nur daß dieß immer auf eine feinere Weise geschah, und ohne sich das Geringste zu vergeben. Alle be- trachteten ihn mit auffallender Distinktion, ja mit einer gewissen Scheu, obgleich er nur Joseph, der Tisch- ler, hieß. Ihm gegenüber hatte ein jüngerer Geselle, Namens Perse, ein Goldarbeiter, sein Glas stehen. Es war der Einzige, mit dem Joseph auch außer- halb dem Wirthshaus einigen Umgang pflegen mochte. Von den Uebrigen wüßten wir nichts weiter zu sagen, als daß es aufgeweckte Leute und ehrbare Handwerker waren.
"Mir fehlt heut' etwas," sagte der Büchsenmacher, "ich weiß nicht was. Ich hab' das Licht nun schon Viermal hintereinander gepuzt, in der Meinung, der- weil ein frisches Trumm in meinem Kopf zu finden, denn euer einerlei Geschwätz da von Meistern, Kun- den, Herrschaften ist mir ganz und gar zum Ekel; ich weiß von diesem Quark lange nichts mehr und will vor der Hand auch nichts davon hören. Die Lichtputze noch einmal! und jezt was Neues, ihr Herrn! Mir schnurrt eine Grille im Oberhaus. Es wäre nicht übel, der Mensch hätte für seinen Kopf, wenn der Docht zu lang wird, auch so eine Gattung In- strumente oder Vorrichtung am Ohr, um sich wieder einen frischen Gedankenansatz zu geben. Zwar hat man mir schon in der Schule versichert, daß seit Erfindung der Ohrfeigen in diesem Punkte nichts mehr zu wün- schen übrig sey; das mag vielleicht für junge Köpfe
nur daß dieß immer auf eine feinere Weiſe geſchah, und ohne ſich das Geringſte zu vergeben. Alle be- trachteten ihn mit auffallender Diſtinktion, ja mit einer gewiſſen Scheu, obgleich er nur Joſeph, der Tiſch- ler, hieß. Ihm gegenüber hatte ein jüngerer Geſelle, Namens Perſe, ein Goldarbeiter, ſein Glas ſtehen. Es war der Einzige, mit dem Joſeph auch außer- halb dem Wirthshaus einigen Umgang pflegen mochte. Von den Uebrigen wüßten wir nichts weiter zu ſagen, als daß es aufgeweckte Leute und ehrbare Handwerker waren.
„Mir fehlt heut’ etwas,“ ſagte der Büchſenmacher, „ich weiß nicht was. Ich hab’ das Licht nun ſchon Viermal hintereinander gepuzt, in der Meinung, der- weil ein friſches Trumm in meinem Kopf zu finden, denn euer einerlei Geſchwätz da von Meiſtern, Kun- den, Herrſchaften iſt mir ganz und gar zum Ekel; ich weiß von dieſem Quark lange nichts mehr und will vor der Hand auch nichts davon hören. Die Lichtputze noch einmal! und jezt was Neues, ihr Herrn! Mir ſchnurrt eine Grille im Oberhaus. Es wäre nicht übel, der Menſch hätte für ſeinen Kopf, wenn der Docht zu lang wird, auch ſo eine Gattung In- ſtrumente oder Vorrichtung am Ohr, um ſich wieder einen friſchen Gedankenanſatz zu geben. Zwar hat man mir ſchon in der Schule verſichert, daß ſeit Erfindung der Ohrfeigen in dieſem Punkte nichts mehr zu wün- ſchen übrig ſey; das mag vielleicht für junge Köpfe
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nur daß dieß immer auf eine feinere Weiſe geſchah,
und ohne ſich das Geringſte zu vergeben. Alle be-
trachteten ihn mit auffallender Diſtinktion, ja mit einer
gewiſſen Scheu, obgleich er nur Joſeph, der Tiſch-
ler, hieß. Ihm gegenüber hatte ein jüngerer Geſelle,
Namens Perſe, ein Goldarbeiter, ſein Glas ſtehen.
Es war der Einzige, mit dem Joſeph auch außer-
halb dem Wirthshaus einigen Umgang pflegen mochte.
Von den Uebrigen wüßten wir nichts weiter zu ſagen,
als daß es aufgeweckte Leute und ehrbare Handwerker
waren.
„Mir fehlt heut’ etwas,“ ſagte der Büchſenmacher,
„ich weiß nicht was. Ich hab’ das Licht nun ſchon
Viermal hintereinander gepuzt, in der Meinung, der-
weil ein friſches Trumm in meinem Kopf zu finden,
denn euer einerlei Geſchwätz da von Meiſtern, Kun-
den, Herrſchaften iſt mir ganz und gar zum Ekel;
ich weiß von dieſem Quark lange nichts mehr und
will vor der Hand auch nichts davon hören. Die
Lichtputze noch einmal! und jezt was Neues, ihr Herrn!
Mir ſchnurrt eine Grille im Oberhaus. Es wäre
nicht übel, der Menſch hätte für ſeinen Kopf, wenn
der Docht zu lang wird, auch ſo eine Gattung In-
ſtrumente oder Vorrichtung am Ohr, um ſich wieder
einen friſchen Gedankenanſatz zu geben. Zwar hat man
mir ſchon in der Schule verſichert, daß ſeit Erfindung
der Ohrfeigen in dieſem Punkte nichts mehr zu wün-
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/170>, abgerufen am 25.11.2024.
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