immerhin war es drei Stunden dahin. Die Jugend, nämlich unser Paar, ein Sohn und zwei Töchter des Pastors, welche man trotz einigen Einwendungen Noltens zulezt auf Agnesens beharrliche Vorstel- lungen hinzu bitten müssen, diese wollten zu Fuße gehn; die eine Partie sollte Morgens bei guter Ta- geszeit sich auf den Weg machen, die Fahrenden erst nach Tische. Leider aber war der Baron indessen bedeutend unpaß geworden, er mußte, was in langer Zeit nicht erhört worden, das Bett hüten, die Reise hatte ihm zugesezt, wie er nun selber eingestand. Also beschloß auch der Förster zurückzubleiben, dem verehr- ten Freunde zur Gesellschaft.
So wanderte denn der kleine Zug und gelangte bald aus dem Thälchen auf die fruchtbare höher ge- legene Ebene, die sich abermals um ein Weniges senkte, wo ihnen denn der reinliche, etwas steil heraufgebaute Ort entgegensah. Lange zuvor hatte man den Hügel vor sich, der, unter dem Namen Geigenspiel bekannt, an seinem Fuße unbedeutend anzusehn, oben mit ei- ner außerordentlichen Aussicht überrascht.
"Schön! schön! das heis' ich doch die Stunde eingehalten!" rief der Pfarrer, der sie hatte kommen sehen und bis an die nächsten Aecker entgegengegan- gen war. "Seht da, mein Dachs will den Gruß vor mir wegschnappen! Der Narre kennt dich noch von vier Jahren her: aber sein Herr fürwahr hätte dich bald nicht wieder erkannt -- Komm an mein Herz,
immerhin war es drei Stunden dahin. Die Jugend, nämlich unſer Paar, ein Sohn und zwei Töchter des Paſtors, welche man trotz einigen Einwendungen Noltens zulezt auf Agneſens beharrliche Vorſtel- lungen hinzu bitten müſſen, dieſe wollten zu Fuße gehn; die eine Partie ſollte Morgens bei guter Ta- geszeit ſich auf den Weg machen, die Fahrenden erſt nach Tiſche. Leider aber war der Baron indeſſen bedeutend unpaß geworden, er mußte, was in langer Zeit nicht erhört worden, das Bett hüten, die Reiſe hatte ihm zugeſezt, wie er nun ſelber eingeſtand. Alſo beſchloß auch der Förſter zurückzubleiben, dem verehr- ten Freunde zur Geſellſchaft.
So wanderte denn der kleine Zug und gelangte bald aus dem Thälchen auf die fruchtbare höher ge- legene Ebene, die ſich abermals um ein Weniges ſenkte, wo ihnen denn der reinliche, etwas ſteil heraufgebaute Ort entgegenſah. Lange zuvor hatte man den Hügel vor ſich, der, unter dem Namen Geigenſpiel bekannt, an ſeinem Fuße unbedeutend anzuſehn, oben mit ei- ner außerordentlichen Ausſicht überraſcht.
„Schön! ſchön! das heiſ’ ich doch die Stunde eingehalten!“ rief der Pfarrer, der ſie hatte kommen ſehen und bis an die nächſten Aecker entgegengegan- gen war. „Seht da, mein Dachs will den Gruß vor mir wegſchnappen! Der Narre kennt dich noch von vier Jahren her: aber ſein Herr fürwahr hätte dich bald nicht wieder erkannt — Komm an mein Herz,
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immerhin war es drei Stunden dahin. Die Jugend,
nämlich unſer Paar, ein Sohn und zwei Töchter des
Paſtors, welche man trotz einigen Einwendungen
Noltens zulezt auf Agneſens beharrliche Vorſtel-
lungen hinzu bitten müſſen, dieſe wollten zu Fuße
gehn; die eine Partie ſollte Morgens bei guter Ta-
geszeit ſich auf den Weg machen, die Fahrenden erſt
nach Tiſche. Leider aber war der Baron indeſſen
bedeutend unpaß geworden, er mußte, was in langer
Zeit nicht erhört worden, das Bett hüten, die Reiſe
hatte ihm zugeſezt, wie er nun ſelber eingeſtand. Alſo
beſchloß auch der Förſter zurückzubleiben, dem verehr-
ten Freunde zur Geſellſchaft.
So wanderte denn der kleine Zug und gelangte
bald aus dem Thälchen auf die fruchtbare höher ge-
legene Ebene, die ſich abermals um ein Weniges ſenkte,
wo ihnen denn der reinliche, etwas ſteil heraufgebaute
Ort entgegenſah. Lange zuvor hatte man den Hügel
vor ſich, der, unter dem Namen Geigenſpiel bekannt,
an ſeinem Fuße unbedeutend anzuſehn, oben mit ei-
ner außerordentlichen Ausſicht überraſcht.
„Schön! ſchön! das heiſ’ ich doch die Stunde
eingehalten!“ rief der Pfarrer, der ſie hatte kommen
ſehen und bis an die nächſten Aecker entgegengegan-
gen war. „Seht da, mein Dachs will den Gruß vor
mir wegſchnappen! Der Narre kennt dich noch von
vier Jahren her: aber ſein Herr fürwahr hätte dich
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/121>, abgerufen am 16.02.2025.
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