Schon zu Anfang dieser heftigen Selbstanklage hatte sich sachte die Thüre geöffnet, kleinmüthig und mit stummem Gruße, einen gesiegelten Brief in der Hand, war der Büchsenmacher eingetreten, ohne daß der Maler ihn wahrgenommen hätte. Starr vor sich hin- schauend stand der Stelzfuß an der Seite des Ofens und Jederman fiel es auf, wie er bei den lezten Worten Theobalds zuweilen die buschigen Augbrau- nen finster bewegte und zornglühende Funken nach dem Manne hinüberschickte, der mitten im Jammer beinahe ehrenrührig von dem Verstorbenen und des- sen gewohnter Umgebung zu sprechen schien.
Kaum hatte Nolten geendigt, so trat der Büch- senmacher gelassen hervor mit den Worten: "Lieber Herr[,] es ist für uns Beide recht gut, daß Sie gerade selber aufhören, denn ich stand auf heißen Kohlen im Winkel dort, weil's fast aussehen konnte, als wollt' ich horchen; das ist aber meine Sache nicht, sonder- lich wenn es mein eigenes oder meiner Kameraden Lob oder Schande gilt, und davon war just eben die Rede. Ihre Worte in Ehren, Herr, Sie müssen ein genauer Freund von meinem wackern Joseph gewe- sen seyn, also sey's Ihnen zu gut gehalten. Werden späterhin wohl selbsten inne werden, daß Sie dato nicht so ganz recht berichtet sind, was für eine Be- wandtniß es mit dem Joseph und seiner Genossen- schaft habe. Ich sollte meinen, er hatte sich seiner Leute nicht eben zu schämen. Nun, das mag ruhen
Schon zu Anfang dieſer heftigen Selbſtanklage hatte ſich ſachte die Thüre geöffnet, kleinmüthig und mit ſtummem Gruße, einen geſiegelten Brief in der Hand, war der Büchſenmacher eingetreten, ohne daß der Maler ihn wahrgenommen hätte. Starr vor ſich hin- ſchauend ſtand der Stelzfuß an der Seite des Ofens und Jederman fiel es auf, wie er bei den lezten Worten Theobalds zuweilen die buſchigen Augbrau- nen finſter bewegte und zornglühende Funken nach dem Manne hinüberſchickte, der mitten im Jammer beinahe ehrenrührig von dem Verſtorbenen und deſ- ſen gewohnter Umgebung zu ſprechen ſchien.
Kaum hatte Nolten geendigt, ſo trat der Büch- ſenmacher gelaſſen hervor mit den Worten: „Lieber Herr[,] es iſt für uns Beide recht gut, daß Sie gerade ſelber aufhören, denn ich ſtand auf heißen Kohlen im Winkel dort, weil’s faſt ausſehen konnte, als wollt’ ich horchen; das iſt aber meine Sache nicht, ſonder- lich wenn es mein eigenes oder meiner Kameraden Lob oder Schande gilt, und davon war juſt eben die Rede. Ihre Worte in Ehren, Herr, Sie müſſen ein genauer Freund von meinem wackern Joſeph gewe- ſen ſeyn, alſo ſey’s Ihnen zu gut gehalten. Werden ſpäterhin wohl ſelbſten inne werden, daß Sie dato nicht ſo ganz recht berichtet ſind, was für eine Be- wandtniß es mit dem Joſeph und ſeiner Genoſſen- ſchaft habe. Ich ſollte meinen, er hatte ſich ſeiner Leute nicht eben zu ſchämen. Nun, das mag ruhen
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[504/0190]
Schon zu Anfang dieſer heftigen Selbſtanklage hatte
ſich ſachte die Thüre geöffnet, kleinmüthig und mit
ſtummem Gruße, einen geſiegelten Brief in der Hand,
war der Büchſenmacher eingetreten, ohne daß der
Maler ihn wahrgenommen hätte. Starr vor ſich hin-
ſchauend ſtand der Stelzfuß an der Seite des Ofens
und Jederman fiel es auf, wie er bei den lezten
Worten Theobalds zuweilen die buſchigen Augbrau-
nen finſter bewegte und zornglühende Funken nach
dem Manne hinüberſchickte, der mitten im Jammer
beinahe ehrenrührig von dem Verſtorbenen und deſ-
ſen gewohnter Umgebung zu ſprechen ſchien.
Kaum hatte Nolten geendigt, ſo trat der Büch-
ſenmacher gelaſſen hervor mit den Worten: „Lieber
Herr, es iſt für uns Beide recht gut, daß Sie gerade
ſelber aufhören, denn ich ſtand auf heißen Kohlen im
Winkel dort, weil’s faſt ausſehen konnte, als wollt’
ich horchen; das iſt aber meine Sache nicht, ſonder-
lich wenn es mein eigenes oder meiner Kameraden
Lob oder Schande gilt, und davon war juſt eben die
Rede. Ihre Worte in Ehren, Herr, Sie müſſen ein
genauer Freund von meinem wackern Joſeph gewe-
ſen ſeyn, alſo ſey’s Ihnen zu gut gehalten. Werden
ſpäterhin wohl ſelbſten inne werden, daß Sie dato
nicht ſo ganz recht berichtet ſind, was für eine Be-
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ſchaft habe. Ich ſollte meinen, er hatte ſich ſeiner
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/190>, abgerufen am 23.11.2024.
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