Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.Von der Armenpolicey Und gewiß mußten ihnen Richter und Advocaten allezeit um- Si peregrinus vel alienus extra viam per sylvas va- Sie hielten es in diesem Stücke, eben wie wir es zu Krieges- Wie verhalten wir uns aber jetzt in diesen Stücken? Die 100 Ducaten Strafe geben, wenn sie einen durchs Ader-
lassen lähmten; sie durften keinem Frauenzimmer ohne daß jemand dabey zugegen war, die Ader öffnen. Nullus medicus sine praesentia patris -- mulierem inge- nuam flebotomare praesumat -- quia difficilli- mum non est, ut tali occasione ludibrium inter- dum adhaerescat. L. 1. de medicis. Und sie wür- den ihnen gewiß das Pulsfühlen verbothen haben, wenn es wäre Mode gewesen. Von der Armenpolicey Und gewiß mußten ihnen Richter und Advocaten allezeit um- Si peregrinus vel alienus extra viam per ſylvas va- Sie hielten es in dieſem Stuͤcke, eben wie wir es zu Krieges- Wie verhalten wir uns aber jetzt in dieſen Stuͤcken? Die 100 Ducaten Strafe geben, wenn ſie einen durchs Ader-
laſſen laͤhmten; ſie durften keinem Frauenzimmer ohne daß jemand dabey zugegen war, die Ader oͤffnen. Nullus medicus ſine praeſentia patris — mulierem inge- nuam flebotomare praeſumat — quia difficilli- mum non eſt, ut tali occaſione ludibrium inter- dum adhaereſcat. L. 1. de medicis. Und ſie wuͤr- den ihnen gewiß das Pulsfuͤhlen verbothen haben, wenn es waͤre Mode geweſen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0100" n="82"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von der Armenpolicey</hi> </fw><lb/> <p>Und gewiß mußten ihnen Richter und Advocaten allezeit um-<lb/> ſonſt helfen, da beyde blos fuͤr die Ehre dienten. Ihre Ord-<lb/> nung gegen die Bettler und Landſtreicher war ſo ſtrenge, daß<lb/> jeder Reiſender, der von der Heerſtraſſe auf einen Dorf- oder<lb/> Nebenweg wich, und kein Nothgeſchrey machte, als ein Straſ-<lb/> ſenraͤuber von jedermann erſchlagen werden konnte.</p><lb/> <cit> <quote> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">Si peregrinus vel alienus extra viam per ſylvas va-<lb/> getur, & non vociferet, neque cornu inſonet pro<lb/> fure ſit judicandus vel percutiendus vel redimen-<lb/> dus v. LL. Inae regis.</hi> §. 20.</hi> </quote> <bibl/> </cit><lb/> <p>Sie hielten es in dieſem Stuͤcke, eben wie wir es zu Krieges-<lb/> zeiten halten, wo der General den ankommenden Fremden<lb/> die Route vorſchreibt, welche ſie gehen muͤſſen, wo ſie nicht<lb/> als Spions gehangen werden wollen. Eben dahin zielte an-<lb/> aͤnglich des Koͤnigs- oder Kaiſersgeleit, und die Abzeichnung<lb/> gewiſſer Heerſtraſſen. Man war mit keinem Geleite auf<lb/> Dorf- und Nebenwegen ſicher.</p><lb/> <p>Wie verhalten wir uns aber jetzt in dieſen Stuͤcken?<lb/> Die Heerſtraſſen haben ihren Charakter verlohren. Man<lb/> weis kaum mehr was ſie bedeuten ſollen. Die Landſtreicher<lb/> laufen wie und wo ſie wollen. Mit Geleit haͤlt ſich ein jeder<lb/> ſicher, und berechtiget ſogar andern ins Haus zu kommen.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/> <p> <note xml:id="seg2pn_2_2" prev="#seg2pn_2_1" place="foot" n="*)">100 Ducaten Strafe geben, wenn ſie einen durchs Ader-<lb/> laſſen laͤhmten; ſie durften keinem Frauenzimmer ohne daß<lb/> jemand dabey zugegen war, die Ader oͤffnen. <hi rendition="#aq">Nullus<lb/> medicus ſine praeſentia patris — mulierem inge-<lb/> nuam flebotomare praeſumat — quia difficilli-<lb/> mum non eſt, ut tali occaſione ludibrium inter-<lb/> dum adhaereſcat. L. 1. de medicis.</hi> Und ſie wuͤr-<lb/> den ihnen gewiß das Pulsfuͤhlen verbothen haben, wenn<lb/> es waͤre Mode geweſen.</note> </p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [82/0100]
Von der Armenpolicey
Und gewiß mußten ihnen Richter und Advocaten allezeit um-
ſonſt helfen, da beyde blos fuͤr die Ehre dienten. Ihre Ord-
nung gegen die Bettler und Landſtreicher war ſo ſtrenge, daß
jeder Reiſender, der von der Heerſtraſſe auf einen Dorf- oder
Nebenweg wich, und kein Nothgeſchrey machte, als ein Straſ-
ſenraͤuber von jedermann erſchlagen werden konnte.
Si peregrinus vel alienus extra viam per ſylvas va-
getur, & non vociferet, neque cornu inſonet pro
fure ſit judicandus vel percutiendus vel redimen-
dus v. LL. Inae regis. §. 20.
Sie hielten es in dieſem Stuͤcke, eben wie wir es zu Krieges-
zeiten halten, wo der General den ankommenden Fremden
die Route vorſchreibt, welche ſie gehen muͤſſen, wo ſie nicht
als Spions gehangen werden wollen. Eben dahin zielte an-
aͤnglich des Koͤnigs- oder Kaiſersgeleit, und die Abzeichnung
gewiſſer Heerſtraſſen. Man war mit keinem Geleite auf
Dorf- und Nebenwegen ſicher.
Wie verhalten wir uns aber jetzt in dieſen Stuͤcken?
Die Heerſtraſſen haben ihren Charakter verlohren. Man
weis kaum mehr was ſie bedeuten ſollen. Die Landſtreicher
laufen wie und wo ſie wollen. Mit Geleit haͤlt ſich ein jeder
ſicher, und berechtiget ſogar andern ins Haus zu kommen.
Die
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*) 100 Ducaten Strafe geben, wenn ſie einen durchs Ader-
laſſen laͤhmten; ſie durften keinem Frauenzimmer ohne daß
jemand dabey zugegen war, die Ader oͤffnen. Nullus
medicus ſine praeſentia patris — mulierem inge-
nuam flebotomare praeſumat — quia difficilli-
mum non eſt, ut tali occaſione ludibrium inter-
dum adhaereſcat. L. 1. de medicis. Und ſie wuͤr-
den ihnen gewiß das Pulsfuͤhlen verbothen haben, wenn
es waͤre Mode geweſen.
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