ja die Töne selber nahmen in seiner Einbildung eine wunderbare Aehnlichkeit mit der Stimme Agne- sens an.
Früh, wenn die Hähne krähn, Eh' die Sternlein verschwinden, Muß ich am Heerde stehn, Muß Feuer zünden.
Schön ist der Flammen Schein, Es springen die Funken, Ich schaue so drein, In Leid versunken.
Plötzlich da kommt es mir, Treuloser Knabe! Daß ich die Nacht von dir Geträumet habe.
Thräne auf Thräne dann Stürzet hernieder, So kommt der Tag heran -- O ging' er wieder!
Zum Erstenmale seit undenklicher Zeit fühlte Theo- bald wieder die Wohlthat unaufhaltsamer Thränen. Die Stimme schwieg, nichts unterbrach die Ruhe des langsam andämmernden Morgens. Der Kranke barg das Gesicht in die Kissen, ganz der Süßigkeit eines -- dennoch so bittern! Schmerzens genießend.
ja die Töne ſelber nahmen in ſeiner Einbildung eine wunderbare Aehnlichkeit mit der Stimme Agne- ſens an.
Früh, wenn die Hähne krähn, Eh’ die Sternlein verſchwinden, Muß ich am Heerde ſtehn, Muß Feuer zünden.
Schön iſt der Flammen Schein, Es ſpringen die Funken, Ich ſchaue ſo drein, In Leid verſunken.
Plötzlich da kommt es mir, Treuloſer Knabe! Daß ich die Nacht von dir Geträumet habe.
Thräne auf Thräne dann Stürzet hernieder, So kommt der Tag heran — O ging’ er wieder!
Zum Erſtenmale ſeit undenklicher Zeit fühlte Theo- bald wieder die Wohlthat unaufhaltſamer Thränen. Die Stimme ſchwieg, nichts unterbrach die Ruhe des langſam andämmernden Morgens. Der Kranke barg das Geſicht in die Kiſſen, ganz der Süßigkeit eines — dennoch ſo bittern! Schmerzens genießend.
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ja die Töne ſelber nahmen in ſeiner Einbildung
eine wunderbare Aehnlichkeit mit der Stimme Agne-
ſens an.
Früh, wenn die Hähne krähn,
Eh’ die Sternlein verſchwinden,
Muß ich am Heerde ſtehn,
Muß Feuer zünden.
Schön iſt der Flammen Schein,
Es ſpringen die Funken,
Ich ſchaue ſo drein,
In Leid verſunken.
Plötzlich da kommt es mir,
Treuloſer Knabe!
Daß ich die Nacht von dir
Geträumet habe.
Thräne auf Thräne dann
Stürzet hernieder,
So kommt der Tag heran —
O ging’ er wieder!
Zum Erſtenmale ſeit undenklicher Zeit fühlte Theo-
bald wieder die Wohlthat unaufhaltſamer Thränen.
Die Stimme ſchwieg, nichts unterbrach die Ruhe des
langſam andämmernden Morgens. Der Kranke barg
das Geſicht in die Kiſſen, ganz der Süßigkeit eines —
dennoch ſo bittern! Schmerzens genießend.
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/274>, abgerufen am 16.02.2025.
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