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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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"Sagen Sie doch, welche Bewandtniß hat es mit
dem Bilde? Kennen Sie eine solche Person? Ist
sie in der Wirklichkeit vorhanden?"

Nolten war durch die Frage natürlich frappirt.
Er hatte, wie der Leser weiß, in der Skizze, die bei
dem Gemälde zu Grunde gelegen, jene Wahnsinnige
kenntlich genug gezeichnet, ja er hatte noch auf Till-
sens
ausgeführtem Tableau dem merkwürdigen Kopfe
durch wenig beigefügte Striche die äußerste Aehnlich-
keit gegeben. Constanzen war das Bild immer
sehr wichtig gewesen und Nolten erinnerte sich jezt
plötzlich des Traumes, den sie ihm damals mit so
großer Bewegung entdeckt. Er sagte nun der Gou-
vernantin: daß, wenn er vorhin in seiner Erzählung
von einer Zigeunerin gesprochen, eben diese das Ori-
ginal zum Bilde des weiblichen Gespenstes sey.

"Sonderbar!" sagte die Gouvernantin, "sehr son-
derbar! -- Wissen Sie nicht, ob die Person sich neu-
erdings in hiesiger Stadt gezeigt hat?"

"Vor etwa einem Monat wollen meine Freunde
sie hier gesehen haben."

"Nun, Gott sey Dank!" rief die Gouvernantin
aus, "so ist es doch wie zu vermuthen war; so darf
mir doch nun die Arme Trost und Vernunft nicht län-
ger bestreiten!"

"Wer?" fragte Theobald, "wer sah denn --?
doch nicht die Gräfin?

"Nun ja!"

„Sagen Sie doch, welche Bewandtniß hat es mit
dem Bilde? Kennen Sie eine ſolche Perſon? Iſt
ſie in der Wirklichkeit vorhanden?“

Nolten war durch die Frage natürlich frappirt.
Er hatte, wie der Leſer weiß, in der Skizze, die bei
dem Gemälde zu Grunde gelegen, jene Wahnſinnige
kenntlich genug gezeichnet, ja er hatte noch auf Till-
ſens
ausgeführtem Tableau dem merkwürdigen Kopfe
durch wenig beigefügte Striche die äußerſte Aehnlich-
keit gegeben. Conſtanzen war das Bild immer
ſehr wichtig geweſen und Nolten erinnerte ſich jezt
plötzlich des Traumes, den ſie ihm damals mit ſo
großer Bewegung entdeckt. Er ſagte nun der Gou-
vernantin: daß, wenn er vorhin in ſeiner Erzählung
von einer Zigeunerin geſprochen, eben dieſe das Ori-
ginal zum Bilde des weiblichen Geſpenſtes ſey.

„Sonderbar!“ ſagte die Gouvernantin, „ſehr ſon-
derbar! — Wiſſen Sie nicht, ob die Perſon ſich neu-
erdings in hieſiger Stadt gezeigt hat?“

„Vor etwa einem Monat wollen meine Freunde
ſie hier geſehen haben.“

„Nun, Gott ſey Dank!“ rief die Gouvernantin
aus, „ſo iſt es doch wie zu vermuthen war; ſo darf
mir doch nun die Arme Troſt und Vernunft nicht län-
ger beſtreiten!“

„Wer?“ fragte Theobald, „wer ſah denn —?
doch nicht die Gräfin?

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[383/0069] „Sagen Sie doch, welche Bewandtniß hat es mit dem Bilde? Kennen Sie eine ſolche Perſon? Iſt ſie in der Wirklichkeit vorhanden?“ Nolten war durch die Frage natürlich frappirt. Er hatte, wie der Leſer weiß, in der Skizze, die bei dem Gemälde zu Grunde gelegen, jene Wahnſinnige kenntlich genug gezeichnet, ja er hatte noch auf Till- ſens ausgeführtem Tableau dem merkwürdigen Kopfe durch wenig beigefügte Striche die äußerſte Aehnlich- keit gegeben. Conſtanzen war das Bild immer ſehr wichtig geweſen und Nolten erinnerte ſich jezt plötzlich des Traumes, den ſie ihm damals mit ſo großer Bewegung entdeckt. Er ſagte nun der Gou- vernantin: daß, wenn er vorhin in ſeiner Erzählung von einer Zigeunerin geſprochen, eben dieſe das Ori- ginal zum Bilde des weiblichen Geſpenſtes ſey. „Sonderbar!“ ſagte die Gouvernantin, „ſehr ſon- derbar! — Wiſſen Sie nicht, ob die Perſon ſich neu- erdings in hieſiger Stadt gezeigt hat?“ „Vor etwa einem Monat wollen meine Freunde ſie hier geſehen haben.“ „Nun, Gott ſey Dank!“ rief die Gouvernantin aus, „ſo iſt es doch wie zu vermuthen war; ſo darf mir doch nun die Arme Troſt und Vernunft nicht län- ger beſtreiten!“ „Wer?“ fragte Theobald, „wer ſah denn —? doch nicht die Gräfin? „Nun ja!“

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/69>, abgerufen am 23.11.2024.