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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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Verhältnissen des Präsidenten, und erfuhr, daß der-
selbe, obgleich seit Jahr und Tag mit seiner Frau ge-
spannt, eines der angesehensten Häuser hier bilde, sich
aber als ein leidenschaftlicher Mann vor Kurzem auch
mit der Regierung entzweit habe, und bis auf Wei-
teres von seinem Amte abgetreten sey. Er wohne
selten in der Stadt und neuerdings fast einzig auf
seinen Gütern in der Nähe.

Perse, der Goldarbeiter, kam einiger Bestellun-
gen wegen, welche die Leiche betrafen. Beiläufig er-
zählte er, daß der Barbier, als mehrerer Diebstähle
verdächtig, seit heute früh im Thurme sitze. Er habe
gestern in der öffentlichen Wirthsstube sich aus Alte-
ration und Reue wegen ähnlicher an Larkens ver-
übter Schändlichkeiten selber verschwazt. Die größte
Niederträchtigkeit an dem Schauspieler habe der Tau-
genichts dadurch begangen, daß er sich von Jenem
das Stillschweigen über seinen wahren Charakter mit
schwerem Gelde habe bezahlen lassen, indem er ihm
täglich gedroht, Alles auszuplaudern. -- Theobald
fragte bei dieser Gelegenheit nach dem Büchsenmacher,
und konnte aus Perses umständlichem Berichte so
viel entnehmen, daß Larkens dem Menschen, weil
es ein gescheidter Kopf, einiges Interesse geschenkt,
das übrigens so gut als weggeworfen gewesen, da die
deutliche Absicht des Schauspielers, ihn zu corrigiren,
bloß dem Uebermuth des Burschen geschmeichelt habe,
zumal die Art, wie Larkens zu Werke gegangen, bei

Verhältniſſen des Präſidenten, und erfuhr, daß der-
ſelbe, obgleich ſeit Jahr und Tag mit ſeiner Frau ge-
ſpannt, eines der angeſehenſten Häuſer hier bilde, ſich
aber als ein leidenſchaftlicher Mann vor Kurzem auch
mit der Regierung entzweit habe, und bis auf Wei-
teres von ſeinem Amte abgetreten ſey. Er wohne
ſelten in der Stadt und neuerdings faſt einzig auf
ſeinen Gütern in der Nähe.

Perſe, der Goldarbeiter, kam einiger Beſtellun-
gen wegen, welche die Leiche betrafen. Beiläufig er-
zählte er, daß der Barbier, als mehrerer Diebſtähle
verdächtig, ſeit heute früh im Thurme ſitze. Er habe
geſtern in der öffentlichen Wirthsſtube ſich aus Alte-
ration und Reue wegen ähnlicher an Larkens ver-
übter Schändlichkeiten ſelber verſchwazt. Die größte
Niederträchtigkeit an dem Schauſpieler habe der Tau-
genichts dadurch begangen, daß er ſich von Jenem
das Stillſchweigen über ſeinen wahren Charakter mit
ſchwerem Gelde habe bezahlen laſſen, indem er ihm
täglich gedroht, Alles auszuplaudern. — Theobald
fragte bei dieſer Gelegenheit nach dem Büchſenmacher,
und konnte aus Perſes umſtändlichem Berichte ſo
viel entnehmen, daß Larkens dem Menſchen, weil
es ein geſcheidter Kopf, einiges Intereſſe geſchenkt,
das übrigens ſo gut als weggeworfen geweſen, da die
deutliche Abſicht des Schauſpielers, ihn zu corrigiren,
bloß dem Uebermuth des Burſchen geſchmeichelt habe,
zumal die Art, wie Larkens zu Werke gegangen, bei

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[516/0202] Verhältniſſen des Präſidenten, und erfuhr, daß der- ſelbe, obgleich ſeit Jahr und Tag mit ſeiner Frau ge- ſpannt, eines der angeſehenſten Häuſer hier bilde, ſich aber als ein leidenſchaftlicher Mann vor Kurzem auch mit der Regierung entzweit habe, und bis auf Wei- teres von ſeinem Amte abgetreten ſey. Er wohne ſelten in der Stadt und neuerdings faſt einzig auf ſeinen Gütern in der Nähe. Perſe, der Goldarbeiter, kam einiger Beſtellun- gen wegen, welche die Leiche betrafen. Beiläufig er- zählte er, daß der Barbier, als mehrerer Diebſtähle verdächtig, ſeit heute früh im Thurme ſitze. Er habe geſtern in der öffentlichen Wirthsſtube ſich aus Alte- ration und Reue wegen ähnlicher an Larkens ver- übter Schändlichkeiten ſelber verſchwazt. Die größte Niederträchtigkeit an dem Schauſpieler habe der Tau- genichts dadurch begangen, daß er ſich von Jenem das Stillſchweigen über ſeinen wahren Charakter mit ſchwerem Gelde habe bezahlen laſſen, indem er ihm täglich gedroht, Alles auszuplaudern. — Theobald fragte bei dieſer Gelegenheit nach dem Büchſenmacher, und konnte aus Perſes umſtändlichem Berichte ſo viel entnehmen, daß Larkens dem Menſchen, weil es ein geſcheidter Kopf, einiges Intereſſe geſchenkt, das übrigens ſo gut als weggeworfen geweſen, da die deutliche Abſicht des Schauſpielers, ihn zu corrigiren, bloß dem Uebermuth des Burſchen geſchmeichelt habe, zumal die Art, wie Larkens zu Werke gegangen, bei

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/202>, abgerufen am 02.05.2024.