Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Schulden der Unterthanen zu wehren.
er ist der einzige unter allen Gesetzgebern geblieben, der eine
so große Idee in seinen Plan gebracht hat. Die Bürger zu
Rom wichen zu zweenmalen aus der Stadt, und brachten
sich durch Aufruhr ein Erlaßjahr zuwege. Allein kein Ge-
setzgeber hat dergleichen mit Ueberlegung und Ordnung zu
einem eignen Mittel gebraucht, Freyheit und Eigenthum zu
versichern, und gewisse feyerliche Perioden zur jedesmali-
gen Wiederherstellung der ursprünglichen Verfassung einzu-
führen.

Es würde einen wunderbaren Auftritt geben, wenn
jezt im Gefolge eines großen Erlaßjahrs alles Lehn in Erbe;
aller Erbpacht und Erbzinsgut in Eigenthum; und folgends
jeder Leibeigner in einen freyen Mann verwandelt werden
müßte. Wir dürfen es auch nicht einmal wünschen, indem
ausser einer solchen Verfassung wie die Israelitische war, die
erschrecklichste Sclaverey daraus erwachsen würde, wenn
zwischen dem Landesherren und so vielen geringen Eigenthü-
mern gar keine selbstständige mittlere Gewalt in einem Staate
vorhanden wäre. Indessen verdienet der Plan doch allemal
bewundert, und wenn er sich durch menschliche Kräfte erhal-
ten könnte, allen übrigen vorgezogen zu werden, weil er die
größte Summe von Freyheit und Eigenthum enthält.

Ich soll nun jezt auf die Mittel zurück kommen, wo-
durch den übermäßigen Schulden schätzbarer Unterthanen vor-
gebeugt werden könnte. Das hauptsächlichste was ich dieser-
halb vorzuschlagen habe, ist auch ein Erlaßjahr; und zwar
also:

Daß ein Leibeigner oder freyer Erbpächter so bald seine
Gläubiger einen Concurs über ihn erregen oder er solchen zu
veranlassen gezwungen ist, binnen 8 Jahren von allen sei-
nen unbewilligten Schulden gänzlich befreyet seyn soll.

Acht

Schulden der Unterthanen zu wehren.
er iſt der einzige unter allen Geſetzgebern geblieben, der eine
ſo große Idee in ſeinen Plan gebracht hat. Die Buͤrger zu
Rom wichen zu zweenmalen aus der Stadt, und brachten
ſich durch Aufruhr ein Erlaßjahr zuwege. Allein kein Ge-
ſetzgeber hat dergleichen mit Ueberlegung und Ordnung zu
einem eignen Mittel gebraucht, Freyheit und Eigenthum zu
verſichern, und gewiſſe feyerliche Perioden zur jedesmali-
gen Wiederherſtellung der urſpruͤnglichen Verfaſſung einzu-
fuͤhren.

Es wuͤrde einen wunderbaren Auftritt geben, wenn
jezt im Gefolge eines großen Erlaßjahrs alles Lehn in Erbe;
aller Erbpacht und Erbzinsgut in Eigenthum; und folgends
jeder Leibeigner in einen freyen Mann verwandelt werden
muͤßte. Wir duͤrfen es auch nicht einmal wuͤnſchen, indem
auſſer einer ſolchen Verfaſſung wie die Iſraelitiſche war, die
erſchrecklichſte Sclaverey daraus erwachſen wuͤrde, wenn
zwiſchen dem Landesherren und ſo vielen geringen Eigenthuͤ-
mern gar keine ſelbſtſtaͤndige mittlere Gewalt in einem Staate
vorhanden waͤre. Indeſſen verdienet der Plan doch allemal
bewundert, und wenn er ſich durch menſchliche Kraͤfte erhal-
ten koͤnnte, allen uͤbrigen vorgezogen zu werden, weil er die
groͤßte Summe von Freyheit und Eigenthum enthaͤlt.

Ich ſoll nun jezt auf die Mittel zuruͤck kommen, wo-
durch den uͤbermaͤßigen Schulden ſchaͤtzbarer Unterthanen vor-
gebeugt werden koͤnnte. Das hauptſaͤchlichſte was ich dieſer-
halb vorzuſchlagen habe, iſt auch ein Erlaßjahr; und zwar
alſo:

Daß ein Leibeigner oder freyer Erbpaͤchter ſo bald ſeine
Glaͤubiger einen Concurs uͤber ihn erregen oder er ſolchen zu
veranlaſſen gezwungen iſt, binnen 8 Jahren von allen ſei-
nen unbewilligten Schulden gaͤnzlich befreyet ſeyn ſoll.

