Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

das Mittel eingab, dem guten Kinde deinen Wankel-
muth zu verbergen, ihm durch eine leichte Täuschung
allen Schmerz, alle Angst zu ersparen, und, wenig-
stens so lange sich noch Heilung für den Verblendeten
hoffen läßt, das holde Geschöpf im schönen Traum
seiner Liebe zu lassen. Aus einem Verhältnisse zu
der Gräfin kann offenbar nichts werden, tausend Um-
stände sind dagegen; Constanze selber, wie ich sie
kenne, hat nicht den entfernten Gedanken an so et-
was, kann ihn gar nicht haben. Theobald wird
müssen seiner Leidenschaft entsagen lernen, ich seh'
Alles voraus, es wird tief bei ihm einschneiden, --
schad't nichts, das soll mir ihn zu sich selbst bringen,
soll mir ihn weich machen für Agnes; er wird dem
Himmel danken, wenn ihm das weggeworfene Kleinod
erhalten blieb. Für jezt wär's Unsinn, ihm die Gräfin
gewaltsam vom Herzen reißen zu wollen; ich hoffe,
es ist nur ein Uebergang, und ich müßt' ihn schlecht
kennen, oder es kann ihm in die Länge selbst nicht
schmecken. Auf jeden Fall läßt er mich ja an Allem
Theil nehmen, was etwa mit ihm und Constanzen
vorgeht, und Larkens ist bei der Hand, wenn Feuer
im Dach auskommen sollte; überdieß will ich meinen
Leuten so genau aufpassen, daß mir nichts in die
Quere laufen soll. Das Erste ist nun, ich muß wis-
sen, was an dem Mährchen mit Agnes ist; gewiß
irgend eine verläumderische Teufelei, und mein vor-
trefflichster Nolten hat in der blinden Hitze einmal

das Mittel eingab, dem guten Kinde deinen Wankel-
muth zu verbergen, ihm durch eine leichte Täuſchung
allen Schmerz, alle Angſt zu erſparen, und, wenig-
ſtens ſo lange ſich noch Heilung für den Verblendeten
hoffen läßt, das holde Geſchöpf im ſchönen Traum
ſeiner Liebe zu laſſen. Aus einem Verhältniſſe zu
der Gräfin kann offenbar nichts werden, tauſend Um-
ſtände ſind dagegen; Conſtanze ſelber, wie ich ſie
kenne, hat nicht den entfernten Gedanken an ſo et-
was, kann ihn gar nicht haben. Theobald wird
müſſen ſeiner Leidenſchaft entſagen lernen, ich ſeh’
Alles voraus, es wird tief bei ihm einſchneiden, —
ſchad’t nichts, das ſoll mir ihn zu ſich ſelbſt bringen,
ſoll mir ihn weich machen für Agnes; er wird dem
Himmel danken, wenn ihm das weggeworfene Kleinod
erhalten blieb. Für jezt wär’s Unſinn, ihm die Gräfin
gewaltſam vom Herzen reißen zu wollen; ich hoffe,
es iſt nur ein Uebergang, und ich müßt’ ihn ſchlecht
kennen, oder es kann ihm in die Länge ſelbſt nicht
ſchmecken. Auf jeden Fall läßt er mich ja an Allem
Theil nehmen, was etwa mit ihm und Conſtanzen
vorgeht, und Larkens iſt bei der Hand, wenn Feuer
im Dach auskommen ſollte; überdieß will ich meinen
Leuten ſo genau aufpaſſen, daß mir nichts in die
Quere laufen ſoll. Das Erſte iſt nun, ich muß wiſ-
ſen, was an dem Mährchen mit Agnes iſt; gewiß
irgend eine verläumderiſche Teufelei, und mein vor-
trefflichſter Nolten hat in der blinden Hitze einmal

