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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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"Wer könnte hier noch länger widerstehn!" rief
Nolten aus. "Ihre Güte, theurer Mann, ist fast zu
groß für mich, ich nehme sie aber, wenn auch nur
schüchtern, im Namen unseres Todten an. -- Unsere
Reise, meine guten Kinder," sezte er gegen die Sei-
nigen hinzu, "in so fern sie dem Vergnügen gelten
sollte, war ich seit gestern ohnehin entschlossen abzu-
kürzen, ich wollte ungesäumt dem Orte unseres künfti-
gen Bleibens und meiner Pflicht entgegengehn. Un-
vermuthet hat sich uns nun eine dritte Aussicht er-
öffnet, die selbst mit ihrer schmerzlichen Bedeutung
bei weitem den schönsten Genuß und die lieblichste
Zuflucht verspricht."

Ein Bedienter kam und meldete einige Herren,
welche der Präsident auf diese Stunde zu sich gebeten
hatte. Es war der Regisseur des Theaters und drei
andere Künstler, die sich für Nolten nicht weniger,
als für den Verstorbenen interessirten, da ihnen der
Maler durch Renommee schon längst nicht fremd mehr
war. Der Regisseur kam vor Jahren einmal mit
Larkens in persönliche Berührung. Er wollte, auf
Anregung des Präsidenten und darum ohne Wider-
spruch von Seiten der Geistlichkeit, ein Wort am
Grabe reden; Theobald hatte ihm hiezu die nöthi-
gen Notizen schon am Morgen zusammen geschrieben.
Man beredete noch Einiges wegen der Feierlichkeit.

Indessen hatte sich der Tag schon ziemlich ge-
neigt, und seine ahnungsvolle Dämmerung wälzte mit

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„Wer könnte hier noch länger widerſtehn!“ rief
Nolten aus. „Ihre Güte, theurer Mann, iſt faſt zu
groß für mich, ich nehme ſie aber, wenn auch nur
ſchüchtern, im Namen unſeres Todten an. — Unſere
Reiſe, meine guten Kinder,“ ſezte er gegen die Sei-
nigen hinzu, „in ſo fern ſie dem Vergnügen gelten
ſollte, war ich ſeit geſtern ohnehin entſchloſſen abzu-
kürzen, ich wollte ungeſäumt dem Orte unſeres künfti-
gen Bleibens und meiner Pflicht entgegengehn. Un-
vermuthet hat ſich uns nun eine dritte Ausſicht er-
öffnet, die ſelbſt mit ihrer ſchmerzlichen Bedeutung
bei weitem den ſchönſten Genuß und die lieblichſte
Zuflucht verſpricht.“

Ein Bedienter kam und meldete einige Herren,
welche der Präſident auf dieſe Stunde zu ſich gebeten
hatte. Es war der Regiſſeur des Theaters und drei
andere Künſtler, die ſich für Nolten nicht weniger,
als für den Verſtorbenen intereſſirten, da ihnen der
Maler durch Renommee ſchon längſt nicht fremd mehr
war. Der Regiſſeur kam vor Jahren einmal mit
Larkens in perſönliche Berührung. Er wollte, auf
Anregung des Präſidenten und darum ohne Wider-
ſpruch von Seiten der Geiſtlichkeit, ein Wort am
Grabe reden; Theobald hatte ihm hiezu die nöthi-
gen Notizen ſchon am Morgen zuſammen geſchrieben.
Man beredete noch Einiges wegen der Feierlichkeit.

Indeſſen hatte ſich der Tag ſchon ziemlich ge-
neigt, und ſeine ahnungsvolle Dämmerung wälzte mit

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[529/0215] „Wer könnte hier noch länger widerſtehn!“ rief Nolten aus. „Ihre Güte, theurer Mann, iſt faſt zu groß für mich, ich nehme ſie aber, wenn auch nur ſchüchtern, im Namen unſeres Todten an. — Unſere Reiſe, meine guten Kinder,“ ſezte er gegen die Sei- nigen hinzu, „in ſo fern ſie dem Vergnügen gelten ſollte, war ich ſeit geſtern ohnehin entſchloſſen abzu- kürzen, ich wollte ungeſäumt dem Orte unſeres künfti- gen Bleibens und meiner Pflicht entgegengehn. Un- vermuthet hat ſich uns nun eine dritte Ausſicht er- öffnet, die ſelbſt mit ihrer ſchmerzlichen Bedeutung bei weitem den ſchönſten Genuß und die lieblichſte Zuflucht verſpricht.“ Ein Bedienter kam und meldete einige Herren, welche der Präſident auf dieſe Stunde zu ſich gebeten hatte. Es war der Regiſſeur des Theaters und drei andere Künſtler, die ſich für Nolten nicht weniger, als für den Verſtorbenen intereſſirten, da ihnen der Maler durch Renommee ſchon längſt nicht fremd mehr war. Der Regiſſeur kam vor Jahren einmal mit Larkens in perſönliche Berührung. Er wollte, auf Anregung des Präſidenten und darum ohne Wider- ſpruch von Seiten der Geiſtlichkeit, ein Wort am Grabe reden; Theobald hatte ihm hiezu die nöthi- gen Notizen ſchon am Morgen zuſammen geſchrieben. Man beredete noch Einiges wegen der Feierlichkeit. Indeſſen hatte ſich der Tag ſchon ziemlich ge- neigt, und ſeine ahnungsvolle Dämmerung wälzte mit 34

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/215>, abgerufen am 22.11.2024.