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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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ohne niedergeschlagen, zurückhaltend und höflich, ohne
abstoßend zu seyn; eine gleichgültige Frage, die er an
sie richtete, beantwortete sie mit mehr Natürlichkeit
und Geistesgegenwart, als der Frager in diesem Augen-
blicke selbst besaß. Bei alle dem schien ihre Miene
das, was vorgefallen war, eher stillschweigend zu ver-
zeihen als zu billigen, ja es hatte das Ansehen, als
verläugnete sie die Erinnerung daran ganz und gar.

Nicht mehr lange, so wurde das Mittagessen an-
gesagt, wozu der Graf ohne Weiteres auch den Italiener
geladen hatte, zu nicht geringem Verdrusse Noltens,
der es denn auch geduldig geschehen lassen mußte, als
Jener sich die Gnade erbat, Eccellenza der Frau Gräfin
seinen Arm zum Gange nach dem Meierhause leihen
zu dürfen.

Die kleine Tafel fiel reichlicher aus, als man er-
wartet hatte, denn außer dem fremden Weine, der im
Schlitten des Grafen mitgekommen war, fand sich ein
schmackhafter und seltener Bissen Geflügel ein, bei
dessen Auftischung der Graf zu bemerken nicht unter-
ließ, daß man den trefflichen Seevogel der Galanterie
Seiner Hoheit verdanke, der Herr Herzog haben ihn
vorhin am großen Teiche geschossen.

Der Italiener hielt sich besonders an den feinen
Roussillon und schwazte kunterbuntes Zeug durch ein-
ander, was indessen für Theobald zu jeder andern
Zeit ärgerlicher gewesen wäre, als jezt, wo er seine
Zerstreuung gerne hinter diesen Lärm verbarg. Man

ohne niedergeſchlagen, zurückhaltend und höflich, ohne
abſtoßend zu ſeyn; eine gleichgültige Frage, die er an
ſie richtete, beantwortete ſie mit mehr Natürlichkeit
und Geiſtesgegenwart, als der Frager in dieſem Augen-
blicke ſelbſt beſaß. Bei alle dem ſchien ihre Miene
das, was vorgefallen war, eher ſtillſchweigend zu ver-
zeihen als zu billigen, ja es hatte das Anſehen, als
verläugnete ſie die Erinnerung daran ganz und gar.

Nicht mehr lange, ſo wurde das Mittageſſen an-
geſagt, wozu der Graf ohne Weiteres auch den Italiener
geladen hatte, zu nicht geringem Verdruſſe Noltens,
der es denn auch geduldig geſchehen laſſen mußte, als
Jener ſich die Gnade erbat, Eccellenza der Frau Gräfin
ſeinen Arm zum Gange nach dem Meierhauſe leihen
zu dürfen.

Die kleine Tafel fiel reichlicher aus, als man er-
wartet hatte, denn außer dem fremden Weine, der im
Schlitten des Grafen mitgekommen war, fand ſich ein
ſchmackhafter und ſeltener Biſſen Geflügel ein, bei
deſſen Auftiſchung der Graf zu bemerken nicht unter-
ließ, daß man den trefflichen Seevogel der Galanterie
Seiner Hoheit verdanke, der Herr Herzog haben ihn
vorhin am großen Teiche geſchoſſen.

Der Italiener hielt ſich beſonders an den feinen
Rouſſillon und ſchwazte kunterbuntes Zeug durch ein-
ander, was indeſſen für Theobald zu jeder andern
Zeit ärgerlicher geweſen wäre, als jezt, wo er ſeine
Zerſtreuung gerne hinter dieſen Lärm verbarg. Man

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[124/0132] ohne niedergeſchlagen, zurückhaltend und höflich, ohne abſtoßend zu ſeyn; eine gleichgültige Frage, die er an ſie richtete, beantwortete ſie mit mehr Natürlichkeit und Geiſtesgegenwart, als der Frager in dieſem Augen- blicke ſelbſt beſaß. Bei alle dem ſchien ihre Miene das, was vorgefallen war, eher ſtillſchweigend zu ver- zeihen als zu billigen, ja es hatte das Anſehen, als verläugnete ſie die Erinnerung daran ganz und gar. Nicht mehr lange, ſo wurde das Mittageſſen an- geſagt, wozu der Graf ohne Weiteres auch den Italiener geladen hatte, zu nicht geringem Verdruſſe Noltens, der es denn auch geduldig geſchehen laſſen mußte, als Jener ſich die Gnade erbat, Eccellenza der Frau Gräfin ſeinen Arm zum Gange nach dem Meierhauſe leihen zu dürfen. Die kleine Tafel fiel reichlicher aus, als man er- wartet hatte, denn außer dem fremden Weine, der im Schlitten des Grafen mitgekommen war, fand ſich ein ſchmackhafter und ſeltener Biſſen Geflügel ein, bei deſſen Auftiſchung der Graf zu bemerken nicht unter- ließ, daß man den trefflichen Seevogel der Galanterie Seiner Hoheit verdanke, der Herr Herzog haben ihn vorhin am großen Teiche geſchoſſen. Der Italiener hielt ſich beſonders an den feinen Rouſſillon und ſchwazte kunterbuntes Zeug durch ein- ander, was indeſſen für Theobald zu jeder andern Zeit ärgerlicher geweſen wäre, als jezt, wo er ſeine Zerſtreuung gerne hinter dieſen Lärm verbarg. Man

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/132>, abgerufen am 29.11.2024.