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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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das r nur gurgelnd aussprechen können, wie denn dieß
eben bei dem Fräulein der Fall war, so schien diese
Eigenthümlichkeit der Anmuth jenes fremden Idioms
noch eine Würze weiter zu verleihen. Agnes ent-
ging es nicht, mit welchem Wohlbehagen Freund Theo-
bald
am Munde der Leserin hing, allein auch sie
vermochte demselben Zauber nicht zu widerstehen.

Ueberhaupt lernten die Mädchen nach und nach
immer neue Talente an dieser Margot kennen; das
Meiste brachte nur der Zufall an den Tag, und weit
entfernt, es auf eine falsche Bescheidenheit anzulegen,
oder im Gefühl ihrer Meisterschaft den Unkundigen
gegenüber die Unterhaltung über gewisse Gegenstände
vornehm abzulehnen, theilte sie vielmehr die Haupt-
begriffe sogleich auf die einfachste Weise mit und machte
durch die Leichtigkeit, womit sie Alles behandelte, den
Andern wirklich glauben, daß das so schwere Sachen
gar nicht wären, als es im Anfang schien; sogar
legte sie einmal das liebenswürdige Geständniß ab:
"Wir Frauen, wenn uns der Fürwitz mit den Wis-
senschaften plagt, krebsen mitunter bloß, wenn wir zu
fischen meinen, und freilich ist es dann ein Trost,
daß es den Herren Philosophen zuweilen auch nicht
besser geht. -- Sehn Sie aber," rief sie aus und schob
die spanische Wand zurück, die in der Ecke ihres Zim-
mers einen großmächtigen Globus verbarg, "sehn
Sie, das bleibt denn doch eine Lieblingsbeschäftigung,
wo man auf sicherem Grund und Boden wandelt.

das r nur gurgelnd ausſprechen können, wie denn dieß
eben bei dem Fräulein der Fall war, ſo ſchien dieſe
Eigenthümlichkeit der Anmuth jenes fremden Idioms
noch eine Würze weiter zu verleihen. Agnes ent-
ging es nicht, mit welchem Wohlbehagen Freund Theo-
bald
am Munde der Leſerin hing, allein auch ſie
vermochte demſelben Zauber nicht zu widerſtehen.

Ueberhaupt lernten die Mädchen nach und nach
immer neue Talente an dieſer Margot kennen; das
Meiſte brachte nur der Zufall an den Tag, und weit
entfernt, es auf eine falſche Beſcheidenheit anzulegen,
oder im Gefühl ihrer Meiſterſchaft den Unkundigen
gegenüber die Unterhaltung über gewiſſe Gegenſtände
vornehm abzulehnen, theilte ſie vielmehr die Haupt-
begriffe ſogleich auf die einfachſte Weiſe mit und machte
durch die Leichtigkeit, womit ſie Alles behandelte, den
Andern wirklich glauben, daß das ſo ſchwere Sachen
gar nicht wären, als es im Anfang ſchien; ſogar
legte ſie einmal das liebenswürdige Geſtändniß ab:
„Wir Frauen, wenn uns der Fürwitz mit den Wiſ-
ſenſchaften plagt, krebſen mitunter bloß, wenn wir zu
fiſchen meinen, und freilich iſt es dann ein Troſt,
daß es den Herren Philoſophen zuweilen auch nicht
beſſer geht. — Sehn Sie aber,“ rief ſie aus und ſchob
die ſpaniſche Wand zurück, die in der Ecke ihres Zim-
mers einen großmächtigen Globus verbarg, „ſehn
Sie, das bleibt denn doch eine Lieblingsbeſchäftigung,
wo man auf ſicherem Grund und Boden wandelt.

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[548/0234] das r nur gurgelnd ausſprechen können, wie denn dieß eben bei dem Fräulein der Fall war, ſo ſchien dieſe Eigenthümlichkeit der Anmuth jenes fremden Idioms noch eine Würze weiter zu verleihen. Agnes ent- ging es nicht, mit welchem Wohlbehagen Freund Theo- bald am Munde der Leſerin hing, allein auch ſie vermochte demſelben Zauber nicht zu widerſtehen. Ueberhaupt lernten die Mädchen nach und nach immer neue Talente an dieſer Margot kennen; das Meiſte brachte nur der Zufall an den Tag, und weit entfernt, es auf eine falſche Beſcheidenheit anzulegen, oder im Gefühl ihrer Meiſterſchaft den Unkundigen gegenüber die Unterhaltung über gewiſſe Gegenſtände vornehm abzulehnen, theilte ſie vielmehr die Haupt- begriffe ſogleich auf die einfachſte Weiſe mit und machte durch die Leichtigkeit, womit ſie Alles behandelte, den Andern wirklich glauben, daß das ſo ſchwere Sachen gar nicht wären, als es im Anfang ſchien; ſogar legte ſie einmal das liebenswürdige Geſtändniß ab: „Wir Frauen, wenn uns der Fürwitz mit den Wiſ- ſenſchaften plagt, krebſen mitunter bloß, wenn wir zu fiſchen meinen, und freilich iſt es dann ein Troſt, daß es den Herren Philoſophen zuweilen auch nicht beſſer geht. — Sehn Sie aber,“ rief ſie aus und ſchob die ſpaniſche Wand zurück, die in der Ecke ihres Zim- mers einen großmächtigen Globus verbarg, „ſehn Sie, das bleibt denn doch eine Lieblingsbeſchäftigung, wo man auf ſicherem Grund und Boden wandelt.

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/234>, abgerufen am 25.11.2024.