ren, wenn man einmal sich selbst zu verachten einen verzweifelten Anfang gemacht hat? Gleichgültig ver- zicht' ich auf die kleinen Künste, womit wir Armen sonst in solchen Fällen der Bedrängniß uns vor uns selbst und vor Ihrem Geschlechte beschönigen. Hin- weg damit! Dem besten, dem edelsten Manne zeige sich, ganz wie es ist, das elende Geschöpf, das ihn so unerhört betrogen. -- Erfahren Sie's also, Con- stanze war's, durch deren Tücke Ihnen Ihr harm- loser Antheil an jener lezten Abendunterhaltung in unserem Hause so schwer zu stehen kam, und -- so wollte es die Wuth eines Weibes, dessen entschiedene Liebe sich beispiellos hintergangen wähnte -- ich hätte vielleicht, o ich hätte gewiß, wär' es in meiner Macht gestanden, die Grausamkeit auf's Aeußerste getrieben. Der Himmel fand noch zeitig ein wunderbares Mit- tel, mich einzuschrecken, mich zu züchtigen. Nun auf Einmal zum thörichten Kinde verwandelt, von Göt- tern und Geistern verfolgt, eilt' ich in meiner Her- zensnoth, Sie zu befreien. Es gelang, und durch dieselbe Hand zwar, an die ich Sie zuerst verrathen. O Schande, Schande! mein kurz gemess'nes Leben reicht nicht hin, sie zu beweinen, wie sie es verdient, und -- nein ich schweige; daß Sie nicht etwa den- ken, ich gehe darauf aus, durch übertriebne Selbstan- klagen mir einen Funken gerührter Theilnahme zu erschleichen, so entsag' ich der Wollust, mich jezt im Staube vor Ihnen zu winden. Aber hassen Sie, ver-
ren, wenn man einmal ſich ſelbſt zu verachten einen verzweifelten Anfang gemacht hat? Gleichgültig ver- zicht’ ich auf die kleinen Künſte, womit wir Armen ſonſt in ſolchen Fällen der Bedrängniß uns vor uns ſelbſt und vor Ihrem Geſchlechte beſchönigen. Hin- weg damit! Dem beſten, dem edelſten Manne zeige ſich, ganz wie es iſt, das elende Geſchöpf, das ihn ſo unerhört betrogen. — Erfahren Sie’s alſo, Con- ſtanze war’s, durch deren Tücke Ihnen Ihr harm- loſer Antheil an jener lezten Abendunterhaltung in unſerem Hauſe ſo ſchwer zu ſtehen kam, und — ſo wollte es die Wuth eines Weibes, deſſen entſchiedene Liebe ſich beiſpiellos hintergangen wähnte — ich hätte vielleicht, o ich hätte gewiß, wär’ es in meiner Macht geſtanden, die Grauſamkeit auf’s Aeußerſte getrieben. Der Himmel fand noch zeitig ein wunderbares Mit- tel, mich einzuſchrecken, mich zu züchtigen. Nun auf Einmal zum thörichten Kinde verwandelt, von Göt- tern und Geiſtern verfolgt, eilt’ ich in meiner Her- zensnoth, Sie zu befreien. Es gelang, und durch dieſelbe Hand zwar, an die ich Sie zuerſt verrathen. O Schande, Schande! mein kurz gemeſſ’nes Leben reicht nicht hin, ſie zu beweinen, wie ſie es verdient, und — nein ich ſchweige; daß Sie nicht etwa den- ken, ich gehe darauf aus, durch übertriebne Selbſtan- klagen mir einen Funken gerührter Theilnahme zu erſchleichen, ſo entſag’ ich der Wolluſt, mich jezt im Staube vor Ihnen zu winden. Aber haſſen Sie, ver-
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ren, wenn man einmal ſich ſelbſt zu verachten einen
verzweifelten Anfang gemacht hat? Gleichgültig ver-
zicht’ ich auf die kleinen Künſte, womit wir Armen
ſonſt in ſolchen Fällen der Bedrängniß uns vor uns
ſelbſt und vor Ihrem Geſchlechte beſchönigen. Hin-
weg damit! Dem beſten, dem edelſten Manne zeige
ſich, ganz wie es iſt, das elende Geſchöpf, das ihn ſo
unerhört betrogen. — Erfahren Sie’s alſo, Con-
ſtanze war’s, durch deren Tücke Ihnen Ihr harm-
loſer Antheil an jener lezten Abendunterhaltung in
unſerem Hauſe ſo ſchwer zu ſtehen kam, und — ſo
wollte es die Wuth eines Weibes, deſſen entſchiedene
Liebe ſich beiſpiellos hintergangen wähnte — ich hätte
vielleicht, o ich hätte gewiß, wär’ es in meiner Macht
geſtanden, die Grauſamkeit auf’s Aeußerſte getrieben.
Der Himmel fand noch zeitig ein wunderbares Mit-
tel, mich einzuſchrecken, mich zu züchtigen. Nun auf
Einmal zum thörichten Kinde verwandelt, von Göt-
tern und Geiſtern verfolgt, eilt’ ich in meiner Her-
zensnoth, Sie zu befreien. Es gelang, und durch
dieſelbe Hand zwar, an die ich Sie zuerſt verrathen.
O Schande, Schande! mein kurz gemeſſ’nes Leben
reicht nicht hin, ſie zu beweinen, wie ſie es verdient,
und — nein ich ſchweige; daß Sie nicht etwa den-
ken, ich gehe darauf aus, durch übertriebne Selbſtan-
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/76>, abgerufen am 22.11.2024.
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