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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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Schon eine Zeitlang hatte Raymund von Ferne
ein Fuhrwerk zu hören geglaubt; es kam jezt näher
und eine Laterne lief mit. Es war der Wagen des
Barons. Der Herr Förster schicke ihn entgegen,
sagte der Knecht mit einem Tone, der eine schlimme
Nachricht fürchten ließ. Der gnädige Herr, hieß es,
sey schnell dahingefallen, von einem Nervenschlag spreche
der Arzt, vor zwei Stunden habe man ihm auf das
Ende gewartet, sie möchten eilen, um ihn noch am
Leben zu sehn. Welche Bestürzung! welche Verwand-
lung der frohen Gemüther! Schnell wurden die Wa-
gen gewechselt, der eine fuhr zurück, der andre eilte
Neuburg zu.

Der Baron erkannte bereits den Maler nicht
mehr, er lag wie schlummernd mit hastigem Athem.
Theobald kam nicht von seinem Bette, er und die
einzige Schwester des Sterbenden, eine achtungs-
würdige Matrone, und ein alter Kammerdiener wa-
ren zugegen, als der verehrte Greis gegen Morgen
verschied.


So hatte Nolten einen andern Vater, es hatte
der Förster den würdigsten Freund verloren; ja die-
ser durch und durch erschütterte Mann, da ihm zu-
gleich ein neues Glück in seinen Kindern tröstlich auf-
gegangen war, gewann doch seinem ersten Schmerz-
gefühl kaum so viel ab, als billig schien, um, wie es

Schon eine Zeitlang hatte Raymund von Ferne
ein Fuhrwerk zu hören geglaubt; es kam jezt näher
und eine Laterne lief mit. Es war der Wagen des
Barons. Der Herr Förſter ſchicke ihn entgegen,
ſagte der Knecht mit einem Tone, der eine ſchlimme
Nachricht fürchten ließ. Der gnädige Herr, hieß es,
ſey ſchnell dahingefallen, von einem Nervenſchlag ſpreche
der Arzt, vor zwei Stunden habe man ihm auf das
Ende gewartet, ſie möchten eilen, um ihn noch am
Leben zu ſehn. Welche Beſtürzung! welche Verwand-
lung der frohen Gemüther! Schnell wurden die Wa-
gen gewechſelt, der eine fuhr zurück, der andre eilte
Neuburg zu.

Der Baron erkannte bereits den Maler nicht
mehr, er lag wie ſchlummernd mit haſtigem Athem.
Theobald kam nicht von ſeinem Bette, er und die
einzige Schweſter des Sterbenden, eine achtungs-
würdige Matrone, und ein alter Kammerdiener wa-
ren zugegen, als der verehrte Greis gegen Morgen
verſchied.


So hatte Nolten einen andern Vater, es hatte
der Förſter den würdigſten Freund verloren; ja die-
ſer durch und durch erſchütterte Mann, da ihm zu-
gleich ein neues Glück in ſeinen Kindern tröſtlich auf-
gegangen war, gewann doch ſeinem erſten Schmerz-
gefühl kaum ſo viel ab, als billig ſchien, um, wie es

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[467/0153] Schon eine Zeitlang hatte Raymund von Ferne ein Fuhrwerk zu hören geglaubt; es kam jezt näher und eine Laterne lief mit. Es war der Wagen des Barons. Der Herr Förſter ſchicke ihn entgegen, ſagte der Knecht mit einem Tone, der eine ſchlimme Nachricht fürchten ließ. Der gnädige Herr, hieß es, ſey ſchnell dahingefallen, von einem Nervenſchlag ſpreche der Arzt, vor zwei Stunden habe man ihm auf das Ende gewartet, ſie möchten eilen, um ihn noch am Leben zu ſehn. Welche Beſtürzung! welche Verwand- lung der frohen Gemüther! Schnell wurden die Wa- gen gewechſelt, der eine fuhr zurück, der andre eilte Neuburg zu. Der Baron erkannte bereits den Maler nicht mehr, er lag wie ſchlummernd mit haſtigem Athem. Theobald kam nicht von ſeinem Bette, er und die einzige Schweſter des Sterbenden, eine achtungs- würdige Matrone, und ein alter Kammerdiener wa- ren zugegen, als der verehrte Greis gegen Morgen verſchied. So hatte Nolten einen andern Vater, es hatte der Förſter den würdigſten Freund verloren; ja die- ſer durch und durch erſchütterte Mann, da ihm zu- gleich ein neues Glück in ſeinen Kindern tröſtlich auf- gegangen war, gewann doch ſeinem erſten Schmerz- gefühl kaum ſo viel ab, als billig ſchien, um, wie es

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/153>, abgerufen am 04.05.2024.