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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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nung mit ihren grünen Läden, einzeln an die Seite
des Bergs hinaufgerückt, unweit der Kirche, liegen
sehn. "Herz, halte fest!" klingt es zum zweiten Mal
in seinem Innern nach, da ihn die Gassen endlich auf-
nahmen. Er gab sein Pferd im Gasthof ab, er eilte
zum Forsthaus.

"Herein!" rief eine männliche Stimme auf's Klopfen
an der Thür. Der Alte saß, die Füße in Kissen ge-
wickelt, im Lehnstuhl und konnte vor Freudeschrecken
nicht aufstehn, selbst wenn das Podagra es erlaubt
hätte. Wir sagen nichts vom hellen Thränenjubel die-
ses ersten Empfangs und fragen mit Nolten so-
gleich nach der Tochter.

"Sie wird wohl," ist die Antwort, "ein Stückchen
Tuch drüben auf den Kirchhof zur Bleiche getragen
haben; die Sonne ist gar herrlich außen; gehn Sie
ihr nach und machen ihr gleich die köstliche Ueberra-
schung! Ich kann nicht erwarten, euch bei einander
zu sehn! Ach mein Sohn! mein lieber trefflicher Herr
Sohn! sind Sie denn auch noch ganz der Alte? Wie
so gar stattlich und vornehm Sie mir aussehen! Ag-
nes
wird Augen machen! Gehn Sie, gehn Sie! Das
Kind hat keine Ahnung. Diesen Morgen beim Früh-
stück sprachen wir zusammen davon, daß heute wohl
ein Brief kommen würde, und nun!" -- Theobald
umarmte den guten Mann wiederholt und so entließ
ihn der Alte. Im Vorbeigehn fiel sein Blick zufällig
in die Kammer der Geliebten, er sah ein schlichtes

nung mit ihren grünen Läden, einzeln an die Seite
des Bergs hinaufgerückt, unweit der Kirche, liegen
ſehn. „Herz, halte feſt!“ klingt es zum zweiten Mal
in ſeinem Innern nach, da ihn die Gaſſen endlich auf-
nahmen. Er gab ſein Pferd im Gaſthof ab, er eilte
zum Forſthaus.

„Herein!“ rief eine männliche Stimme auf’s Klopfen
an der Thür. Der Alte ſaß, die Füße in Kiſſen ge-
wickelt, im Lehnſtuhl und konnte vor Freudeſchrecken
nicht aufſtehn, ſelbſt wenn das Podagra es erlaubt
hätte. Wir ſagen nichts vom hellen Thränenjubel die-
ſes erſten Empfangs und fragen mit Nolten ſo-
gleich nach der Tochter.

„Sie wird wohl,“ iſt die Antwort, „ein Stückchen
Tuch drüben auf den Kirchhof zur Bleiche getragen
haben; die Sonne iſt gar herrlich außen; gehn Sie
ihr nach und machen ihr gleich die köſtliche Ueberra-
ſchung! Ich kann nicht erwarten, euch bei einander
zu ſehn! Ach mein Sohn! mein lieber trefflicher Herr
Sohn! ſind Sie denn auch noch ganz der Alte? Wie
ſo gar ſtattlich und vornehm Sie mir ausſehen! Ag-
nes
wird Augen machen! Gehn Sie, gehn Sie! Das
Kind hat keine Ahnung. Dieſen Morgen beim Früh-
ſtück ſprachen wir zuſammen davon, daß heute wohl
ein Brief kommen würde, und nun!“ — Theobald
umarmte den guten Mann wiederholt und ſo entließ
ihn der Alte. Im Vorbeigehn fiel ſein Blick zufällig
in die Kammer der Geliebten, er ſah ein ſchlichtes

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[396/0082] nung mit ihren grünen Läden, einzeln an die Seite des Bergs hinaufgerückt, unweit der Kirche, liegen ſehn. „Herz, halte feſt!“ klingt es zum zweiten Mal in ſeinem Innern nach, da ihn die Gaſſen endlich auf- nahmen. Er gab ſein Pferd im Gaſthof ab, er eilte zum Forſthaus. „Herein!“ rief eine männliche Stimme auf’s Klopfen an der Thür. Der Alte ſaß, die Füße in Kiſſen ge- wickelt, im Lehnſtuhl und konnte vor Freudeſchrecken nicht aufſtehn, ſelbſt wenn das Podagra es erlaubt hätte. Wir ſagen nichts vom hellen Thränenjubel die- ſes erſten Empfangs und fragen mit Nolten ſo- gleich nach der Tochter. „Sie wird wohl,“ iſt die Antwort, „ein Stückchen Tuch drüben auf den Kirchhof zur Bleiche getragen haben; die Sonne iſt gar herrlich außen; gehn Sie ihr nach und machen ihr gleich die köſtliche Ueberra- ſchung! Ich kann nicht erwarten, euch bei einander zu ſehn! Ach mein Sohn! mein lieber trefflicher Herr Sohn! ſind Sie denn auch noch ganz der Alte? Wie ſo gar ſtattlich und vornehm Sie mir ausſehen! Ag- nes wird Augen machen! Gehn Sie, gehn Sie! Das Kind hat keine Ahnung. Dieſen Morgen beim Früh- ſtück ſprachen wir zuſammen davon, daß heute wohl ein Brief kommen würde, und nun!“ — Theobald umarmte den guten Mann wiederholt und ſo entließ ihn der Alte. Im Vorbeigehn fiel ſein Blick zufällig in die Kammer der Geliebten, er ſah ein ſchlichtes

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/82>, abgerufen am 23.11.2024.