doch der bescheidenen Frage nicht enthalten, ob nicht irgend etwas Politisches, Satyrisches, Persönliches dem Stücke zu Grund liege? irgend ein versteckter Sinn? denn für das, was es nur obenhin an Poesie prätendire, könne man es doch nicht einzig nehmen.
"Und warum denn nicht, meine Gnädigste?" fragte Larkens die Hofdame, indem er jenes schneidend scharfe Gesicht zeigte, das einem durch die Seele ging.
"Weil -- weil -- ich meinte nur --"
"Aber wie? wenn ich Sie alles Meinens und Vermuthens überhebe, wenn ich Sie versichere, es ist ein reines Kindermährchen, womit ich Sie zu unter- halten wagte? Doch Sie vermissen die Pointe dabei -- ja, so ist der Dichter eben ein ruinirter Mann!"
"Er mag nur sorgen, daß er kein solcher wird, wenn man die Pointe wirklich herausgefunden haben sollte;" raunte der Baron von Vesten einem Geheimen- rath in's Ohr und zog ihn bei Seite, "merken Sie denn nicht, daß das Ganze ein Pasquill auf unsern verewigten König und seine Geschichte mit der Fürstin Viktorie ist?"
"Was sagen Sie? Ja, wahrlich, jezt geht mir ein Licht auf! Mir däucht sogar, die Figur im Schauspiel hatte Aehnlichkeit mit den Zügen des Höchstseligen" --
"Allerdings! allerdings! nun? ist das aber nicht ein ungeziemender Spaß? ist es nicht impertinent von diesem Larkens? aber ich hielt ihn von jeher für einen malitiösen Menschen."
doch der beſcheidenen Frage nicht enthalten, ob nicht irgend etwas Politiſches, Satyriſches, Perſönliches dem Stücke zu Grund liege? irgend ein verſteckter Sinn? denn für das, was es nur obenhin an Poeſie prätendire, könne man es doch nicht einzig nehmen.
„Und warum denn nicht, meine Gnädigſte?“ fragte Larkens die Hofdame, indem er jenes ſchneidend ſcharfe Geſicht zeigte, das einem durch die Seele ging.
„Weil — weil — ich meinte nur —“
„Aber wie? wenn ich Sie alles Meinens und Vermuthens überhebe, wenn ich Sie verſichere, es iſt ein reines Kindermährchen, womit ich Sie zu unter- halten wagte? Doch Sie vermiſſen die Pointe dabei — ja, ſo iſt der Dichter eben ein ruinirter Mann!“
„Er mag nur ſorgen, daß er kein ſolcher wird, wenn man die Pointe wirklich herausgefunden haben ſollte;“ raunte der Baron von Veſten einem Geheimen- rath in’s Ohr und zog ihn bei Seite, „merken Sie denn nicht, daß das Ganze ein Pasquill auf unſern verewigten König und ſeine Geſchichte mit der Fürſtin Viktorie iſt?“
„Was ſagen Sie? Ja, wahrlich, jezt geht mir ein Licht auf! Mir däucht ſogar, die Figur im Schauſpiel hatte Aehnlichkeit mit den Zügen des Höchſtſeligen“ —
„Allerdings! allerdings! nun? iſt das aber nicht ein ungeziemender Spaß? iſt es nicht impertinent von dieſem Larkens? aber ich hielt ihn von jeher für einen malitiöſen Menſchen.“
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doch der beſcheidenen Frage nicht enthalten, ob nicht
irgend etwas Politiſches, Satyriſches, Perſönliches dem
Stücke zu Grund liege? irgend ein verſteckter Sinn?
denn für das, was es nur obenhin an Poeſie prätendire,
könne man es doch nicht einzig nehmen.
„Und warum denn nicht, meine Gnädigſte?“ fragte
Larkens die Hofdame, indem er jenes ſchneidend ſcharfe
Geſicht zeigte, das einem durch die Seele ging.
„Weil — weil — ich meinte nur —“
„Aber wie? wenn ich Sie alles Meinens und
Vermuthens überhebe, wenn ich Sie verſichere, es iſt
ein reines Kindermährchen, womit ich Sie zu unter-
halten wagte? Doch Sie vermiſſen die Pointe dabei —
ja, ſo iſt der Dichter eben ein ruinirter Mann!“
„Er mag nur ſorgen, daß er kein ſolcher wird,
wenn man die Pointe wirklich herausgefunden haben
ſollte;“ raunte der Baron von Veſten einem Geheimen-
rath in’s Ohr und zog ihn bei Seite, „merken Sie
denn nicht, daß das Ganze ein Pasquill auf unſern
verewigten König und ſeine Geſchichte mit der Fürſtin
Viktorie iſt?“
„Was ſagen Sie? Ja, wahrlich, jezt geht mir ein
Licht auf! Mir däucht ſogar, die Figur im Schauſpiel
hatte Aehnlichkeit mit den Zügen des Höchſtſeligen“ —
„Allerdings! allerdings! nun? iſt das aber nicht
ein ungeziemender Spaß? iſt es nicht impertinent von
dieſem Larkens? aber ich hielt ihn von jeher für
einen malitiöſen Menſchen.“
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/218>, abgerufen am 22.07.2024.
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