Acht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0159" n="141"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Schulden der Unterthanen zu wehren.</hi></fw><lb/>
er i&#x017F;t der einzige unter allen Ge&#x017F;etzgebern geblieben, der eine<lb/>
&#x017F;o große Idee in &#x017F;einen Plan gebracht hat. Die Bu&#x0364;rger zu<lb/>
Rom wichen zu zweenmalen aus der Stadt, und brachten<lb/>
&#x017F;ich durch Aufruhr ein Erlaßjahr zuwege. Allein kein Ge-<lb/>
&#x017F;etzgeber hat dergleichen mit Ueberlegung und Ordnung zu<lb/>
einem eignen Mittel gebraucht, Freyheit und Eigenthum zu<lb/>
ver&#x017F;ichern, und gewi&#x017F;&#x017F;e feyerliche Perioden zur jedesmali-<lb/>
gen Wiederher&#x017F;tellung der ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen Verfa&#x017F;&#x017F;ung einzu-<lb/>
fu&#x0364;hren.</p><lb/>
        <p>Es wu&#x0364;rde einen wunderbaren Auftritt geben, wenn<lb/>
jezt im Gefolge eines großen Erlaßjahrs alles Lehn in Erbe;<lb/>
aller Erbpacht und Erbzinsgut in Eigenthum; und folgends<lb/>
jeder Leibeigner in einen freyen Mann verwandelt werden<lb/>
mu&#x0364;ßte. Wir du&#x0364;rfen es auch nicht einmal wu&#x0364;n&#x017F;chen, indem<lb/>
au&#x017F;&#x017F;er einer &#x017F;olchen Verfa&#x017F;&#x017F;ung wie die I&#x017F;raeliti&#x017F;che war, die<lb/>
er&#x017F;chrecklich&#x017F;te Sclaverey daraus erwach&#x017F;en wu&#x0364;rde, wenn<lb/>
zwi&#x017F;chen dem Landesherren und &#x017F;o vielen geringen Eigenthu&#x0364;-<lb/>
mern gar keine &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndige mittlere Gewalt in einem Staate<lb/>
vorhanden wa&#x0364;re. Inde&#x017F;&#x017F;en verdienet der Plan doch allemal<lb/>
bewundert, und wenn er &#x017F;ich durch men&#x017F;chliche Kra&#x0364;fte erhal-<lb/>
ten ko&#x0364;nnte, allen u&#x0364;brigen vorgezogen zu werden, weil er die<lb/>
gro&#x0364;ßte Summe von Freyheit und Eigenthum entha&#x0364;lt.</p><lb/>
        <p>Ich &#x017F;oll nun jezt auf die Mittel zuru&#x0364;ck kommen, wo-<lb/>
durch den u&#x0364;berma&#x0364;ßigen Schulden &#x017F;cha&#x0364;tzbarer Unterthanen vor-<lb/>
gebeugt werden ko&#x0364;nnte. Das haupt&#x017F;a&#x0364;chlich&#x017F;te was ich die&#x017F;er-<lb/>
halb vorzu&#x017F;chlagen habe, i&#x017F;t auch ein Erlaßjahr; und zwar<lb/>
al&#x017F;o:</p><lb/>
        <p>Daß ein Leibeigner oder freyer Erbpa&#x0364;chter &#x017F;o bald &#x017F;eine<lb/>
Gla&#x0364;ubiger einen Concurs u&#x0364;ber ihn erregen oder er &#x017F;olchen zu<lb/>
veranla&#x017F;&#x017F;en gezwungen i&#x017F;t, binnen 8 Jahren von allen &#x017F;ei-<lb/>
nen unbewilligten Schulden ga&#x0364;nzlich befreyet &#x017F;eyn &#x017F;oll.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Acht</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0159] Schulden der Unterthanen zu wehren. er iſt der einzige unter allen Geſetzgebern geblieben, der eine ſo große Idee in ſeinen Plan gebracht hat. Die Buͤrger zu Rom wichen zu zweenmalen aus der Stadt, und brachten ſich durch Aufruhr ein Erlaßjahr zuwege. Allein kein Ge- ſetzgeber hat dergleichen mit Ueberlegung und Ordnung zu einem eignen Mittel gebraucht, Freyheit und Eigenthum zu verſichern, und gewiſſe feyerliche Perioden zur jedesmali- gen Wiederherſtellung der urſpruͤnglichen Verfaſſung einzu- fuͤhren. Es wuͤrde einen wunderbaren Auftritt geben, wenn jezt im Gefolge eines großen Erlaßjahrs alles Lehn in Erbe; aller Erbpacht und Erbzinsgut in Eigenthum; und folgends jeder Leibeigner in einen freyen Mann verwandelt werden muͤßte. Wir duͤrfen es auch nicht einmal wuͤnſchen, indem auſſer einer ſolchen Verfaſſung wie die Iſraelitiſche war, die erſchrecklichſte Sclaverey daraus erwachſen wuͤrde, wenn zwiſchen dem Landesherren und ſo vielen geringen Eigenthuͤ- mern gar keine ſelbſtſtaͤndige mittlere Gewalt in einem Staate vorhanden waͤre. Indeſſen verdienet der Plan doch allemal bewundert, und wenn er ſich durch menſchliche Kraͤfte erhal- ten koͤnnte, allen uͤbrigen vorgezogen zu werden, weil er die groͤßte Summe von Freyheit und Eigenthum enthaͤlt. Ich ſoll nun jezt auf die Mittel zuruͤck kommen, wo- durch den uͤbermaͤßigen Schulden ſchaͤtzbarer Unterthanen vor- gebeugt werden koͤnnte. Das hauptſaͤchlichſte was ich dieſer- halb vorzuſchlagen habe, iſt auch ein Erlaßjahr; und zwar alſo: Daß ein Leibeigner oder freyer Erbpaͤchter ſo bald ſeine Glaͤubiger einen Concurs uͤber ihn erregen oder er ſolchen zu veranlaſſen gezwungen iſt, binnen 8 Jahren von allen ſei- nen unbewilligten Schulden gaͤnzlich befreyet ſeyn ſoll. Acht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/159
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/159>, abgerufen am 24.11.2024.