Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

es recht zu sagen, bei viel Einnehmendem, manches
unangenehm Auffallende hatte. Die Figur war außer-
ordentlich schön, obgleich nur mäßig hoch, der Kopf
an sich von dem edelsten Umriß, und das ovale Ge-
sicht hätte, ohne den aufgequollenen Mund und die
Stumpfnase, nicht zärter geformt seyn können; dazu
kam eine braune, wenn gleich sehr frische Haut, und
ein Paar große dunkle Augen. Es gab, freilich nur
unter den Männern, immer einige, denen eine so ei-
gene Zusammensetzung gefiel; sie behaupteten, es wer-
den die widersprechenden Theile dieses Gesichts durch
den vollen Ausdruck von Seele in ein unzertrennli-
ches Ganze auf die reizendste Art verschmolzen. Man
hatte deßhalb den Bewunderern Margots den Spott-
namen der afrikanischen Fremd- und Feinschmecker
aufgetrieben, und wenn hieran gewisse allgemein ver-
ehrte Schönheiten der Stadt sich nicht wenig erbauten,
so war es doch verdrießlich, daß eben die geistreichsten
Jünglinge sich am liebsten um diese Afrikanerin ver-
sammelten. Die Späße der ballgerechten Stutzer waren
indeß, der Eifersucht zum Troste, unerschöpflich. So
hatte ein Lieutenant, der sonst eben nicht im Geruche
des witzigsten Kopfes stand, den köstlichen Einfall aus-
geheckt: man bemerke an des Präsidenten Tochter,
bei genauerer Betrachtung, ein feines Bärtchen um
die Lippen, welches wohl daher komme, daß sie als
Kind sich schon von den alten Knasterbärten, den Ci-

es recht zu ſagen, bei viel Einnehmendem, manches
unangenehm Auffallende hatte. Die Figur war außer-
ordentlich ſchön, obgleich nur mäßig hoch, der Kopf
an ſich von dem edelſten Umriß, und das ovale Ge-
ſicht hätte, ohne den aufgequollenen Mund und die
Stumpfnaſe, nicht zärter geformt ſeyn können; dazu
kam eine braune, wenn gleich ſehr friſche Haut, und
ein Paar große dunkle Augen. Es gab, freilich nur
unter den Männern, immer einige, denen eine ſo ei-
gene Zuſammenſetzung gefiel; ſie behaupteten, es wer-
den die widerſprechenden Theile dieſes Geſichts durch
den vollen Ausdruck von Seele in ein unzertrennli-
ches Ganze auf die reizendſte Art verſchmolzen. Man
hatte deßhalb den Bewunderern Margots den Spott-
namen der afrikaniſchen Fremd- und Feinſchmecker
aufgetrieben, und wenn hieran gewiſſe allgemein ver-
ehrte Schönheiten der Stadt ſich nicht wenig erbauten,
ſo war es doch verdrießlich, daß eben die geiſtreichſten
Jünglinge ſich am liebſten um dieſe Afrikanerin ver-
ſammelten. Die Späße der ballgerechten Stutzer waren
indeß, der Eiferſucht zum Troſte, unerſchöpflich. So
hatte ein Lieutenant, der ſonſt eben nicht im Geruche
des witzigſten Kopfes ſtand, den köſtlichen Einfall aus-
geheckt: man bemerke an des Präſidenten Tochter,
bei genauerer Betrachtung, ein feines Bärtchen um
die Lippen, welches wohl daher komme, daß ſie als
Kind ſich ſchon von den alten Knaſterbärten, den Ci-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0221" n="535"/>
es recht zu &#x017F;agen, bei viel Einnehmendem, manches<lb/>
unangenehm Auffallende hatte. Die Figur war außer-<lb/>
ordentlich &#x017F;chön, obgleich nur mäßig hoch, der Kopf<lb/>
an &#x017F;ich von dem edel&#x017F;ten Umriß, und das ovale Ge-<lb/>
