Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

wäre, daß ich so gar Nichts von den hübschen Kün-
sten verstehe, die dir so werth und wichtig sind, nicht
auch ein Bischen von Musik oder eine Blume hübsch
zu malen oder dergleichen, was wohl andre Mädchen
können. Du sagtest: das vermissest du an deiner
Braut gar nicht. Ich glaubt's auch, wie ich dir denn
Alles glaube, und dankte dir im Herzen für deine
Liebe. Weiter sagtest du dann: die paar Jägerlieder-
chen, die ich zuweilen sänge, die wären dir lieber als
Alles. Zwei Tage darauf kamen wir nach Tisch in's
Pfarrhaus zu Besuch. Die älteste Tochter spielte den
Flügel, und so schön, daß wir uns kaum satt hörten,
du besonders. Aber Eins hat mich damals verdros-
sen, an der jüngern, an Augusten. Du mußt dich
erinnern. Lisette war kaum aufgestanden vom Kla-
vier, so fordert die Schwester mich auf, meine Stimme
auch hören zu lassen; ich ahnte nichts Unfeins von
dem Mädchen und fing das nächste Beste an. Aber
auf Einmal werd ich befangen und roth, denn Au-
guste
hält sich ein Notenpapier vor den Mund, ihr
Lachen zu verbergen; der Ton zitterte mir in der
Kehle, und wie ich mich wenigstens zum lezten Verse
noch ermannen will, guckt Auguste spottend durch
die Rolle wie durch ein Fernrohr auf mich, daß ich
vollends konfus ward und mit kleiner Stimme kaum
noch zum Ende schwankte. Indeß ihr Andern weiter
spieltet und sangt, hatt' ich am Fenster genug zu thun
und zu wischen mit Weinen. Später, du warst schon

wäre, daß ich ſo gar Nichts von den hübſchen Kün-
ſten verſtehe, die dir ſo werth und wichtig ſind, nicht
auch ein Bischen von Muſik oder eine Blume hübſch
zu malen oder dergleichen, was wohl andre Mädchen
können. Du ſagteſt: das vermiſſeſt du an deiner
Braut gar nicht. Ich glaubt’s auch, wie ich dir denn
Alles glaube, und dankte dir im Herzen für deine
Liebe. Weiter ſagteſt du dann: die paar Jägerlieder-
chen, die ich zuweilen ſänge, die wären dir lieber als
Alles. Zwei Tage darauf kamen wir nach Tiſch in’s
Pfarrhaus zu Beſuch. Die älteſte Tochter ſpielte den
Flügel, und ſo ſchön, daß wir uns kaum ſatt hörten,
du beſonders. Aber Eins hat mich damals verdroſ-
ſen, an der jüngern, an Auguſten. Du mußt dich
erinnern. Liſette war kaum aufgeſtanden vom Kla-
vier, ſo fordert die Schweſter mich auf, meine Stimme
auch hören zu laſſen; ich ahnte nichts Unfeins von
dem Mädchen und fing das nächſte Beſte an. Aber
auf Einmal werd ich befangen und roth, denn Au-
guſte
hält ſich ein Notenpapier vor den Mund, ihr
Lachen zu verbergen; der Ton zitterte mir in der
Kehle, und wie ich mich wenigſtens zum lezten Verſe
noch ermannen will, guckt Auguſte ſpottend durch
die Rolle wie durch ein Fernrohr auf mich, daß ich
vollends konfus ward und mit kleiner Stimme kaum
noch zum Ende ſchwankte. Indeß ihr Andern weiter
ſpieltet und ſangt, hatt’ ich am Fenſter genug zu thun
und zu wiſchen mit Weinen. Später, du warſt ſchon

