Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832."Ach," sagte Tillsen nicht ohne einige Beschä- "Das weiß Gott. Seit einem halben Jahre hat "Ich will sie wieder ausfüllen!" erwiderte Tillsen Nolten hielt die Hand des Malers an, während Jezt schlug Tillsen mit Einem Male die Hülle „Ach,“ ſagte Tillſen nicht ohne einige Beſchä- „Das weiß Gott. Seit einem halben Jahre hat „Ich will ſie wieder ausfüllen!“ erwiderte Tillſen Nolten hielt die Hand des Malers an, während Jezt ſchlug Tillſen mit Einem Male die Hülle <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0032" n="24"/> <p>„Ach,“ ſagte <hi rendition="#g">Tillſen</hi> nicht ohne einige Beſchä-<lb/> mung, „freilich, dergleichen Aeußerungen ſahen mir dann<lb/> immer verdächtig genug aus, wie Hieroglyphen auf<lb/> einem Marktbrunnenſtein, ich wußte nicht, woher<lb/> ſie kamen. Aber ein abgefeimter Burſche iſt es doch!<lb/> Und wo ſteckt denn der Schurke jezt?“</p><lb/> <p>„Das weiß Gott. Seit einem halben Jahre hat<lb/> er ſich ohne Abſchied von mir beurlaubt; etliche Wochen<lb/> ſpäter entdeckt’ ich die große Lücke in meinem Porte-<lb/> feuille.“</p><lb/> <p>„Ich will ſie wieder ausfüllen!“ erwiderte <hi rendition="#g">Tillſen</hi><lb/> mit Heiterkeit, indem er den Freund vor das verhängte<lb/> Bild führte. „Ich wollte es dieſen Morgen noch zur<lb/> öffentlichen Ausſtellung wegtragen laſſen; doch, es iſt<lb/> nun Ihr Eigenthum. Laſſen Sie ſehen, ob Sie auch<lb/> hinter dieſem Tuche Ihre Bekannten erkennen.“</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Nolten</hi> hielt die Hand des Malers an, während<lb/> er das Geſtändniß ablegte, daß er vorhin der Verſuchung<lb/> nicht widerſtanden, den Vorhang um einige Span-<lb/> nen zurückzuſtreifen, daß er ihn aber, wie von dem Ge-<lb/> ſpenſte eines Doppelgängers erſchreckt, ſogleich wieder<lb/> habe fallen laſſen, ohne die Ueberblickung des Ganzen<lb/> zu wagen.</p><lb/> <p>Jezt ſchlug <hi rendition="#g">Tillſen</hi> mit Einem Male die Hülle<lb/> zurück und trat ſeitwärts, um den Eindruck des Stückes<lb/> auf den Maler zu beobachten. Wir ſagen nichts von<lb/> der unbeſchreiblichen Empfindung des Letztern und er-<lb/> innern den Leſer an das wunderliche Geiſter-Konzert,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [24/0032]
„Ach,“ ſagte Tillſen nicht ohne einige Beſchä-
mung, „freilich, dergleichen Aeußerungen ſahen mir dann
immer verdächtig genug aus, wie Hieroglyphen auf
einem Marktbrunnenſtein, ich wußte nicht, woher
ſie kamen. Aber ein abgefeimter Burſche iſt es doch!
Und wo ſteckt denn der Schurke jezt?“
„Das weiß Gott. Seit einem halben Jahre hat
er ſich ohne Abſchied von mir beurlaubt; etliche Wochen
ſpäter entdeckt’ ich die große Lücke in meinem Porte-
feuille.“
„Ich will ſie wieder ausfüllen!“ erwiderte Tillſen
mit Heiterkeit, indem er den Freund vor das verhängte
Bild führte. „Ich wollte es dieſen Morgen noch zur
öffentlichen Ausſtellung wegtragen laſſen; doch, es iſt
nun Ihr Eigenthum. Laſſen Sie ſehen, ob Sie auch
hinter dieſem Tuche Ihre Bekannten erkennen.“
Nolten hielt die Hand des Malers an, während
er das Geſtändniß ablegte, daß er vorhin der Verſuchung
nicht widerſtanden, den Vorhang um einige Span-
nen zurückzuſtreifen, daß er ihn aber, wie von dem Ge-
ſpenſte eines Doppelgängers erſchreckt, ſogleich wieder
habe fallen laſſen, ohne die Ueberblickung des Ganzen
zu wagen.
Jezt ſchlug Tillſen mit Einem Male die Hülle
zurück und trat ſeitwärts, um den Eindruck des Stückes
auf den Maler zu beobachten. Wir ſagen nichts von
der unbeſchreiblichen Empfindung des Letztern und er-
innern den Leſer an das wunderliche Geiſter-Konzert,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |