gelten, aber ich bin bald Vierzig; nur in diesem köst- lichen Oel, ich meine diesen goldnen Trank aus Malz und Hopfen, find' ich ein kleines Surrogat für" --
"Spaß bei Seit'!" rief Perse ihn unterbrechend, "ich kann mir überhaupt nicht denken, Lörmer, wie dir's nur eine Stunde wohl seyn mag bei dem un- nützen Leben, das du in den zwei Monaten führst, seit du Hamburg verlassen hast. Bei Gott, ich wollt' dich schon mehrmals auf dieß Kapitel bringen und dir zureden, denn mich dauert's in der Seele, wenn sie davon erzählen, wie du ein geschickter Arbeiter gewe- sen, wie du Grütz und Gaben hättest, dich den ersten Meistern in deinem Fache gleichzustellen und dein Glück zu machen auf Zeitlebens -- und nun! sich hier auf die faule Haut legen, höchstens um Taglohn für Hun- gersterben da und dort ein Stück Arbeit annehmen in einer fremden Werkstatt und dich schlecht bezahlen lassen für gute Waare, wie sie dem Geübtesten nicht aus der Hand geht! Heißt das aber nicht gesündigt an dir selber? ist das nicht himmelschreiend?"
Der Angeredete schaute verwundert auf über diese unerwartete Lektion und lauerte einigermaßen beschämt nach Joseph hinüber, als wollte er dessen Gedanken belauschen: aber dieser traf ihn mit einem finstern, bedeutungsvollen Blick, wobei sich die Uebrigen aller- lei zu denken schienen.
"Was?" nahm Perse wieder das Wort, "will dem Kerl Niemand die Wahrheit sagen? hat Keiner
gelten, aber ich bin bald Vierzig; nur in dieſem köſt- lichen Oel, ich meine dieſen goldnen Trank aus Malz und Hopfen, find’ ich ein kleines Surrogat für“ —
„Spaß bei Seit’!“ rief Perſe ihn unterbrechend, „ich kann mir überhaupt nicht denken, Lörmer, wie dir’s nur eine Stunde wohl ſeyn mag bei dem un- nützen Leben, das du in den zwei Monaten führſt, ſeit du Hamburg verlaſſen haſt. Bei Gott, ich wollt’ dich ſchon mehrmals auf dieß Kapitel bringen und dir zureden, denn mich dauert’s in der Seele, wenn ſie davon erzählen, wie du ein geſchickter Arbeiter gewe- ſen, wie du Grütz und Gaben hätteſt, dich den erſten Meiſtern in deinem Fache gleichzuſtellen und dein Glück zu machen auf Zeitlebens — und nun! ſich hier auf die faule Haut legen, höchſtens um Taglohn für Hun- gerſterben da und dort ein Stück Arbeit annehmen in einer fremden Werkſtatt und dich ſchlecht bezahlen laſſen für gute Waare, wie ſie dem Geübteſten nicht aus der Hand geht! Heißt das aber nicht geſündigt an dir ſelber? iſt das nicht himmelſchreiend?“
Der Angeredete ſchaute verwundert auf über dieſe unerwartete Lektion und lauerte einigermaßen beſchämt nach Joſeph hinüber, als wollte er deſſen Gedanken belauſchen: aber dieſer traf ihn mit einem finſtern, bedeutungsvollen Blick, wobei ſich die Uebrigen aller- lei zu denken ſchienen.
