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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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über seine frühere Berührung mit Elisabeth. --
Von jeher war es dem Schauspieler gewohntes Be-
dürfniß gewesen, Alles, was ihn auf längere oder kür-
zere Zeit interessirte, die Eigenthümlichkeiten seines
nächsten Umgangs, das ganze Leben mancher Freunde,
durch Zuthat seiner Einbildung mit einem magischen
Firniß aufzuhöhen, sich näher zu bringen und so Alles
auf zweifache Art zu genießen. Er trieb diesen idea-
len Unterschleif nicht leicht in solchem Maße, daß ihm
dadurch die natürliche Ansicht von Dingen und Per-
sonen verrückt oder unschmackhaft geworden wäre, er
beurtheilte namentlich Theobalds Wesen bei alle
dem auf die nüchternste Weise und pflegte jener phan-
tastischen Neigung so wenig auf Kosten der Freund-
schaft, daß er vielmehr mit ängstlicher Sorgfalt Alles
und Jedes vor ihm versteckte, was auf die Gesund-
heit seines Gemüths irgend nachtheilig von dorther
hätte wirken können. So ließ er sich denn insbeson-
dere von seiner Vorliebe für Elisabeth nichts gegen
Theobald merken. Er beschäftigte sich lange Zeit
mit dem Schicksale dieser Person, doch außer den ge-
treu nach der Wahrheit verfaßten Memoiren, welche
der Leser längst kennt, kam Nolten keine Zeile von
den dahin einschlagenden Versuchen zu Gesicht. Ohne
Zweifel hatte Larkens einmal die Absicht gehabt, die
Geschichte mit der Zigeunerin für sich zu erweitern
und in's Fabelhafte hinüber zu spielen; dasjenige, was
der Maler in Händen hielt, waren theils Finger-

über ſeine frühere Berührung mit Eliſabeth. —
Von jeher war es dem Schauſpieler gewohntes Be-
dürfniß geweſen, Alles, was ihn auf längere oder kür-
zere Zeit intereſſirte, die Eigenthümlichkeiten ſeines
nächſten Umgangs, das ganze Leben mancher Freunde,
durch Zuthat ſeiner Einbildung mit einem magiſchen
Firniß aufzuhöhen, ſich näher zu bringen und ſo Alles
auf zweifache Art zu genießen. Er trieb dieſen idea-
len Unterſchleif nicht leicht in ſolchem Maße, daß ihm
dadurch die natürliche Anſicht von Dingen und Per-
ſonen verrückt oder unſchmackhaft geworden wäre, er
beurtheilte namentlich Theobalds Weſen bei alle
dem auf die nüchternſte Weiſe und pflegte jener phan-
taſtiſchen Neigung ſo wenig auf Koſten der Freund-
ſchaft, daß er vielmehr mit ängſtlicher Sorgfalt Alles
und Jedes vor ihm verſteckte, was auf die Geſund-
heit ſeines Gemüths irgend nachtheilig von dorther
hätte wirken können. So ließ er ſich denn insbeſon-
dere von ſeiner Vorliebe für Eliſabeth nichts gegen
Theobald merken. Er beſchäftigte ſich lange Zeit
mit dem Schickſale dieſer Perſon, doch außer den ge-
treu nach der Wahrheit verfaßten Memoiren, welche
der Leſer längſt kennt, kam Nolten keine Zeile von
den dahin einſchlagenden Verſuchen zu Geſicht. Ohne
Zweifel hatte Larkens einmal die Abſicht gehabt, die
Geſchichte mit der Zigeunerin für ſich zu erweitern
und in’s Fabelhafte hinüber zu ſpielen; dasjenige, was
der Maler in Händen hielt, waren theils Finger-

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[556/0242] über ſeine frühere Berührung mit Eliſabeth. — Von jeher war es dem Schauſpieler gewohntes Be- dürfniß geweſen, Alles, was ihn auf längere oder kür- zere Zeit intereſſirte, die Eigenthümlichkeiten ſeines nächſten Umgangs, das ganze Leben mancher Freunde, durch Zuthat ſeiner Einbildung mit einem magiſchen Firniß aufzuhöhen, ſich näher zu bringen und ſo Alles auf zweifache Art zu genießen. Er trieb dieſen idea- len Unterſchleif nicht leicht in ſolchem Maße, daß ihm dadurch die natürliche Anſicht von Dingen und Per- ſonen verrückt oder unſchmackhaft geworden wäre, er beurtheilte namentlich Theobalds Weſen bei alle dem auf die nüchternſte Weiſe und pflegte jener phan- taſtiſchen Neigung ſo wenig auf Koſten der Freund- ſchaft, daß er vielmehr mit ängſtlicher Sorgfalt Alles und Jedes vor ihm verſteckte, was auf die Geſund- heit ſeines Gemüths irgend nachtheilig von dorther hätte wirken können. So ließ er ſich denn insbeſon- dere von ſeiner Vorliebe für Eliſabeth nichts gegen Theobald merken. Er beſchäftigte ſich lange Zeit mit dem Schickſale dieſer Perſon, doch außer den ge- treu nach der Wahrheit verfaßten Memoiren, welche der Leſer längſt kennt, kam Nolten keine Zeile von den dahin einſchlagenden Verſuchen zu Geſicht. Ohne Zweifel hatte Larkens einmal die Abſicht gehabt, die Geſchichte mit der Zigeunerin für ſich zu erweitern und in’s Fabelhafte hinüber zu ſpielen; dasjenige, was der Maler in Händen hielt, waren theils Finger-

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/242>, abgerufen am 25.11.2024.