So sehr ich auch mit diesen Gründen meinen eignen Nutzen schade, und wenigstens der dritte Theil meines ohne- hin geringen Einkommens schwinden würde, wenn diesem schädlichen Hollandgehen abhelfliche Maas gesetzet würde; so bin ich völlig versichert, daß mein allergnädigster König die- sen Verlust auf andre Weise reichlich ersetzen würde. Der ächteste Patriotismus belebet mich, und wünsche nichts so sehr, als das unsre Landesstützen diesem immer mehr und mehr ein- reissenden Uebel durch weise und zur Kraft kommende Gesetze vorzubeugen, gnädigst geruhen möchten.
XV. Die Frage: Ist es gut, daß die Unterthanen jährlich nach Holland gehen; wird bejahet.
Es liegt alles an dem Gesichtspunkt, woraus man eine Sache betrachtet; und Phidias lief Gefahr von den Athenien- sern gesteiniget zu werden, wie sie die von ihm mit aller Kunst verfertigte Statue der Minerve, welche für einen hohen Altar bestimmet war, in der Nähe und nicht in gehöriger Ehrfurchtsvoller Entfernung kniend betrachteten.
Eben so wahr ist es, daß große Rechnungen die Probe nicht leicht im kleinen halten. In einer großen Menge von Fällen kann jeder einzelner Fall vor sich unrichtig, und doch der daraus gezogene Schluß auf das genaueste wahr seyn. Man weis z. E. wie viel Menschen von einer gewissen gegebe- nen Anzahl jährlich sterben; man weis zu seiner großen Be- ruhigung, daß ungefehr Knaben und Mädgen in gleichen Ver-
hält-
der Oſnabruͤck. Unterthan. zu dulden ſey.
So ſehr ich auch mit dieſen Gruͤnden meinen eignen Nutzen ſchade, und wenigſtens der dritte Theil meines ohne- hin geringen Einkommens ſchwinden wuͤrde, wenn dieſem ſchaͤdlichen Hollandgehen abhelfliche Maas geſetzet wuͤrde; ſo bin ich voͤllig verſichert, daß mein allergnaͤdigſter Koͤnig die- ſen Verluſt auf andre Weiſe reichlich erſetzen wuͤrde. Der aͤchteſte Patriotiſmus belebet mich, und wuͤnſche nichts ſo ſehr, als das unſre Landesſtuͤtzen dieſem immer mehr und mehr ein- reiſſenden Uebel durch weiſe und zur Kraft kommende Geſetze vorzubeugen, gnaͤdigſt geruhen moͤchten.
XV. Die Frage: Iſt es gut, daß die Unterthanen jaͤhrlich nach Holland gehen; wird bejahet.
Es liegt alles an dem Geſichtspunkt, woraus man eine Sache betrachtet; und Phidias lief Gefahr von den Athenien- ſern geſteiniget zu werden, wie ſie die von ihm mit aller Kunſt verfertigte Statue der Minerve, welche fuͤr einen hohen Altar beſtimmet war, in der Naͤhe und nicht in gehoͤriger Ehrfurchtsvoller Entfernung kniend betrachteten.
Eben ſo wahr iſt es, daß große Rechnungen die Probe nicht leicht im kleinen halten. In einer großen Menge von Faͤllen kann jeder einzelner Fall vor ſich unrichtig, und doch der daraus gezogene Schluß auf das genaueſte wahr ſeyn. Man weis z. E. wie viel Menſchen von einer gewiſſen gegebe- nen Anzahl jaͤhrlich ſterben; man weis zu ſeiner großen Be- ruhigung, daß ungefehr Knaben und Maͤdgen in gleichen Ver-
haͤlt-
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[93/0111]
der Oſnabruͤck. Unterthan. zu dulden ſey.
So ſehr ich auch mit dieſen Gruͤnden meinen eignen
Nutzen ſchade, und wenigſtens der dritte Theil meines ohne-
hin geringen Einkommens ſchwinden wuͤrde, wenn dieſem
ſchaͤdlichen Hollandgehen abhelfliche Maas geſetzet wuͤrde; ſo
bin ich voͤllig verſichert, daß mein allergnaͤdigſter Koͤnig die-
ſen Verluſt auf andre Weiſe reichlich erſetzen wuͤrde. Der
aͤchteſte Patriotiſmus belebet mich, und wuͤnſche nichts ſo ſehr,
als das unſre Landesſtuͤtzen dieſem immer mehr und mehr ein-
reiſſenden Uebel durch weiſe und zur Kraft kommende Geſetze
vorzubeugen, gnaͤdigſt geruhen moͤchten.
XV.
Die Frage: Iſt es gut, daß die Unterthanen
jaͤhrlich nach Holland gehen;
wird bejahet.
Es liegt alles an dem Geſichtspunkt, woraus man eine Sache
betrachtet; und Phidias lief Gefahr von den Athenien-
ſern geſteiniget zu werden, wie ſie die von ihm mit aller Kunſt
verfertigte Statue der Minerve, welche fuͤr einen hohen
Altar beſtimmet war, in der Naͤhe und nicht in gehoͤriger
Ehrfurchtsvoller Entfernung kniend betrachteten.
Eben ſo wahr iſt es, daß große Rechnungen die Probe
nicht leicht im kleinen halten. In einer großen Menge von
Faͤllen kann jeder einzelner Fall vor ſich unrichtig, und doch
der daraus gezogene Schluß auf das genaueſte wahr ſeyn.
Man weis z. E. wie viel Menſchen von einer gewiſſen gegebe-
nen Anzahl jaͤhrlich ſterben; man weis zu ſeiner großen Be-
ruhigung, daß ungefehr Knaben und Maͤdgen in gleichen Ver-
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/111>, abgerufen am 16.02.2025.
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