ser, daß zehntausend geringe als tausend wohllebende Fami- lien im Lande sind. Vordem war es umgekehrt.
Jedoch um auf den Einwurf zurück zu kommen: so ist es überhaupt noch eine große Frage, ob es besser sey, daß der Handlohn hoch oder niedrig stehe. Zur Bequemlichkeit der Großen ist vielleicht ein niedriges Lohn das beste; die kleine Menge aber, die den Gesetzgeber ernähret, und daher auch seine vorzügliche Aufmerksamkeit verdienet, dürfte wohl eine andere Sprache führen. So viel aber ist allezeit gewiß, daß ein Land, wo die Handarbeit wohlfeil ist, die wenigsten; und wo sie theuer ist, die mehresten Einwohner habe. Die- ser Satz gründet sich in der Erfahrung und Vernunft. Es ist weiter gewiß, daß das Handlohn, welches hier verdienet wird, dem Staate nicht entgehe. Der Verpächter kann mehr Geld von seinem Pächter ziehen, wenn dieser seinen Acker mit lauter wohlseilen Händen bestellen kann; allein was jener mehr ziehet, gehet vielleicht vor Wein aus dem Lande, und was dieser mehr verdienet, wird zu Hause vor Korn ausgege- ben. Endlich ist es offenbar, daß der Handlohn nicht nie- drig seyn könne, ohne daß das Korn und mithin auch Lände- derey im Preise falle. Diejenigen also, die einen Knecht für den niedrigsten Lohn und zugleich für ihr Land den höchsten Preis haben wollen, fordern etwas widersprechendes. Wie kann der Heuermann seinen Sohn dem Land-Eigenthümer des Jahrs vor 8 oder 10 Thaler Lohn vermiethen, wenn er dasjenige Land, welches er geheuret hat, so übermäßig be- zahlen muß? Er würde sich nie gesetzt, nie geheyrathet, oder doch wie die vornehmen in Italien und Frankreich zur Er- haltung der Stammgüter thun, nur einen Sohn gezeuget ha- ben, wenn er für sich und seine ungezählte Kinder keine an- dere Aussicht als ein so geringes Dienstlohn gehabt hätte. Der Gutsherr würde seine Pächte alle in Natur empfangen, und
sie
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jaͤhrlich nach Holland gehen; wird bejahet.
ſer, daß zehntauſend geringe als tauſend wohllebende Fami- lien im Lande ſind. Vordem war es umgekehrt.
Jedoch um auf den Einwurf zuruͤck zu kommen: ſo iſt es uͤberhaupt noch eine große Frage, ob es beſſer ſey, daß der Handlohn hoch oder niedrig ſtehe. Zur Bequemlichkeit der Großen iſt vielleicht ein niedriges Lohn das beſte; die kleine Menge aber, die den Geſetzgeber ernaͤhret, und daher auch ſeine vorzuͤgliche Aufmerkſamkeit verdienet, duͤrfte wohl eine andere Sprache fuͤhren. So viel aber iſt allezeit gewiß, daß ein Land, wo die Handarbeit wohlfeil iſt, die wenigſten; und wo ſie theuer iſt, die mehreſten Einwohner habe. Die- ſer Satz gruͤndet ſich in der Erfahrung und Vernunft. Es iſt weiter gewiß, daß das Handlohn, welches hier verdienet wird, dem Staate nicht entgehe. Der Verpaͤchter kann mehr Geld von ſeinem Paͤchter ziehen, wenn dieſer ſeinen Acker mit lauter wohlſeilen Haͤnden beſtellen kann; allein was jener mehr ziehet, gehet vielleicht vor Wein aus dem Lande, und was dieſer mehr verdienet, wird zu Hauſe vor Korn ausgege- ben. Endlich iſt es offenbar, daß der Handlohn nicht nie- drig ſeyn koͤnne, ohne daß das Korn und mithin auch Laͤnde- derey im Preiſe falle. Diejenigen alſo, die einen Knecht fuͤr den niedrigſten Lohn und zugleich fuͤr ihr Land den hoͤchſten Preis haben wollen, fordern etwas widerſprechendes. Wie kann der Heuermann ſeinen Sohn dem Land-Eigenthuͤmer des Jahrs vor 8 oder 10 Thaler Lohn vermiethen, wenn er dasjenige Land, welches er geheuret hat, ſo uͤbermaͤßig be- zahlen muß? Er wuͤrde ſich nie geſetzt, nie geheyrathet, oder doch wie die vornehmen in Italien und Frankreich zur Er- haltung der Stammguͤter thun, nur einen Sohn gezeuget ha- ben, wenn er fuͤr ſich und ſeine ungezaͤhlte Kinder keine an- dere Ausſicht als ein ſo geringes Dienſtlohn gehabt haͤtte. Der Gutsherr wuͤrde ſeine Paͤchte alle in Natur empfangen, und
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jaͤhrlich nach Holland gehen; wird bejahet.
ſer, daß zehntauſend geringe als tauſend wohllebende Fami-
lien im Lande ſind. Vordem war es umgekehrt.
Jedoch um auf den Einwurf zuruͤck zu kommen: ſo iſt
es uͤberhaupt noch eine große Frage, ob es beſſer ſey, daß der
Handlohn hoch oder niedrig ſtehe. Zur Bequemlichkeit der
Großen iſt vielleicht ein niedriges Lohn das beſte; die kleine
Menge aber, die den Geſetzgeber ernaͤhret, und daher auch
ſeine vorzuͤgliche Aufmerkſamkeit verdienet, duͤrfte wohl eine
andere Sprache fuͤhren. So viel aber iſt allezeit gewiß, daß
ein Land, wo die Handarbeit wohlfeil iſt, die wenigſten;
und wo ſie theuer iſt, die mehreſten Einwohner habe. Die-
ſer Satz gruͤndet ſich in der Erfahrung und Vernunft. Es
iſt weiter gewiß, daß das Handlohn, welches hier verdienet
wird, dem Staate nicht entgehe. Der Verpaͤchter kann mehr
Geld von ſeinem Paͤchter ziehen, wenn dieſer ſeinen Acker
mit lauter wohlſeilen Haͤnden beſtellen kann; allein was jener
mehr ziehet, gehet vielleicht vor Wein aus dem Lande, und
was dieſer mehr verdienet, wird zu Hauſe vor Korn ausgege-
ben. Endlich iſt es offenbar, daß der Handlohn nicht nie-
drig ſeyn koͤnne, ohne daß das Korn und mithin auch Laͤnde-
derey im Preiſe falle. Diejenigen alſo, die einen Knecht fuͤr
den niedrigſten Lohn und zugleich fuͤr ihr Land den hoͤchſten
Preis haben wollen, fordern etwas widerſprechendes. Wie
kann der Heuermann ſeinen Sohn dem Land-Eigenthuͤmer
des Jahrs vor 8 oder 10 Thaler Lohn vermiethen, wenn er
dasjenige Land, welches er geheuret hat, ſo uͤbermaͤßig be-
zahlen muß? Er wuͤrde ſich nie geſetzt, nie geheyrathet, oder
doch wie die vornehmen in Italien und Frankreich zur Er-
haltung der Stammguͤter thun, nur einen Sohn gezeuget ha-
ben, wenn er fuͤr ſich und ſeine ungezaͤhlte Kinder keine an-
dere Ausſicht als ein ſo geringes Dienſtlohn gehabt haͤtte. Der
Gutsherr wuͤrde ſeine Paͤchte alle in Natur empfangen, und
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/121>, abgerufen am 24.11.2024.
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