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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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Nachdem die beiden Leichen auf dem katholischen
Gottesacker des nächsten Städtchens, jedoch mit Zu-
ziehung eines protestantischen Geistlichen, zur Erde
bestattet worden, traf der edelmüthige Mann, durch
den es vornämlich gelang, diese lezte Pflicht mit allem
wünschenswerthen Anstande und unter einem ansehn-
lichen Geleite vollzogen zu sehen, ungesäumt Anstalt,
der Freundschaft und der Menschenliebe ein nenes
Opfer zu bringen. Weder konnte er zugeben, daß die
arme überbliebene Schwester des Malers sich einer
so traurigen Heimreise, als ihr jezt bevorstand, allein
unterziehe, noch sollte der Förster den Verlust seiner
Kinder auf andere Weise, als aus dem Munde des
Gastfreunds vernehmen, dessen Haus der unschuldige
Schauplatz so schwerer Verhängnisse ward.

Bald saß daher der Präsident mit Nannetten
und Margot im Wagen. Uebrigens war es bei
ihm schon im Stillen beschlossene Sache, das Mädchen,
wenn es ihr und den Ihrigen gefiele, wieder zurück
zu nehmen und für ihr künftiges Glück zu sorgen.
Der Gedanke war eigentlich von Margot ausgegan-
gen und kaum enthielt sie sich, Nannetten nicht schon
unterwegs die Einwilligung abzudringen.

Der Schmerz des Alten in Neuburg übersteigt
allen Ausdruck; doch verfehlte die Persönlichkeit des
hohen Gastes ihre gute Wirkung nicht.

Noch in der Anwesenheit des Präsidenten kam
ein Brief des Hofraths im Forsthause an, mit der

Nachdem die beiden Leichen auf dem katholiſchen
Gottesacker des nächſten Städtchens, jedoch mit Zu-
ziehung eines proteſtantiſchen Geiſtlichen, zur Erde
beſtattet worden, traf der edelmüthige Mann, durch
den es vornämlich gelang, dieſe lezte Pflicht mit allem
wünſchenswerthen Anſtande und unter einem anſehn-
lichen Geleite vollzogen zu ſehen, ungeſäumt Anſtalt,
der Freundſchaft und der Menſchenliebe ein nenes
Opfer zu bringen. Weder konnte er zugeben, daß die
arme überbliebene Schweſter des Malers ſich einer
ſo traurigen Heimreiſe, als ihr jezt bevorſtand, allein
unterziehe, noch ſollte der Förſter den Verluſt ſeiner
Kinder auf andere Weiſe, als aus dem Munde des
Gaſtfreunds vernehmen, deſſen Haus der unſchuldige
Schauplatz ſo ſchwerer Verhängniſſe ward.

Bald ſaß daher der Präſident mit Nannetten
und Margot im Wagen. Uebrigens war es bei
ihm ſchon im Stillen beſchloſſene Sache, das Mädchen,
wenn es ihr und den Ihrigen gefiele, wieder zurück
zu nehmen und für ihr künftiges Glück zu ſorgen.
Der Gedanke war eigentlich von Margot ausgegan-
gen und kaum enthielt ſie ſich, Nannetten nicht ſchon
unterwegs die Einwilligung abzudringen.

Der Schmerz des Alten in Neuburg überſteigt
allen Ausdruck; doch verfehlte die Perſönlichkeit des
hohen Gaſtes ihre gute Wirkung nicht.

Noch in der Anweſenheit des Präſidenten kam
ein Brief des Hofraths im Forſthauſe an, mit der

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[636/0322] Nachdem die beiden Leichen auf dem katholiſchen Gottesacker des nächſten Städtchens, jedoch mit Zu- ziehung eines proteſtantiſchen Geiſtlichen, zur Erde beſtattet worden, traf der edelmüthige Mann, durch den es vornämlich gelang, dieſe lezte Pflicht mit allem wünſchenswerthen Anſtande und unter einem anſehn- lichen Geleite vollzogen zu ſehen, ungeſäumt Anſtalt, der Freundſchaft und der Menſchenliebe ein nenes Opfer zu bringen. Weder konnte er zugeben, daß die arme überbliebene Schweſter des Malers ſich einer ſo traurigen Heimreiſe, als ihr jezt bevorſtand, allein unterziehe, noch ſollte der Förſter den Verluſt ſeiner Kinder auf andere Weiſe, als aus dem Munde des Gaſtfreunds vernehmen, deſſen Haus der unſchuldige Schauplatz ſo ſchwerer Verhängniſſe ward. Bald ſaß daher der Präſident mit Nannetten und Margot im Wagen. Uebrigens war es bei ihm ſchon im Stillen beſchloſſene Sache, das Mädchen, wenn es ihr und den Ihrigen gefiele, wieder zurück zu nehmen und für ihr künftiges Glück zu ſorgen. Der Gedanke war eigentlich von Margot ausgegan- gen und kaum enthielt ſie ſich, Nannetten nicht ſchon unterwegs die Einwilligung abzudringen. Der Schmerz des Alten in Neuburg überſteigt allen Ausdruck; doch verfehlte die Perſönlichkeit des hohen Gaſtes ihre gute Wirkung nicht. Noch in der Anweſenheit des Präſidenten kam ein Brief des Hofraths im Forſthauſe an, mit der

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/322>, abgerufen am 05.05.2024.