"Fein und edel wär's auf keinen Fall, ich muß sa- gen, wenn es sich wirklich so verhielte. Denn, was man auch behaupten mag, der Verewigte war doch ein geistreicher, vortrefflicher Mann. Es ist seine Schuld nicht, daß er in der Folge krank und elend wurde, daß er zum Verdruß gewisser Patrioten ein übermäßiges Alter erreichte, daß ihn die Fürstin -- nun! könnten wir uns aber nicht etwa täuschen, wenn wir diese Be- ziehungen --"
"Täuschen? täuschen? Gerechter Gott! Sind Sie blind, Excellenz? Stieß ich denn nicht nach dem zwei- ten Auftritt gleich meine Frau an? und fiel es ihr nicht auch plötzlich auf? Treffen nicht die meisten Um- stände zu? Daß der Vogel sich dann wieder hinter an- dere unwesentliche Züge versteckte, das hat er schlau genug gemacht, aber er mag sich wahren; es gibt Leute, die die Lunte riechen, und ich thue mir in der That etwas darauf zu Gute, daß ich die Bemerkung zuerst gemacht."
"Jedoch, nur das noch, Baron! mir däuchte doch, der alte Narr in der Piece da, er benimmt sich, wenig- stens der Absicht des Poeten nach, immer recht nobel, besonders vis a vis der Hexe oder was es ist, und es widerfährt ihm, wie mir's vorkam, zulezt noch gleich- sam göttliche Ehre."
"Spott! Spott! lauter infame Ironie! ich will mich lebendig verbrennen lassen, wenn es was anders ist." "Und wie gemein mitunter," lispelte die bleichsüchtige Tochter Vestin's, hinzutretend, "wie pöbelhaft!"
„Fein und edel wär’s auf keinen Fall, ich muß ſa- gen, wenn es ſich wirklich ſo verhielte. Denn, was man auch behaupten mag, der Verewigte war doch ein geiſtreicher, vortrefflicher Mann. Es iſt ſeine Schuld nicht, daß er in der Folge krank und elend wurde, daß er zum Verdruß gewiſſer Patrioten ein übermäßiges Alter erreichte, daß ihn die Fürſtin — nun! könnten wir uns aber nicht etwa täuſchen, wenn wir dieſe Be- ziehungen —“
„Täuſchen? täuſchen? Gerechter Gott! Sind Sie blind, Excellenz? Stieß ich denn nicht nach dem zwei- ten Auftritt gleich meine Frau an? und fiel es ihr nicht auch plötzlich auf? Treffen nicht die meiſten Um- ſtände zu? Daß der Vogel ſich dann wieder hinter an- dere unweſentliche Züge verſteckte, das hat er ſchlau genug gemacht, aber er mag ſich wahren; es gibt Leute, die die Lunte riechen, und ich thue mir in der That etwas darauf zu Gute, daß ich die Bemerkung zuerſt gemacht.“
„Jedoch, nur das noch, Baron! mir däuchte doch, der alte Narr in der Piece da, er benimmt ſich, wenig- ſtens der Abſicht des Poeten nach, immer recht nobel, beſonders vis à vis der Hexe oder was es iſt, und es widerfährt ihm, wie mir’s vorkam, zulezt noch gleich- ſam göttliche Ehre.“
„Spott! Spott! lauter infame Ironie! ich will mich lebendig verbrennen laſſen, wenn es was anders iſt.“ „Und wie gemein mitunter,“ lispelte die bleichſüchtige Tochter Veſtin’s, hinzutretend, „wie pöbelhaft!“
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„Fein und edel wär’s auf keinen Fall, ich muß ſa-
gen, wenn es ſich wirklich ſo verhielte. Denn, was
man auch behaupten mag, der Verewigte war doch
ein geiſtreicher, vortrefflicher Mann. Es iſt ſeine Schuld
nicht, daß er in der Folge krank und elend wurde, daß
er zum Verdruß gewiſſer Patrioten ein übermäßiges
Alter erreichte, daß ihn die Fürſtin — nun! könnten
wir uns aber nicht etwa täuſchen, wenn wir dieſe Be-
ziehungen —“
„Täuſchen? täuſchen? Gerechter Gott! Sind Sie
blind, Excellenz? Stieß ich denn nicht nach dem zwei-
ten Auftritt gleich meine Frau an? und fiel es ihr
nicht auch plötzlich auf? Treffen nicht die meiſten Um-
ſtände zu? Daß der Vogel ſich dann wieder hinter an-
dere unweſentliche Züge verſteckte, das hat er ſchlau
genug gemacht, aber er mag ſich wahren; es gibt Leute,
die die Lunte riechen, und ich thue mir in der That
etwas darauf zu Gute, daß ich die Bemerkung zuerſt
gemacht.“
„Jedoch, nur das noch, Baron! mir däuchte doch,
der alte Narr in der Piece da, er benimmt ſich, wenig-
ſtens der Abſicht des Poeten nach, immer recht nobel,
beſonders vis à vis der Hexe oder was es iſt, und es
widerfährt ihm, wie mir’s vorkam, zulezt noch gleich-
ſam göttliche Ehre.“
„Spott! Spott! lauter infame Ironie! ich will
mich lebendig verbrennen laſſen, wenn es was anders iſt.“
„Und wie gemein mitunter,“ lispelte die bleichſüchtige
Tochter Veſtin’s, hinzutretend, „wie pöbelhaft!“
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/219>, abgerufen am 11.12.2024.
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