur Zeit ehe die Territorialhoheit jeden Staat vom Reiche gleichſam abgeſchnitten hat, Reichseigenthum genannt wird, iſt jezt Staatseigenthum. Und ſo wie letzters den Guts- herren noch bis auf die heutige Stunde es verwehret, einen ſchaͤtzbaren Hof mit neuen Dienſten und Pflichten zu beſchweren; eben ſo verwehret es auch jedem freyen und leibeignen Beſitzer ſolcher Gruͤnde ſich ſelbſt auſſer Stand zu ſetzen, ſeinen Hof in allen gewoͤhnlichen und wahr-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/161>, abgerufen am 07.05.2024.