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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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mit gehörigem Anstand, er wollte Constanzen die
Hand küssen, was jedoch höflich verbeten wurde.

Die Gesellschaft verhehlte sich den im Ganzen
versöhnenden Eindruck nicht, welchen der lezte Auftritt
bei ihr zurückgelassen hatte. Bei der Gräfin selbst
war der Rückblick auf den heutigen Morgen leichter,
weil seine Wirkung wenigstens äußerlich durch so
manches Andre in etwas war verdrängt worden; nur
sobald Nolten ihr näher kommen wollte, wich sie
schüchtern und unbehaglich aus. Im Allgemeinen,
dieß durfte er sich mit Recht sagen, ließ ihr Benehmen
sich gar nicht zu seinen Ungunsten auslegen, ja er
konnte den tief gegründeten Keim wirklicher Liebe
nicht mehr an ihr verkennen, er hoffte eine zwar
langsame, aber unaufhaltsame Entwicklung. Nur jede
Voreiligkeit, alles dringend Heftige, so sehr dieß in
seinem Temperamente lag, beschloß er zu vermeiden,
und wir selber sind der Meinung, daß er dabei seinen
Vortheil und die Sinnesart der Frauen von Con-
stanzens
Werthe fein genug zu schätzen gewußt.

Man hätte gerne noch den ächten Italiener ge-
sehen, allein der Abend nahte stark heran, es war un-
wahrscheinlich, daß der Künstler noch käme, überdieß
verlangte Constanze nach Haus, und so schickte
man sich denn zum Aufbruch an.

Nolten, der den Schlitten des Grafen eine
Weile rasch verfolgte, blieb mit seinem Pferde doch
bald zurück. Er hatte Zeit, seinen Gedanken über den

mit gehörigem Anſtand, er wollte Conſtanzen die
Hand küſſen, was jedoch höflich verbeten wurde.

Die Geſellſchaft verhehlte ſich den im Ganzen
verſöhnenden Eindruck nicht, welchen der lezte Auftritt
bei ihr zurückgelaſſen hatte. Bei der Gräfin ſelbſt
war der Rückblick auf den heutigen Morgen leichter,
weil ſeine Wirkung wenigſtens äußerlich durch ſo
manches Andre in etwas war verdrängt worden; nur
ſobald Nolten ihr näher kommen wollte, wich ſie
ſchüchtern und unbehaglich aus. Im Allgemeinen,
dieß durfte er ſich mit Recht ſagen, ließ ihr Benehmen
ſich gar nicht zu ſeinen Ungunſten auslegen, ja er
konnte den tief gegründeten Keim wirklicher Liebe
nicht mehr an ihr verkennen, er hoffte eine zwar
langſame, aber unaufhaltſame Entwicklung. Nur jede
Voreiligkeit, alles dringend Heftige, ſo ſehr dieß in
ſeinem Temperamente lag, beſchloß er zu vermeiden,
und wir ſelber ſind der Meinung, daß er dabei ſeinen
Vortheil und die Sinnesart der Frauen von Con-
ſtanzens
Werthe fein genug zu ſchätzen gewußt.

Man hätte gerne noch den ächten Italiener ge-
ſehen, allein der Abend nahte ſtark heran, es war un-
wahrſcheinlich, daß der Künſtler noch käme, überdieß
verlangte Conſtanze nach Haus, und ſo ſchickte
man ſich denn zum Aufbruch an.

Nolten, der den Schlitten des Grafen eine
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bald zurück. Er hatte Zeit, ſeinen Gedanken über den

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[132/0140] mit gehörigem Anſtand, er wollte Conſtanzen die Hand küſſen, was jedoch höflich verbeten wurde. Die Geſellſchaft verhehlte ſich den im Ganzen verſöhnenden Eindruck nicht, welchen der lezte Auftritt bei ihr zurückgelaſſen hatte. Bei der Gräfin ſelbſt war der Rückblick auf den heutigen Morgen leichter, weil ſeine Wirkung wenigſtens äußerlich durch ſo manches Andre in etwas war verdrängt worden; nur ſobald Nolten ihr näher kommen wollte, wich ſie ſchüchtern und unbehaglich aus. Im Allgemeinen, dieß durfte er ſich mit Recht ſagen, ließ ihr Benehmen ſich gar nicht zu ſeinen Ungunſten auslegen, ja er konnte den tief gegründeten Keim wirklicher Liebe nicht mehr an ihr verkennen, er hoffte eine zwar langſame, aber unaufhaltſame Entwicklung. Nur jede Voreiligkeit, alles dringend Heftige, ſo ſehr dieß in ſeinem Temperamente lag, beſchloß er zu vermeiden, und wir ſelber ſind der Meinung, daß er dabei ſeinen Vortheil und die Sinnesart der Frauen von Con- ſtanzens Werthe fein genug zu ſchätzen gewußt. Man hätte gerne noch den ächten Italiener ge- ſehen, allein der Abend nahte ſtark heran, es war un- wahrſcheinlich, daß der Künſtler noch käme, überdieß verlangte Conſtanze nach Haus, und ſo ſchickte man ſich denn zum Aufbruch an. Nolten, der den Schlitten des Grafen eine Weile raſch verfolgte, blieb mit ſeinem Pferde doch bald zurück. Er hatte Zeit, ſeinen Gedanken über den

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/140>, abgerufen am 29.11.2024.