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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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Löwener.
Ja, aber Nachbar, ich bin zwar, wie du, geboren
hier und groß geworden, allein es wird einem doch
alleweil noch sonderlich zu Muth, wenn man so des
Nachts noch durch eine von den leeren Gassen geht
und es thut, als klopfte man an hohle Fässer an.
Knabe.
Aber warum doch wohnen wir neuen Leute fast
alle wie ein Häuflein so am Ende der Stadt und
nicht oben in den weitläuftigen schönen Gebäuden?
Suntrard.
Weiß selber nicht so recht; ist so herkommen von
unsern Eltern. Auch wäre dort nicht so vertraut zu-
sammennisten.
Löwener.
Wo wir wohnen, das heißt die untere Stadt,
hier waren vor Alters wahrscheinlich die Buden der
Krämer und Handwerker. Die ganze Stadt aber be-
trägt wohl sechs Stunden im Ring.
Suntrard.
Wenn der Mond vollends oben ist, laßt uns noch
eine Strecke aufwärts gehen, bis wo die Sonnenkeile *)
ist. Nachbar, als ein kleiner Junge, wenn wir Bu-
ben noch Abends spät durch die unheimlichen Plätze
*) Sonnenkeile -- so nannte man drei eigenthümlich gegen einan-
der gestellte steinerne Spitz-Säulen, welche durch den Schatten, den
sie werfen, den Ur-Einwohnern als eine Art von Sonnenuhr gedient
haben sollen.
Löwener.
Ja, aber Nachbar, ich bin zwar, wie du, geboren
hier und groß geworden, allein es wird einem doch
alleweil noch ſonderlich zu Muth, wenn man ſo des
Nachts noch durch eine von den leeren Gaſſen geht
und es thut, als klopfte man an hohle Fäſſer an.
Knabe.
Aber warum doch wohnen wir neuen Leute faſt
alle wie ein Häuflein ſo am Ende der Stadt und
nicht oben in den weitläuftigen ſchönen Gebäuden?
Suntrard.
Weiß ſelber nicht ſo recht; iſt ſo herkommen von
unſern Eltern. Auch wäre dort nicht ſo vertraut zu-
ſammenniſten.
Löwener.
Wo wir wohnen, das heißt die untere Stadt,
hier waren vor Alters wahrſcheinlich die Buden der
Krämer und Handwerker. Die ganze Stadt aber be-
trägt wohl ſechs Stunden im Ring.
Suntrard.
Wenn der Mond vollends oben iſt, laßt uns noch
eine Strecke aufwärts gehen, bis wo die Sonnenkeile *)
iſt. Nachbar, als ein kleiner Junge, wenn wir Bu-
ben noch Abends ſpät durch die unheimlichen Plätze
*) Sonnenkeile — ſo nannte man drei eigenthümlich gegen einan-
der geſtellte ſteinerne Spitz-Säulen, welche durch den Schatten, den
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[151/0159] Löwener. Ja, aber Nachbar, ich bin zwar, wie du, geboren hier und groß geworden, allein es wird einem doch alleweil noch ſonderlich zu Muth, wenn man ſo des Nachts noch durch eine von den leeren Gaſſen geht und es thut, als klopfte man an hohle Fäſſer an. Knabe. Aber warum doch wohnen wir neuen Leute faſt alle wie ein Häuflein ſo am Ende der Stadt und nicht oben in den weitläuftigen ſchönen Gebäuden? Suntrard. Weiß ſelber nicht ſo recht; iſt ſo herkommen von unſern Eltern. Auch wäre dort nicht ſo vertraut zu- ſammenniſten. Löwener. Wo wir wohnen, das heißt die untere Stadt, hier waren vor Alters wahrſcheinlich die Buden der Krämer und Handwerker. Die ganze Stadt aber be- trägt wohl ſechs Stunden im Ring. Suntrard. Wenn der Mond vollends oben iſt, laßt uns noch eine Strecke aufwärts gehen, bis wo die Sonnenkeile *) iſt. Nachbar, als ein kleiner Junge, wenn wir Bu- ben noch Abends ſpät durch die unheimlichen Plätze *) Sonnenkeile — ſo nannte man drei eigenthümlich gegen einan- der geſtellte ſteinerne Spitz-Säulen, welche durch den Schatten, den ſie werfen, den Ur-Einwohnern als eine Art von Sonnenuhr gedient haben ſollen.

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/159>, abgerufen am 21.11.2024.