„Was?“ nahm Perſe wieder das Wort, „will dem Kerl Niemand die Wahrheit ſagen? hat Keiner
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0171"n="485"/>
gelten, aber ich bin bald Vierzig; nur in dieſem köſt-<lb/>
lichen Oel, ich meine dieſen goldnen Trank aus Malz<lb/>
und Hopfen, find’ ich ein kleines Surrogat für“—</p><lb/><p>„Spaß bei Seit’!“ rief <hirendition="#g">Perſe</hi> ihn unterbrechend,<lb/>„ich kann mir überhaupt nicht denken, <hirendition="#g">Lörmer</hi>, wie<lb/>
dir’s nur eine Stunde wohl ſeyn mag bei dem un-<lb/>
nützen Leben, das du in den zwei Monaten führſt,<lb/>ſeit du Hamburg verlaſſen haſt. Bei Gott, ich wollt’<lb/>
dich ſchon mehrmals auf dieß Kapitel bringen und dir<lb/>
zureden, denn mich dauert’s in der Seele, wenn ſie<lb/>
davon erzählen, wie du ein geſchickter Arbeiter gewe-<lb/>ſen, wie du Grütz und Gaben hätteſt, dich den erſten<lb/>
Meiſtern in deinem Fache gleichzuſtellen und dein Glück<lb/>
zu machen auf Zeitlebens — und nun! ſich hier auf<lb/>
die faule Haut legen, höchſtens um Taglohn für Hun-<lb/>
gerſterben da und dort ein Stück Arbeit annehmen in<lb/>
einer fremden Werkſtatt und dich ſchlecht bezahlen laſſen<lb/>
für gute Waare, wie ſie dem Geübteſten nicht aus<lb/>
der Hand geht! Heißt das aber nicht geſündigt an<lb/>
dir ſelber? iſt das nicht himmelſchreiend?“</p><lb/><p>Der Angeredete ſchaute verwundert auf über dieſe<lb/>
unerwartete Lektion und lauerte einigermaßen beſchämt<lb/>
nach <hirendition="#g">Joſeph</hi> hinüber, als wollte er deſſen Gedanken<lb/>
belauſchen: aber dieſer traf ihn mit einem finſtern,<lb/>
bedeutungsvollen Blick, wobei ſich die Uebrigen aller-<lb/>
lei zu denken ſchienen.</p><lb/><p>„Was?“ nahm <hirendition="#g">Perſe</hi> wieder das Wort, „will<lb/>
dem Kerl Niemand die Wahrheit ſagen? hat Keiner<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[485/0171]
gelten, aber ich bin bald Vierzig; nur in dieſem köſt-
lichen Oel, ich meine dieſen goldnen Trank aus Malz
und Hopfen, find’ ich ein kleines Surrogat für“ —
„Spaß bei Seit’!“ rief Perſe ihn unterbrechend,
„ich kann mir überhaupt nicht denken, Lörmer, wie
dir’s nur eine Stunde wohl ſeyn mag bei dem un-
nützen Leben, das du in den zwei Monaten führſt,
ſeit du Hamburg verlaſſen haſt. Bei Gott, ich wollt’
dich ſchon mehrmals auf dieß Kapitel bringen und dir
zureden, denn mich dauert’s in der Seele, wenn ſie
davon erzählen, wie du ein geſchickter Arbeiter gewe-
ſen, wie du Grütz und Gaben hätteſt, dich den erſten
Meiſtern in deinem Fache gleichzuſtellen und dein Glück
zu machen auf Zeitlebens — und nun! ſich hier auf
die faule Haut legen, höchſtens um Taglohn für Hun-
gerſterben da und dort ein Stück Arbeit annehmen in
einer fremden Werkſtatt und dich ſchlecht bezahlen laſſen
für gute Waare, wie ſie dem Geübteſten nicht aus
der Hand geht! Heißt das aber nicht geſündigt an
dir ſelber? iſt das nicht himmelſchreiend?“
Der Angeredete ſchaute verwundert auf über dieſe
unerwartete Lektion und lauerte einigermaßen beſchämt
nach Joſeph hinüber, als wollte er deſſen Gedanken
belauſchen: aber dieſer traf ihn mit einem finſtern,
bedeutungsvollen Blick, wobei ſich die Uebrigen aller-
lei zu denken ſchienen.
„Was?“ nahm Perſe wieder das Wort, „will
dem Kerl Niemand die Wahrheit ſagen? hat Keiner
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/171>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.