tanzte, um dann vereinigt vor die Tafel zu schreiten. Die Hauptsache war in kurzer Zeit gethan, die Ver- sammlung drängte sich herbei, inzwischen Tillsen noch mit einigen derben Strichen nachhalf. Man lobte, tadelte, lachte, bewunderte, wie es auch bei einer solchen Stegreifproduktion nicht fehlen konnte, daß neben den glücklichsten Spuren eines umfassenden, gleichartigen Geistes doch immer etwas Inkorrektes oder Halbes hervorsprang. Im Ganzen war die Scene so wohl gerathen, daß Tillsen der Aufforderung gerne nachgab, sie gelegentlich für das kleine Gesell- schaftsarchiv zu kopiren.
In der Hitze des Hin- und Widerredens war in- dessen kaum Jemanden aufgefallen, wie Constanze mit jedem Augenblicke blaß und blässer wurde. Sie entfernt sich in ein Seitenzimmer, man flüstert, die Damen eilen nach, Alles wird aufmerksam, der Herzog läßt sich nicht halten, sie selbst zu sehen, er klagt sich an, daß er den anstrengenden Tanz verlangt, am mei- sten ist Nolten bestürzt. Es kann ihm nicht entge- hen, daß unter der Thüre noch Constanzens lezter Blick mit einem matten sonderbaren Lächeln auf ihm ruht. Endlich geht man auseinander, nachdem der Graf, aus dem Kabinete tretend, die Versicherung gegeben, man habe von dem Anfall keine Folgen zu befürchten.
In den folgenden Tagen erging vom Grafen eine Einladung an Theobald, gemeinschaftlich das un-
tanzte, um dann vereinigt vor die Tafel zu ſchreiten. Die Hauptſache war in kurzer Zeit gethan, die Ver- ſammlung drängte ſich herbei, inzwiſchen Tillſen noch mit einigen derben Strichen nachhalf. Man lobte, tadelte, lachte, bewunderte, wie es auch bei einer ſolchen Stegreifproduktion nicht fehlen konnte, daß neben den glücklichſten Spuren eines umfaſſenden, gleichartigen Geiſtes doch immer etwas Inkorrektes oder Halbes hervorſprang. Im Ganzen war die Scene ſo wohl gerathen, daß Tillſen der Aufforderung gerne nachgab, ſie gelegentlich für das kleine Geſell- ſchaftsarchiv zu kopiren.
In der Hitze des Hin- und Widerredens war in- deſſen kaum Jemanden aufgefallen, wie Conſtanze mit jedem Augenblicke blaß und bläſſer wurde. Sie entfernt ſich in ein Seitenzimmer, man flüſtert, die Damen eilen nach, Alles wird aufmerkſam, der Herzog läßt ſich nicht halten, ſie ſelbſt zu ſehen, er klagt ſich an, daß er den anſtrengenden Tanz verlangt, am mei- ſten iſt Nolten beſtürzt. Es kann ihm nicht entge- hen, daß unter der Thüre noch Conſtanzens lezter Blick mit einem matten ſonderbaren Lächeln auf ihm ruht. Endlich geht man auseinander, nachdem der Graf, aus dem Kabinete tretend, die Verſicherung gegeben, man habe von dem Anfall keine Folgen zu befürchten.
In den folgenden Tagen erging vom Grafen eine Einladung an Theobald, gemeinſchaftlich das un-
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tanzte, um dann vereinigt vor die Tafel zu ſchreiten.
Die Hauptſache war in kurzer Zeit gethan, die Ver-
ſammlung drängte ſich herbei, inzwiſchen Tillſen
noch mit einigen derben Strichen nachhalf. Man
lobte, tadelte, lachte, bewunderte, wie es auch bei
einer ſolchen Stegreifproduktion nicht fehlen konnte,
daß neben den glücklichſten Spuren eines umfaſſenden,
gleichartigen Geiſtes doch immer etwas Inkorrektes
oder Halbes hervorſprang. Im Ganzen war die Scene
ſo wohl gerathen, daß Tillſen der Aufforderung
gerne nachgab, ſie gelegentlich für das kleine Geſell-
ſchaftsarchiv zu kopiren.
In der Hitze des Hin- und Widerredens war in-
deſſen kaum Jemanden aufgefallen, wie Conſtanze
mit jedem Augenblicke blaß und bläſſer wurde. Sie
entfernt ſich in ein Seitenzimmer, man flüſtert, die
Damen eilen nach, Alles wird aufmerkſam, der Herzog
läßt ſich nicht halten, ſie ſelbſt zu ſehen, er klagt ſich
an, daß er den anſtrengenden Tanz verlangt, am mei-
ſten iſt Nolten beſtürzt. Es kann ihm nicht entge-
hen, daß unter der Thüre noch Conſtanzens lezter
Blick mit einem matten ſonderbaren Lächeln auf ihm
ruht. Endlich geht man auseinander, nachdem der Graf,
aus dem Kabinete tretend, die Verſicherung gegeben,
man habe von dem Anfall keine Folgen zu befürchten.
In den folgenden Tagen erging vom Grafen eine
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/115>, abgerufen am 30.11.2024.
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