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0070" n="62"/>
das Mittel eingab, dem guten Kinde deinen Wankel-<lb/>
muth zu verbergen, ihm durch eine leichte Täu&#x017F;chung<lb/>
allen Schmerz, alle Ang&#x017F;t zu er&#x017F;paren, und, wenig-<lb/>
&#x017F;tens &#x017F;o lange &#x017F;ich noch Heilung für den Verblendeten<lb/>
hoffen läßt, das holde Ge&#x017F;chöpf im &#x017F;chönen Traum<lb/>
&#x017F;einer Liebe zu la&#x017F;&#x017F;en. Aus einem Verhältni&#x017F;&#x017F;e zu<lb/>
der Gräfin kann offenbar nichts werden, tau&#x017F;end Um-<lb/>
&#x017F;tände &#x017F;ind dagegen; <hi rendition="#g">Con&#x017F;tanze</hi> &#x017F;elber, wie ich &#x017F;ie<lb/>
kenne, hat nicht den entfernten Gedanken an &#x017F;o et-<lb/>
was, kann ihn gar nicht haben. <hi rendition="#g">Theobald</hi> wird<lb/>&#x017F;&#x017F;en &#x017F;einer Leiden&#x017F;chaft ent&#x017F;agen lernen, ich &#x017F;eh&#x2019;<lb/>
Alles voraus, es wird tief bei ihm ein&#x017F;chneiden, &#x2014;<lb/>
&#x017F;chad&#x2019;t nichts, das &#x017F;oll mir ihn zu &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t bringen,<lb/>
&#x017F;oll mir ihn weich machen für <hi rendition="#g">Agnes</hi>; er wird dem<lb/>
Himmel danken, wenn ihm das weggeworfene Kleinod<lb/>
erhalten blieb. Für jezt wär&#x2019;s Un&#x017F;inn, ihm die Gräfin<lb/>
gewalt&#x017F;am vom Herzen reißen zu wollen; ich hoffe,<lb/>
es i&#x017F;t nur ein Uebergang, und ich müßt&#x2019; ihn &#x017F;chlecht<lb/>
kennen, oder es kann ihm in die Länge &#x017F;elb&#x017F;t nicht<lb/>
&#x017F;chmecken. Auf jeden Fall läßt er mich ja an Allem<lb/>
Theil nehmen, was etwa mit ihm und <hi rendition="#g">Con&#x017F;tanzen</hi><lb/>
vorgeht, und <hi rendition="#g">Larkens</hi> i&#x017F;t bei der Hand, wenn Feuer<lb/>
im Dach auskommen &#x017F;ollte; überdieß will ich meinen<lb/>
Leuten &#x017F;o genau aufpa&#x017F;&#x017F;en, daß mir nichts in die<lb/>
Quere laufen &#x017F;oll. Das Er&#x017F;te i&#x017F;t nun, ich muß wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, was an dem Mährchen mit <hi rendition="#g">Agnes</hi> i&#x017F;t; gewiß<lb/>
irgend eine verläumderi&#x017F;che Teufelei, und mein vor-<lb/>
trefflich&#x017F;ter <hi rendition="#g">Nolten</hi> hat in der blinden Hitze einmal<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0070] das Mittel eingab, dem guten Kinde deinen Wankel- muth zu verbergen, ihm durch eine leichte Täuſchung allen Schmerz, alle Angſt zu erſparen, und, wenig- ſtens ſo lange ſich noch Heilung für den Verblendeten hoffen läßt, das holde Geſchöpf im ſchönen Traum ſeiner Liebe zu laſſen. Aus einem Verhältniſſe zu der Gräfin kann offenbar nichts werden, tauſend Um- ſtände ſind dagegen; Conſtanze ſelber, wie ich ſie kenne, hat nicht den entfernten Gedanken an ſo et- was, kann ihn gar nicht haben. Theobald wird müſſen ſeiner Leidenſchaft entſagen lernen, ich ſeh’ Alles voraus, es wird tief bei ihm einſchneiden, — ſchad’t nichts, das ſoll mir ihn zu ſich ſelbſt bringen, ſoll mir ihn weich machen für Agnes; er wird dem Himmel danken, wenn ihm das weggeworfene Kleinod erhalten blieb. Für jezt wär’s Unſinn, ihm die Gräfin gewaltſam vom Herzen reißen zu wollen; ich hoffe, es iſt nur ein Uebergang, und ich müßt’ ihn ſchlecht kennen, oder es kann ihm in die Länge ſelbſt nicht ſchmecken. Auf jeden Fall läßt er mich ja an Allem Theil nehmen, was etwa mit ihm und Conſtanzen vorgeht, und Larkens iſt bei der Hand, wenn Feuer im Dach auskommen ſollte; überdieß will ich meinen Leuten ſo genau aufpaſſen, daß mir nichts in die Quere laufen ſoll. Das Erſte iſt nun, ich muß wiſ- ſen, was an dem Mährchen mit Agnes iſt; gewiß irgend eine verläumderiſche Teufelei, und mein vor- trefflichſter Nolten hat in der blinden Hitze einmal

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/70
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/70>, abgerufen am 18.05.2024.