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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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schleppt habe, natürlich ohne es zu verstehen, nur
weil die schön vergoldete Pergamentdecke ihn gereizt.
Einige Zeit hernach habe von ungefähr ein Kenner
es bei ihm erblickt und es für einen außerordentli-
chen Schatz erklärt; hiedurch sey er auf den Inhalt
neugierig worden, um so mehr, da seine Neigung zu
Schauspielen und Tragödien schon damals bis zur
Wuth entzündet gewesen. Nun habe er der Rose-
monde
-- der unbekannten Geliebten -- zu Gefallen
mit wahrhaft ritterlichem Eifer sich straks dem Ita-
lienischen ergeben, und nachdem er die Süßigkeit der
Sprache erst verschmeckt, für gar nichts Anderes mehr
Aug' und Ohr gehabt, in Kurzem auch, ein Zweiter
Almachilde (so hieß Rosemondens Liebhaber
und Retter), der armen Königstochter sich völlig be-
mächtigt.

War aber dieses Stück, als ein verehrter Zeuge
der schönen Kindheit des tragischen Theaters der Ita-
liener schon an und für sich merkwürdig genug, so
sezte sich nun unser Cirkel, des Mannes eingedenk,
von dem es herkam, mit einer Art von Andacht zu
dem Trauerspiel, wiewohl es während des Lesens und
Verdeutschens an munteren Bemerkungen nicht fehlte,
entweder weil die Uebersetzung zuweilen stocken wollte,
oder weil man nicht umhin konnte, die im Ganzen
herrliche Charakteristik in der Dichtung mitunter et-
was hart und holzschnittartig zu finden. Außer Agnes
und Nannetten war Allen die Sprache bekannt;

ſchleppt habe, natürlich ohne es zu verſtehen, nur
weil die ſchön vergoldete Pergamentdecke ihn gereizt.
Einige Zeit hernach habe von ungefähr ein Kenner
es bei ihm erblickt und es für einen außerordentli-
chen Schatz erklärt; hiedurch ſey er auf den Inhalt
neugierig worden, um ſo mehr, da ſeine Neigung zu
Schauſpielen und Tragödien ſchon damals bis zur
Wuth entzündet geweſen. Nun habe er der Roſe-
monde
— der unbekannten Geliebten — zu Gefallen
mit wahrhaft ritterlichem Eifer ſich ſtraks dem Ita-
lieniſchen ergeben, und nachdem er die Süßigkeit der
Sprache erſt verſchmeckt, für gar nichts Anderes mehr
Aug’ und Ohr gehabt, in Kurzem auch, ein Zweiter
Almachilde (ſo hieß Roſemondens Liebhaber
und Retter), der armen Königstochter ſich völlig be-
mächtigt.

War aber dieſes Stück, als ein verehrter Zeuge
der ſchönen Kindheit des tragiſchen Theaters der Ita-
liener ſchon an und für ſich merkwürdig genug, ſo
ſezte ſich nun unſer Cirkel, des Mannes eingedenk,
von dem es herkam, mit einer Art von Andacht zu
dem Trauerſpiel, wiewohl es während des Leſens und
Verdeutſchens an munteren Bemerkungen nicht fehlte,
entweder weil die Ueberſetzung zuweilen ſtocken wollte,
oder weil man nicht umhin konnte, die im Ganzen
herrliche Charakteriſtik in der Dichtung mitunter et-
was hart und holzſchnittartig zu finden. Außer Agnes
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[546/0232] ſchleppt habe, natürlich ohne es zu verſtehen, nur weil die ſchön vergoldete Pergamentdecke ihn gereizt. Einige Zeit hernach habe von ungefähr ein Kenner es bei ihm erblickt und es für einen außerordentli- chen Schatz erklärt; hiedurch ſey er auf den Inhalt neugierig worden, um ſo mehr, da ſeine Neigung zu Schauſpielen und Tragödien ſchon damals bis zur Wuth entzündet geweſen. Nun habe er der Roſe- monde — der unbekannten Geliebten — zu Gefallen mit wahrhaft ritterlichem Eifer ſich ſtraks dem Ita- lieniſchen ergeben, und nachdem er die Süßigkeit der Sprache erſt verſchmeckt, für gar nichts Anderes mehr Aug’ und Ohr gehabt, in Kurzem auch, ein Zweiter Almachilde (ſo hieß Roſemondens Liebhaber und Retter), der armen Königstochter ſich völlig be- mächtigt. War aber dieſes Stück, als ein verehrter Zeuge der ſchönen Kindheit des tragiſchen Theaters der Ita- liener ſchon an und für ſich merkwürdig genug, ſo ſezte ſich nun unſer Cirkel, des Mannes eingedenk, von dem es herkam, mit einer Art von Andacht zu dem Trauerſpiel, wiewohl es während des Leſens und Verdeutſchens an munteren Bemerkungen nicht fehlte, entweder weil die Ueberſetzung zuweilen ſtocken wollte, oder weil man nicht umhin konnte, die im Ganzen herrliche Charakteriſtik in der Dichtung mitunter et- was hart und holzſchnittartig zu finden. Außer Agnes und Nannetten war Allen die Sprache bekannt;

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/232>, abgerufen am 24.11.2024.