will in Ihrer Nähe die alte Vorliebe für diesen Maler wieder einnehmen, ohne daß Sie noch ein Wort zu seiner Vertheidigung vorgebracht -- aber vielleicht gerade darum könnt' ich ihm verzeihen, weil Sie ihn nicht vertheidigen. Könnte ich bei dem Lärm, bei der Erbitterung, die der tolle Vorfall schon bei Hofe veranlaßt hat, ganz ruhig seyn, mich vor dem Verdachte der Parteilichkeit bei meinem Bruder sichern, ich möchte die Herren wohl frei sprechen und Alles zu vertuschen suchen; so aber bin ich der Sorge doch nicht los, und meiner Stellung zu dem guten Maler erwächst aus der dummen Geschichte auf alle Fälle eine bleibende Schwierigkeit. Doch, was beschwere ich Sie mit diesen Unbilden -- Lassen Sie uns davon schweigen. Am artigsten wär's," sezte er scherzend hinzu, "man sezte ein Gericht nieder, bestehend aus einem Archäo- logen, einem Professor der Aesthetik und einem Advo- katen, die sich über das Manuscript und die Bilder her- machen sollten. Nicht wahr, meine Schönste?"
Die wahre Gesinnung des Herzogs und seine schwierige Lage läßt sich übrigens leicht aus folgenden Bemerkungen erkennen.
Weit entfernt von der Thorheit, in der fabelhaf- ten Figur jenes tausendjährigen Königs eine eh- renrührige Beziehung zu entdecken, fand er diese Be- ziehung eher schön und wohlgemeint; dagegen ihm die Aehnlichkeit jener Feenfürstin mit Viktorien um so bedenklicher vorkam. Denn wenn gleich das wahre
will in Ihrer Nähe die alte Vorliebe für dieſen Maler wieder einnehmen, ohne daß Sie noch ein Wort zu ſeiner Vertheidigung vorgebracht — aber vielleicht gerade darum könnt’ ich ihm verzeihen, weil Sie ihn nicht vertheidigen. Könnte ich bei dem Lärm, bei der Erbitterung, die der tolle Vorfall ſchon bei Hofe veranlaßt hat, ganz ruhig ſeyn, mich vor dem Verdachte der Parteilichkeit bei meinem Bruder ſichern, ich möchte die Herren wohl frei ſprechen und Alles zu vertuſchen ſuchen; ſo aber bin ich der Sorge doch nicht los, und meiner Stellung zu dem guten Maler erwächſt aus der dummen Geſchichte auf alle Fälle eine bleibende Schwierigkeit. Doch, was beſchwere ich Sie mit dieſen Unbilden — Laſſen Sie uns davon ſchweigen. Am artigſten wär’s,“ ſezte er ſcherzend hinzu, „man ſezte ein Gericht nieder, beſtehend aus einem Archäo- logen, einem Profeſſor der Aeſthetik und einem Advo- katen, die ſich über das Manuſcript und die Bilder her- machen ſollten. Nicht wahr, meine Schönſte?“
Die wahre Geſinnung des Herzogs und ſeine ſchwierige Lage läßt ſich übrigens leicht aus folgenden Bemerkungen erkennen.
Weit entfernt von der Thorheit, in der fabelhaf- ten Figur jenes tauſendjährigen Königs eine eh- renrührige Beziehung zu entdecken, fand er dieſe Be- ziehung eher ſchön und wohlgemeint; dagegen ihm die Aehnlichkeit jener Feenfürſtin mit Viktorien um ſo bedenklicher vorkam. Denn wenn gleich das wahre
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will in Ihrer Nähe die alte Vorliebe für dieſen
Maler wieder einnehmen, ohne daß Sie noch ein Wort
zu ſeiner Vertheidigung vorgebracht — aber vielleicht
gerade darum könnt’ ich ihm verzeihen, weil Sie
ihn nicht vertheidigen. Könnte ich bei dem Lärm,
bei der Erbitterung, die der tolle Vorfall ſchon bei
Hofe veranlaßt hat, ganz ruhig ſeyn, mich vor dem
Verdachte der Parteilichkeit bei meinem Bruder ſichern,
ich möchte die Herren wohl frei ſprechen und Alles
zu vertuſchen ſuchen; ſo aber bin ich der Sorge doch
nicht los, und meiner Stellung zu dem guten Maler
erwächſt aus der dummen Geſchichte auf alle Fälle
eine bleibende Schwierigkeit. Doch, was beſchwere
ich Sie mit dieſen Unbilden — Laſſen Sie uns davon
ſchweigen. Am artigſten wär’s,“ ſezte er ſcherzend hinzu,
„man ſezte ein Gericht nieder, beſtehend aus einem Archäo-
logen, einem Profeſſor der Aeſthetik und einem Advo-
katen, die ſich über das Manuſcript und die Bilder her-
machen ſollten. Nicht wahr, meine Schönſte?“
Die wahre Geſinnung des Herzogs und ſeine
ſchwierige Lage läßt ſich übrigens leicht aus folgenden
Bemerkungen erkennen.
Weit entfernt von der Thorheit, in der fabelhaf-
ten Figur jenes tauſendjährigen Königs eine eh-
renrührige Beziehung zu entdecken, fand er dieſe Be-
ziehung eher ſchön und wohlgemeint; dagegen ihm die
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bedenklicher vorkam. Denn wenn gleich das wahre
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/247>, abgerufen am 22.02.2025.
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