gel an Bildung verrathen, genug, mich indigniren sie; nur Ein Beispiel und Sie werden mir beistimmen. Man traut mir billig zu, daß ich kein Pedant bin mit archäologischer Vielwisserei, insofern sie dem Künstler nichts hilft. Stellt mir Einer eine lobenswerthe Ariadne hin, so frag' ich den Henker darnach, ob er wisse, daß die Gemahlin des Bacchus auch Libera heißt. Macht es einen Mann aber nicht lächerlich, wenn er von Göttern und Halbgöttern nur eben wie ein Dragoner spricht? Werden es ihm Diejenigen vergeben, die auf den ersten Blick unmöglich wissen können, daß dieser Mensch, so gut als Einer, Cha- rakteristik der Mythen versteht und plastischen Sinn ge- nug in Aug' und Fingern sitzen hat? Nun stellen Sie sich vor, neulich Abends im spanischen Hofe, es waren lauter gründliche Leute da, kömmt auf ein paar Kunstwerke die Rede, Raymund fällt in seinen begeisterten Schuß und sagt wirklich vortreffliche Dinge, aber er spricht statt von Panen und Satyrn, mir nichts dir nichts, und in vollem Ernste immer von Waldteufeln! Ist so was auch erhört? Ich saß wie auf Nadeln, schämte mich in sein Herz hinein, trat ihm fast die Zeyen weg und wollt' ihm helfen; nichts da! ein Waldteufel um den andern! und merkte das Lächeln nicht einmal, das hie und da auf die Gesichter schlich. Nachher verwies ich ihm die Unschicklichkeit, und was ist seine Antwort? Er lacht; "nun, alter Papa" rief er, "es muß mir doch erlaubt seyn, mit-
gel an Bildung verrathen, genug, mich indigniren ſie; nur Ein Beiſpiel und Sie werden mir beiſtimmen. Man traut mir billig zu, daß ich kein Pedant bin mit archäologiſcher Vielwiſſerei, inſofern ſie dem Künſtler nichts hilft. Stellt mir Einer eine lobenswerthe Ariadne hin, ſo frag’ ich den Henker darnach, ob er wiſſe, daß die Gemahlin des Bacchus auch Libera heißt. Macht es einen Mann aber nicht lächerlich, wenn er von Göttern und Halbgöttern nur eben wie ein Dragoner ſpricht? Werden es ihm Diejenigen vergeben, die auf den erſten Blick unmöglich wiſſen können, daß dieſer Menſch, ſo gut als Einer, Cha- rakteriſtik der Mythen verſteht und plaſtiſchen Sinn ge- nug in Aug’ und Fingern ſitzen hat? Nun ſtellen Sie ſich vor, neulich Abends im ſpaniſchen Hofe, es waren lauter gründliche Leute da, kömmt auf ein paar Kunſtwerke die Rede, Raymund fällt in ſeinen begeiſterten Schuß und ſagt wirklich vortreffliche Dinge, aber er ſpricht ſtatt von Panen und Satyrn, mir nichts dir nichts, und in vollem Ernſte immer von Waldteufeln! Iſt ſo was auch erhört? Ich ſaß wie auf Nadeln, ſchämte mich in ſein Herz hinein, trat ihm faſt die Zeyen weg und wollt’ ihm helfen; nichts da! ein Waldteufel um den andern! und merkte das Lächeln nicht einmal, das hie und da auf die Geſichter ſchlich. Nachher verwies ich ihm die Unſchicklichkeit, und was iſt ſeine Antwort? Er lacht; „nun, alter Papa“ rief er, „es muß mir doch erlaubt ſeyn, mit-
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[374/0060]
gel an Bildung verrathen, genug, mich indigniren ſie;
nur Ein Beiſpiel und Sie werden mir beiſtimmen.
Man traut mir billig zu, daß ich kein Pedant bin mit
archäologiſcher Vielwiſſerei, inſofern ſie dem Künſtler
nichts hilft. Stellt mir Einer eine lobenswerthe
Ariadne hin, ſo frag’ ich den Henker darnach, ob er
wiſſe, daß die Gemahlin des Bacchus auch Libera
heißt. Macht es einen Mann aber nicht lächerlich,
wenn er von Göttern und Halbgöttern nur eben wie
ein Dragoner ſpricht? Werden es ihm Diejenigen
vergeben, die auf den erſten Blick unmöglich wiſſen
können, daß dieſer Menſch, ſo gut als Einer, Cha-
rakteriſtik der Mythen verſteht und plaſtiſchen Sinn ge-
nug in Aug’ und Fingern ſitzen hat? Nun ſtellen
Sie ſich vor, neulich Abends im ſpaniſchen Hofe, es
waren lauter gründliche Leute da, kömmt auf ein
paar Kunſtwerke die Rede, Raymund fällt in ſeinen
begeiſterten Schuß und ſagt wirklich vortreffliche Dinge,
aber er ſpricht ſtatt von Panen und Satyrn, mir
nichts dir nichts, und in vollem Ernſte immer von
Waldteufeln! Iſt ſo was auch erhört? Ich ſaß wie
auf Nadeln, ſchämte mich in ſein Herz hinein, trat
ihm faſt die Zeyen weg und wollt’ ihm helfen; nichts
da! ein Waldteufel um den andern! und merkte das
Lächeln nicht einmal, das hie und da auf die Geſichter
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und was iſt ſeine Antwort? Er lacht; „nun, alter
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/60>, abgerufen am 25.11.2024.
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