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0116" n="430"/>
wäre, daß ich &#x017F;o gar Nichts von den hüb&#x017F;chen Kün-<lb/>
&#x017F;ten ver&#x017F;tehe, die dir &#x017F;o werth und wichtig &#x017F;ind, nicht<lb/>
auch ein Bischen von Mu&#x017F;ik oder eine Blume hüb&#x017F;ch<lb/>
zu malen oder dergleichen, was wohl andre Mädchen<lb/>
können. Du &#x017F;agte&#x017F;t: das vermi&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t du an deiner<lb/>
Braut gar nicht. Ich glaubt&#x2019;s auch, wie ich dir denn<lb/>
Alles glaube, und dankte dir im Herzen für deine<lb/>
Liebe. Weiter &#x017F;agte&#x017F;t du dann: die paar Jägerlieder-<lb/>
chen, die ich zuweilen &#x017F;änge, die wären dir lieber als<lb/>
Alles. Zwei Tage darauf kamen wir nach Ti&#x017F;ch in&#x2019;s<lb/>
Pfarrhaus zu Be&#x017F;uch. Die älte&#x017F;te Tochter &#x017F;pielte den<lb/>
Flügel, und &#x017F;o &#x017F;chön, daß wir uns kaum &#x017F;att hörten,<lb/>
du be&#x017F;onders. Aber Eins hat mich damals verdro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, an der jüngern, an <hi rendition="#g">Augu&#x017F;ten</hi>. Du mußt dich<lb/>
erinnern. <hi rendition="#g">Li&#x017F;ette</hi> war kaum aufge&#x017F;tanden vom Kla-<lb/>
vier, &#x017F;o fordert die Schwe&#x017F;ter mich auf, meine Stimme<lb/>
auch hören zu la&#x017F;&#x017F;en; ich ahnte nichts Unfeins von<lb/>
dem Mädchen und fing das näch&#x017F;te Be&#x017F;te an. Aber<lb/>
auf Einmal werd ich befangen und roth, denn <hi rendition="#g">Au-<lb/>
gu&#x017F;te</hi> hält &#x017F;ich ein Notenpapier vor den Mund, ihr<lb/>
Lachen zu verbergen; der Ton zitterte mir in der<lb/>
Kehle, und wie ich mich wenig&#x017F;tens zum lezten Ver&#x017F;e<lb/>
noch ermannen will, guckt <hi rendition="#g">Augu&#x017F;te</hi> &#x017F;pottend durch<lb/>
die Rolle wie durch ein Fernrohr auf mich, daß ich<lb/>
vollends konfus ward und mit kleiner Stimme kaum<lb/>
noch zum Ende &#x017F;chwankte. Indeß ihr Andern weiter<lb/>
&#x017F;pieltet und &#x017F;angt, hatt&#x2019; ich am Fen&#x017F;ter genug zu thun<lb/>
und zu wi&#x017F;chen mit Weinen. Später, du war&#x017F;t &#x017F;chon<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[430/0116] wäre, daß ich ſo gar Nichts von den hübſchen Kün- ſten verſtehe, die dir ſo werth und wichtig ſind, nicht auch ein Bischen von Muſik oder eine Blume hübſch zu malen oder dergleichen, was wohl andre Mädchen können. Du ſagteſt: das vermiſſeſt du an deiner Braut gar nicht. Ich glaubt’s auch, wie ich dir denn Alles glaube, und dankte dir im Herzen für deine Liebe. Weiter ſagteſt du dann: die paar Jägerlieder- chen, die ich zuweilen ſänge, die wären dir lieber als Alles. Zwei Tage darauf kamen wir nach Tiſch in’s Pfarrhaus zu Beſuch. Die älteſte Tochter ſpielte den Flügel, und ſo ſchön, daß wir uns kaum ſatt hörten, du beſonders. Aber Eins hat mich damals verdroſ- ſen, an der jüngern, an Auguſten. Du mußt dich erinnern. Liſette war kaum aufgeſtanden vom Kla- vier, ſo fordert die Schweſter mich auf, meine Stimme auch hören zu laſſen; ich ahnte nichts Unfeins von dem Mädchen und fing das nächſte Beſte an. Aber auf Einmal werd ich befangen und roth, denn Au- guſte hält ſich ein Notenpapier vor den Mund, ihr Lachen zu verbergen; der Ton zitterte mir in der Kehle, und wie ich mich wenigſtens zum lezten Verſe noch ermannen will, guckt Auguſte ſpottend durch die Rolle wie durch ein Fernrohr auf mich, daß ich vollends konfus ward und mit kleiner Stimme kaum noch zum Ende ſchwankte. Indeß ihr Andern weiter ſpieltet und ſangt, hatt’ ich am Fenſter genug zu thun und zu wiſchen mit Weinen. Später, du warſt ſchon

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/116
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/116>, abgerufen am 22.11.2024.