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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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sie ihn dann laut aus, so daß man sie kaum begreifen
wollte. Kam ihr zufällig seine Handschrift vor's Auge,
so däuchten ihr die Züge wie sprechend, sie betrachtete
sie mit einem völlig neuen Sinn -- kurz, es schien,
als sey er ihr erst heute geschenkt, als heiße sie jezt
zum ersten Male Noltens Braut.

Dieselbe unschuldige Trunkenheit athmete aus ih-
rem Briefe, den Larkens jezt in der Hand hielt.
Sie vermied so viel möglich jede Berührung jener stö-
renden Ereignisse, und ihre Worte verriethen nicht
die geringste Unruhe darüber, wie Theobald die
Geschichte ihrer Krankheit aufnehmen werde, welche
der Vater mit ihrem Vorwissen, jedoch ohne der Toch-
ter sie lesen zu lassen, ihm aufrichtig mittheilte.

Mit Staunen und Rührung legte Larkens die
Blätter auf den Tisch, nachdem er sie zwei und drei-
mal mit der größten Sorgfalt durchlesen hatte. Er
hatte Mühe, sich die Fäden dieser unerhörten Ver-
wirrung klar zu machen, sich zu sammeln und ein
ruhiges Bild vom Ganzen zu gewinnen, um hierauf
seine Entschließung zu fassen. An der getreuen Dar-
stellung der Begebenheiten zweifelte er keinen Augen-
blick, Alles trug zu sehr das Gepräge der inneren
Wahrheit. Aber was ihn bei der Sache besonders
nachdenklich machte, das war die Einmischung der Zi-
gennerin. Denn auf der Stelle war es wie ein Blitz
in ihn geschlagen, daß er die Person kenne, daß ihm
ihr sonderbarer Bezug zu Nolten nicht unbekannt

ſie ihn dann laut aus, ſo daß man ſie kaum begreifen
wollte. Kam ihr zufällig ſeine Handſchrift vor’s Auge,
ſo däuchten ihr die Züge wie ſprechend, ſie betrachtete
ſie mit einem völlig neuen Sinn — kurz, es ſchien,
als ſey er ihr erſt heute geſchenkt, als heiße ſie jezt
zum erſten Male Noltens Braut.

Dieſelbe unſchuldige Trunkenheit athmete aus ih-
rem Briefe, den Larkens jezt in der Hand hielt.
Sie vermied ſo viel möglich jede Berührung jener ſtö-
renden Ereigniſſe, und ihre Worte verriethen nicht
die geringſte Unruhe darüber, wie Theobald die
Geſchichte ihrer Krankheit aufnehmen werde, welche
der Vater mit ihrem Vorwiſſen, jedoch ohne der Toch-
ter ſie leſen zu laſſen, ihm aufrichtig mittheilte.

Mit Staunen und Rührung legte Larkens die
Blätter auf den Tiſch, nachdem er ſie zwei und drei-
mal mit der größten Sorgfalt durchleſen hatte. Er
hatte Mühe, ſich die Fäden dieſer unerhörten Ver-
wirrung klar zu machen, ſich zu ſammeln und ein
ruhiges Bild vom Ganzen zu gewinnen, um hierauf
ſeine Entſchließung zu faſſen. An der getreuen Dar-
ſtellung der Begebenheiten zweifelte er keinen Augen-
blick, Alles trug zu ſehr das Gepräge der inneren
Wahrheit. Aber was ihn bei der Sache beſonders
nachdenklich machte, das war die Einmiſchung der Zi-
gennerin. Denn auf der Stelle war es wie ein Blitz
in ihn geſchlagen, daß er die Perſon kenne, daß ihm
ihr ſonderbarer Bezug zu Nolten nicht unbekannt

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[137/0145] ſie ihn dann laut aus, ſo daß man ſie kaum begreifen wollte. Kam ihr zufällig ſeine Handſchrift vor’s Auge, ſo däuchten ihr die Züge wie ſprechend, ſie betrachtete ſie mit einem völlig neuen Sinn — kurz, es ſchien, als ſey er ihr erſt heute geſchenkt, als heiße ſie jezt zum erſten Male Noltens Braut. Dieſelbe unſchuldige Trunkenheit athmete aus ih- rem Briefe, den Larkens jezt in der Hand hielt. Sie vermied ſo viel möglich jede Berührung jener ſtö- renden Ereigniſſe, und ihre Worte verriethen nicht die geringſte Unruhe darüber, wie Theobald die Geſchichte ihrer Krankheit aufnehmen werde, welche der Vater mit ihrem Vorwiſſen, jedoch ohne der Toch- ter ſie leſen zu laſſen, ihm aufrichtig mittheilte. Mit Staunen und Rührung legte Larkens die Blätter auf den Tiſch, nachdem er ſie zwei und drei- mal mit der größten Sorgfalt durchleſen hatte. Er hatte Mühe, ſich die Fäden dieſer unerhörten Ver- wirrung klar zu machen, ſich zu ſammeln und ein ruhiges Bild vom Ganzen zu gewinnen, um hierauf ſeine Entſchließung zu faſſen. An der getreuen Dar- ſtellung der Begebenheiten zweifelte er keinen Augen- blick, Alles trug zu ſehr das Gepräge der inneren Wahrheit. Aber was ihn bei der Sache beſonders nachdenklich machte, das war die Einmiſchung der Zi- gennerin. Denn auf der Stelle war es wie ein Blitz in ihn geſchlagen, daß er die Perſon kenne, daß ihm ihr ſonderbarer Bezug zu Nolten nicht unbekannt

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/145>, abgerufen am 24.11.2024.