winzig kleines Spieldöschen gehabt, das ich hier, schaun Sie, hier in meinen hohlen Zahn legte, ich durfte nur ein wenig darauf beißen und die ganze Zauberflöte, sag' ich Ihnen, die ganze Oper von Wolfgang Ama- deus Mozart, spielte drei Stunden en suite fort. Eine Dame, die neben mir stand, behauptete, es wäre ja Rataplan, der kleine Tambour, was ich spiele -- Him- mel! sagt' ich, ich kenne ja doch die Bären und die Affen und diese heil'gen Hallen! O göttlich war's -- Nein! -- Aber da drüben, ich bitte Sie -- -- " "Er- lauben Sie," unterbrach hier eine tiefe Baßstimme die Rede des Schalks mitten im Fluß, "erlauben Sie, mein lustiger, unbekannter Herr, daß ich endlich frage: wollen Sie mich foppen, oder wollen sie andere ehr- liche Leute mit diesem Unsinn foppen?" "Ach ganz und gar nicht," war die Antwort, "keins von Beiden, ich bitte Tausendmal um Vergebung -- Aber was ist denn unserm Herrn Nachbar da zugestoßen? der weint ja erschrecklich -- Mit Erlaubniß, haben Sie den Wa- denkrampf?" -- In diesem Augenblick öffnet sich un- ser Gitter, ein langes weinerliches Gesicht beugt sich herein mit den erbärmlichen Worten: "Ach, liebe Herren, ist es denn nicht möglich, daß ich durch Ihre Loge hinaus, fort aus diesem Narrenhaus, in's Freie kom- men könnte? Oder wenn das nicht ist -- so seyn Sie so gütig -- nur eine kleine Bitte -- Wie heißt denn das Indigo Perfektum von obstupesco, ich bin be- täubt, verwirrt, bin ein Mondskalb geworden? das
winzig kleines Spieldöschen gehabt, das ich hier, ſchaun Sie, hier in meinen hohlen Zahn legte, ich durfte nur ein wenig darauf beißen und die ganze Zauberflöte, ſag’ ich Ihnen, die ganze Oper von Wolfgang Ama- deus Mozart, ſpielte drei Stunden en suite fort. Eine Dame, die neben mir ſtand, behauptete, es wäre ja Rataplan, der kleine Tambour, was ich ſpiele — Him- mel! ſagt’ ich, ich kenne ja doch die Bären und die Affen und dieſe heil’gen Hallen! O göttlich war’s — Nein! — Aber da drüben, ich bitte Sie — — “ „Er- lauben Sie,“ unterbrach hier eine tiefe Baßſtimme die Rede des Schalks mitten im Fluß, „erlauben Sie, mein luſtiger, unbekannter Herr, daß ich endlich frage: wollen Sie mich foppen, oder wollen ſie andere ehr- liche Leute mit dieſem Unſinn foppen?“ „Ach ganz und gar nicht,“ war die Antwort, „keins von Beiden, ich bitte Tauſendmal um Vergebung — Aber was iſt denn unſerm Herrn Nachbar da zugeſtoßen? der weint ja erſchrecklich — Mit Erlaubniß, haben Sie den Wa- denkrampf?“ — In dieſem Augenblick öffnet ſich un- ſer Gitter, ein langes weinerliches Geſicht beugt ſich herein mit den erbärmlichen Worten: „Ach, liebe Herren, iſt es denn nicht möglich, daß ich durch Ihre Loge hinaus, fort aus dieſem Narrenhaus, in’s Freie kom- men könnte? Oder wenn das nicht iſt — ſo ſeyn Sie ſo gütig — nur eine kleine Bitte — Wie heißt denn das Indigo Perfektum von obstupesco, ich bin be- täubt, verwirrt, bin ein Mondskalb geworden? das
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winzig kleines Spieldöschen gehabt, das ich hier, ſchaun
Sie, hier in meinen hohlen Zahn legte, ich durfte nur
ein wenig darauf beißen und die ganze Zauberflöte,
ſag’ ich Ihnen, die ganze Oper von Wolfgang Ama-
deus Mozart, ſpielte drei Stunden en suite fort. Eine
Dame, die neben mir ſtand, behauptete, es wäre ja
Rataplan, der kleine Tambour, was ich ſpiele — Him-
mel! ſagt’ ich, ich kenne ja doch die Bären und die
Affen und dieſe heil’gen Hallen! O göttlich war’s —
Nein! — Aber da drüben, ich bitte Sie — — “ „Er-
lauben Sie,“ unterbrach hier eine tiefe Baßſtimme die
Rede des Schalks mitten im Fluß, „erlauben Sie,
mein luſtiger, unbekannter Herr, daß ich endlich frage:
wollen Sie mich foppen, oder wollen ſie andere ehr-
liche Leute mit dieſem Unſinn foppen?“ „Ach ganz und
gar nicht,“ war die Antwort, „keins von Beiden, ich
bitte Tauſendmal um Vergebung — Aber was iſt denn
unſerm Herrn Nachbar da zugeſtoßen? der weint ja
erſchrecklich — Mit Erlaubniß, haben Sie den Wa-
denkrampf?“ — In dieſem Augenblick öffnet ſich un-
ſer Gitter, ein langes weinerliches Geſicht beugt ſich
herein mit den erbärmlichen Worten: „Ach, liebe Herren,
iſt es denn nicht möglich, daß ich durch Ihre Loge
hinaus, fort aus dieſem Narrenhaus, in’s Freie kom-
men könnte? Oder wenn das nicht iſt — ſo ſeyn Sie
ſo gütig — nur eine kleine Bitte — Wie heißt denn
das Indigo Perfektum von obstupesco, ich bin be-
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/207>, abgerufen am 24.11.2024.
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