seiner Hand durch eine dritte in die ihrige gelangt war! -- aber, in der That, sie wußte es nicht; und doch wiederholte sie sich heute nicht zum Erstenmal jene Worte, die er einst, im Anschaun ihrer Gestalt verloren, gegen sie hatte fallen lassen. Perlen, sagte er, haben von jeher etwas eigen Sinn- und Gedan- kenvolles in ihrem Wesen für mich gehabt, und wahr- lich, diese hier hängen um diesen Hals, wie eine Reihe verkörperter Gedanken, aus einer trüben Seele hervorgequollen. Ich wollte, daß ich es hätte seyn dürfen, der das Glück hatte, Ihnen das Andenken umzuknüpfen. Es liegt ein natürliches unschuldiges Vergnügen darin, zu wissen, daß eine Person, die wir verehren, der wir stets nahe seyn möchten, irgend eine Kleinigkeit von uns bei sich trage, wodurch un- ser Bild sich ihr vergegenwärtigen muß. Warum dürfen doch Freunde, warum dürfen entferntere Be- kannte sich einander nicht alle Mal in diesem Sinne beschenken? muß das edlere Gefühl überall der Kon- venienz weichen?
Constanze erinnerte sich gar wohl, wie sie da- mals erröthete, und was sie scherzhaft zur Antwort gab. Ach, seufzte sie jezt vor sich hin, wüßte er, wie tief ich sein Bild im Innersten des Herzens bewahre, er würde den Geber dieser armen Zierde nicht be- neiden.
Unruhig stand sie auf, unruhig trat sie an's Fen- ster und ließ den herrlich erleuchteten Himmel mit
ſeiner Hand durch eine dritte in die ihrige gelangt war! — aber, in der That, ſie wußte es nicht; und doch wiederholte ſie ſich heute nicht zum Erſtenmal jene Worte, die er einſt, im Anſchaun ihrer Geſtalt verloren, gegen ſie hatte fallen laſſen. Perlen, ſagte er, haben von jeher etwas eigen Sinn- und Gedan- kenvolles in ihrem Weſen für mich gehabt, und wahr- lich, dieſe hier hängen um dieſen Hals, wie eine Reihe verkörperter Gedanken, aus einer trüben Seele hervorgequollen. Ich wollte, daß ich es hätte ſeyn dürfen, der das Glück hatte, Ihnen das Andenken umzuknüpfen. Es liegt ein natürliches unſchuldiges Vergnügen darin, zu wiſſen, daß eine Perſon, die wir verehren, der wir ſtets nahe ſeyn möchten, irgend eine Kleinigkeit von uns bei ſich trage, wodurch un- ſer Bild ſich ihr vergegenwärtigen muß. Warum dürfen doch Freunde, warum dürfen entferntere Be- kannte ſich einander nicht alle Mal in dieſem Sinne beſchenken? muß das edlere Gefühl überall der Kon- venienz weichen?
Conſtanze erinnerte ſich gar wohl, wie ſie da- mals erröthete, und was ſie ſcherzhaft zur Antwort gab. Ach, ſeufzte ſie jezt vor ſich hin, wüßte er, wie tief ich ſein Bild im Innerſten des Herzens bewahre, er würde den Geber dieſer armen Zierde nicht be- neiden.
Unruhig ſtand ſie auf, unruhig trat ſie an’s Fen- ſter und ließ den herrlich erleuchteten Himmel mit
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ſeiner Hand durch eine dritte in die ihrige gelangt
war! — aber, in der That, ſie wußte es nicht; und
doch wiederholte ſie ſich heute nicht zum Erſtenmal
jene Worte, die er einſt, im Anſchaun ihrer Geſtalt
verloren, gegen ſie hatte fallen laſſen. Perlen, ſagte
er, haben von jeher etwas eigen Sinn- und Gedan-
kenvolles in ihrem Weſen für mich gehabt, und wahr-
lich, dieſe hier hängen um dieſen Hals, wie eine
Reihe verkörperter Gedanken, aus einer trüben Seele
hervorgequollen. Ich wollte, daß ich es hätte ſeyn
dürfen, der das Glück hatte, Ihnen das Andenken
umzuknüpfen. Es liegt ein natürliches unſchuldiges
Vergnügen darin, zu wiſſen, daß eine Perſon, die wir
verehren, der wir ſtets nahe ſeyn möchten, irgend
eine Kleinigkeit von uns bei ſich trage, wodurch un-
ſer Bild ſich ihr vergegenwärtigen muß. Warum
dürfen doch Freunde, warum dürfen entferntere Be-
kannte ſich einander nicht alle Mal in dieſem Sinne
beſchenken? muß das edlere Gefühl überall der Kon-
venienz weichen?
Conſtanze erinnerte ſich gar wohl, wie ſie da-
mals erröthete, und was ſie ſcherzhaft zur Antwort
gab. Ach, ſeufzte ſie jezt vor ſich hin, wüßte er, wie
tief ich ſein Bild im Innerſten des Herzens bewahre,
er würde den Geber dieſer armen Zierde nicht be-
neiden.
Unruhig ſtand ſie auf, unruhig trat ſie an’s Fen-
ſter und ließ den herrlich erleuchteten Himmel mit
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/225>, abgerufen am 08.01.2025.
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