&#x017F;icht hätte, ohne den aufgequollenen Mund und die<lb/>
Stumpfna&#x017F;e, nicht zärter geformt &#x017F;eyn können; dazu<lb/>
kam eine braune, wenn gleich &#x017F;ehr fri&#x017F;che Haut, und<lb/>
ein Paar große dunkle Augen. Es gab, freilich nur<lb/>
unter den Männern, immer einige, denen eine &#x017F;o ei-<lb/>
gene Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung gefiel; &#x017F;ie behaupteten, es wer-<lb/>
den die wider&#x017F;prechenden Theile die&#x017F;es Ge&#x017F;ichts durch<lb/>
den vollen Ausdruck von Seele in ein unzertrennli-<lb/>
ches Ganze auf die reizend&#x017F;te Art ver&#x017F;chmolzen. Man<lb/>
hatte deßhalb den Bewunderern <hi rendition="#g">Margots</hi> den Spott-<lb/>
namen der afrikani&#x017F;chen Fremd- und Fein&#x017F;chmecker<lb/>
aufgetrieben, und wenn hieran gewi&#x017F;&#x017F;e allgemein ver-<lb/>
ehrte Schönheiten der Stadt &#x017F;ich nicht wenig erbauten,<lb/>
&#x017F;o war es doch verdrießlich, daß eben die gei&#x017F;treich&#x017F;ten<lb/>
Jünglinge &#x017F;ich am lieb&#x017F;ten um die&#x017F;e Afrikanerin ver-<lb/>
&#x017F;ammelten. Die Späße der ballgerechten Stutzer waren<lb/>
indeß, der Eifer&#x017F;ucht zum Tro&#x017F;te, uner&#x017F;chöpflich. So<lb/>
hatte ein Lieutenant, der &#x017F;on&#x017F;t eben nicht im Geruche<lb/>
des witzig&#x017F;ten Kopfes &#x017F;tand, den kö&#x017F;tlichen Einfall aus-<lb/>
geheckt: man bemerke an des Prä&#x017F;identen Tochter,<lb/>
bei genauerer Betrachtung, ein feines Bärtchen um<lb/>
die Lippen, welches wohl daher komme, daß &#x017F;ie als<lb/>
Kind &#x017F;ich &#x017F;chon von den alten Kna&#x017F;terbärten, den Ci-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[535/0221] es recht zu ſagen, bei viel Einnehmendem, manches unangenehm Auffallende hatte. Die Figur war außer- ordentlich ſchön, obgleich nur mäßig hoch, der Kopf an ſich von dem edelſten Umriß, und das ovale Ge- ſicht hätte, ohne den aufgequollenen Mund und die Stumpfnaſe, nicht zärter geformt ſeyn können; dazu kam eine braune, wenn gleich ſehr friſche Haut, und ein Paar große dunkle Augen. Es gab, freilich nur unter den Männern, immer einige, denen eine ſo ei- gene Zuſammenſetzung gefiel; ſie behaupteten, es wer- den die widerſprechenden Theile dieſes Geſichts durch den vollen Ausdruck von Seele in ein unzertrennli- ches Ganze auf die reizendſte Art verſchmolzen. Man hatte deßhalb den Bewunderern Margots den Spott- namen der afrikaniſchen Fremd- und Feinſchmecker aufgetrieben, und wenn hieran gewiſſe allgemein ver- ehrte Schönheiten der Stadt ſich nicht wenig erbauten, ſo war es doch verdrießlich, daß eben die geiſtreichſten Jünglinge ſich am liebſten um dieſe Afrikanerin ver- ſammelten. Die Späße der ballgerechten Stutzer waren indeß, der Eiferſucht zum Troſte, unerſchöpflich. So hatte ein Lieutenant, der ſonſt eben nicht im Geruche des witzigſten Kopfes ſtand, den köſtlichen Einfall aus- geheckt: man bemerke an des Präſidenten Tochter, bei genauerer Betrachtung, ein feines Bärtchen um die Lippen, welches wohl daher komme, daß ſie als Kind ſich ſchon von den alten Knaſterbärten, den Ci-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/221
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/221>, abgerufen am 02.05.2024.