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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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Beispiel des glücklichsten Menschen aufzustellen --
sag' mir, soll mich's nicht kränken, toller Junge, soll
mir's die Galle nicht schütteln, wenn du, vom seltsam-
sten Wahne getrieben, mit Gewalt Einseitigkeit er-
zwingen willst, wo keine ist, keine seyn darf! Ich
rede nicht von deiner Stellung zur allgemeinen Welt,
darüber kann ja, wie gesagt, kein Streit mehr seyn,
aber daß du der freundlichsten Seite des Lebens ab-
sterben und einem Glück entsagen willst, das dir doch
so natürlich wäre, als irgend einem braven Kerl, das
ist's, was mich empört. Zwar geb' ich gerne zu, dir
hat die Liebe nicht ganz zum Besten mitgespielt, ich
läugne nicht, daß du seit Agnes --"

"Ach, so?" rief Nolten auf Einmal, wie aus
den Wolken gefallen, "dahinaus? das war die Absicht,
die du bisher mit so viel schmeichelhafter Beredtsam-
keit glaubtest vorbereiten zu müssen?"

"Sey nicht unbillig, guter Freund! Was ich bis-
her zu deinem Ruhm gesprochen haben mag, war mein
aufrichtiger baarer Ernst, und es bedarf wohl der
Betheurung nicht erst zwischen uns. Uebrigens magst
du immerhin den Kuppler in mir sehen, ich halte dieß
Geschäft im gegenwärtigen Falle für ein sehr löbli-
ches und ehrenwerthes. -- Wo dich eigentlich der
Schuh drückt, ist mir ganz wohl bekannt. Deine Lie-
beskalamitäten haben dich auf den Punkt ein wenig
revoltirt, nun ziehst du dich schmerzhaft und gekränkt
n's Schneckenhaus zurück und sagst dir unterwegs

Beiſpiel des glücklichſten Menſchen aufzuſtellen —
ſag’ mir, ſoll mich’s nicht kränken, toller Junge, ſoll
mir’s die Galle nicht ſchütteln, wenn du, vom ſeltſam-
ſten Wahne getrieben, mit Gewalt Einſeitigkeit er-
zwingen willſt, wo keine iſt, keine ſeyn darf! Ich
rede nicht von deiner Stellung zur allgemeinen Welt,
darüber kann ja, wie geſagt, kein Streit mehr ſeyn,
aber daß du der freundlichſten Seite des Lebens ab-
ſterben und einem Glück entſagen willſt, das dir doch
ſo natürlich wäre, als irgend einem braven Kerl, das
iſt’s, was mich empört. Zwar geb’ ich gerne zu, dir
hat die Liebe nicht ganz zum Beſten mitgeſpielt, ich
läugne nicht, daß du ſeit Agnes —“

„Ach, ſo?“ rief Nolten auf Einmal, wie aus
den Wolken gefallen, „dahinaus? das war die Abſicht,
die du bisher mit ſo viel ſchmeichelhafter Beredtſam-
keit glaubteſt vorbereiten zu müſſen?“

„Sey nicht unbillig, guter Freund! Was ich bis-
her zu deinem Ruhm geſprochen haben mag, war mein
aufrichtiger baarer Ernſt, und es bedarf wohl der
Betheurung nicht erſt zwiſchen uns. Uebrigens magſt
du immerhin den Kuppler in mir ſehen, ich halte dieß
Geſchäft im gegenwärtigen Falle für ein ſehr löbli-
ches und ehrenwerthes. — Wo dich eigentlich der
Schuh drückt, iſt mir ganz wohl bekannt. Deine Lie-
beskalamitäten haben dich auf den Punkt ein wenig
revoltirt, nun ziehſt du dich ſchmerzhaft und gekränkt
n’s Schneckenhaus zurück und ſagſt dir unterwegs

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[340/0026] Beiſpiel des glücklichſten Menſchen aufzuſtellen — ſag’ mir, ſoll mich’s nicht kränken, toller Junge, ſoll mir’s die Galle nicht ſchütteln, wenn du, vom ſeltſam- ſten Wahne getrieben, mit Gewalt Einſeitigkeit er- zwingen willſt, wo keine iſt, keine ſeyn darf! Ich rede nicht von deiner Stellung zur allgemeinen Welt, darüber kann ja, wie geſagt, kein Streit mehr ſeyn, aber daß du der freundlichſten Seite des Lebens ab- ſterben und einem Glück entſagen willſt, das dir doch ſo natürlich wäre, als irgend einem braven Kerl, das iſt’s, was mich empört. Zwar geb’ ich gerne zu, dir hat die Liebe nicht ganz zum Beſten mitgeſpielt, ich läugne nicht, daß du ſeit Agnes —“ „Ach, ſo?“ rief Nolten auf Einmal, wie aus den Wolken gefallen, „dahinaus? das war die Abſicht, die du bisher mit ſo viel ſchmeichelhafter Beredtſam- keit glaubteſt vorbereiten zu müſſen?“ „Sey nicht unbillig, guter Freund! Was ich bis- her zu deinem Ruhm geſprochen haben mag, war mein aufrichtiger baarer Ernſt, und es bedarf wohl der Betheurung nicht erſt zwiſchen uns. Uebrigens magſt du immerhin den Kuppler in mir ſehen, ich halte dieß Geſchäft im gegenwärtigen Falle für ein ſehr löbli- ches und ehrenwerthes. — Wo dich eigentlich der Schuh drückt, iſt mir ganz wohl bekannt. Deine Lie- beskalamitäten haben dich auf den Punkt ein wenig revoltirt, nun ziehſt du dich ſchmerzhaft und gekränkt n’s Schneckenhaus zurück und ſagſt dir unterwegs

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/26>, abgerufen am 28.03.2024.